# taz.de -- Verdacht gegen SPD-Mann: Die Edathy-Krise | |
> Die Vorwürfe gegen Sebastian Edathy werden zum Problem für die SPD-Spitze | |
> – und für den Ex-Innenministster Friedrich. | |
Bild: Schlechte Nachricht überbracht: Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich (C… | |
BERLIN taz | Vielleicht wollte Hans-Peter Friedrich einfach einen Gefallen | |
tun. Eine kollegialen Hinweis geben, um viel Ärger zu vermeiden. Und um der | |
Großen Koalition einen ersten Skandal zu ersparen. | |
Seit gestern steht ein schwerer Vorwurf gegen den Exinnen- und heutigen | |
Landwirtschaftsminister im Raum. Einer, der ihn sein Amt kosten könnte. Und | |
über den auch führende Politiker der SPD stolpern könnten. Die Bombe | |
steckte in einer Pressemitteilung, welche SPD-Fraktionschef Thomas | |
Oppermann um 11.45 Uhr verschickte. Zwei Seiten, nüchterner Tonfall. | |
Friedrich habe im Oktober den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel darüber | |
informiert, dass bei Ermittlungen im Ausland der Name von Sebastian Edathy | |
aufgetaucht sei, schreibt Oppermann. Es werde – so die damalige Auskunft – | |
„möglicherweise zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen“. Gabriel zog | |
seinerseits, so Oppermann weiter, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und | |
Oppermann selbst ins Vertrauen. | |
Nur zur Erinnerung: Im Oktober steckten Union und SPD mitten in | |
Koalitionsverhandlungen. Friedrich und Oppermann leiteten zusammen die | |
Arbeitsgruppe Inneres und Justiz, sie sollten Kompromisse für die Regierung | |
aushandeln. Edathy wiederum galt damals noch als angesehener | |
Parlamentarier, der das Zeug für Höheres gehabt hätte. Schließlich hatte er | |
in der vergangenen Legislaturperiode den NSU-Untersuchungsausschuss | |
geleitet. | |
Friedrich gab der SPD-Spitze also einen Tipp, dass ein Hoffnungsträger der | |
Sozialdemokratie schon bald in Bedrängnis kommen könnte. | |
## Zerstörte Festplatten | |
Schon das hat ein Geschmäckle. Noch wichtiger aber ist, dass die | |
Indiskretion Folgen gehabt haben könnte. Durch das Streuen der | |
Ermittlerinfos in den politischen Raum könnte Edathy Wind von der Sache | |
bekommen haben. Ein Vertreter der niedersächsischen Ermittlungsbehörden | |
kritisierte die Weitergabe scharf. „Das grenzt an Strafvereitelung“, sagte | |
ein Ermittler der Nachrichtenagentur dpa in Hannover. „Wir sind in eine | |
Situation gekommen, in der die Durchsuchungen nicht mehr gegriffen haben“, | |
so der Ermittler. | |
Denn viel weist inzwischen darauf hin, dass Edathy früh Bescheid wusste. | |
Bei den Durchsuchungen von Edathys Wohnungen und Büros waren nur | |
schriftliches Material und lediglich ein funktionstüchtiger PC gefunden | |
worden. Die Ermittler gehen davon aus, dass weitere Rechner zuvor entfernt | |
wurden. Auch sollen Reste zerstörter Festplatten sichergestellt worden | |
sein. | |
Wie jetzt bekannt wurde, soll bereits im Dezember ein Anwalt Edathys bei | |
mehreren Staatsanwaltschaften in Deutschland nach Ermittlungen gegen seinen | |
Mandanten gefragt haben. Und just am Freitag, als die Immunität Edathys | |
aufgehoben werden sollte, hatte der bei Bundestagspräsident Norbert Lammert | |
(CDU) seinen Rücktritt eingereicht. | |
Innerhalb der Großen Koalition herrschte angesichts der Indiskretion des | |
Ministers Entsetzen. „Das ist ein unmöglicher Vorgang, der alle Beteiligten | |
in Bedrängnis bringt“, sagte ein wichtiger Sozialdemokrat. | |
## Widersprüchliche Aussagen | |
Friedrich räumte am Nachmittag ein, die SPD über den Fall informiert zu | |
haben. Er sei vom BKA über polizeiliche Untersuchungen im Ausland | |
unterrichtet worden, in denen der Name Edathys auftauche, sagte Friedrichs | |
Sprecher Jens Teschke. Friedrich habe daraufhin nachgefragt, ob es sich um | |
strafrechtliche Vorwürfe handele. Es sei ihm zugesichert worden, dass das | |
nicht der Fall sei. | |
Friedrich habe sich wegen der politischen Dimension des Falles | |
entschlossen, in einem vertraulichen Gespräch den SPD-Vorsitzenden Sigmar | |
Gabriel zu informieren. Teschke bestätigte nicht die Darstellung von | |
SPD-Fraktionschef Oppermann, nach der Friedrich Gabriel gesagt haben soll, | |
es könnte zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen. | |
Doch auch Oppermann und BKA-Chef Jörg Ziercke verhielten sich in der Causa | |
seltsam. Oppermann schreibt in seiner Mitteilung: „Ich habe mir diese | |
Informationen im Oktober 2013 in einem Telefonat von BKA-Präsident Jörg | |
Ziercke bestätigen lassen.“ Das heißt: Mit dem Anruf muss Ziercke klar | |
gewesen sein, dass die Information das Ministerium verlassen hatte. Ein | |
Dritter, zumal ein Parteifreund Edathys, erkundigt sich also auf dem | |
kleinen Dienstweg nach einem Vergehen. Ziercke meldet sich ebenfalls per | |
Pressemitteilung zu Wort. | |
## Auswirkung auf Postenvergabe? | |
Oppermann habe ihn angerufen und über den Inhalt eines Gesprächs zwischen | |
Gabriel und Oppermann berichtet, in dem es um Ermittlungen gegangen sei, | |
bei denen der Name Edathy auftauchte. „Diese Darstellung habe ich mir | |
angehört, aber Herrn Oppermann diese weder bestätigt noch Informationen zum | |
Sachverhalt mitgeteilt.“ | |
Dass die SPD-Spitze über die Ermittlungen Bescheid wusste, erklärt im | |
Nachhinein auch, warum Edathy bei der Postenvergabe nach den | |
Koalitionsverhandlungen leer ausging. Aus der Fraktion heißt es, das | |
Leerausgehen Edathys sei damit begründet worden, dieser sei krank. „Er hat | |
sich zurückgezogen. Für mich sah das nach Burn-out aus“, sagt eine | |
Abgeordnete. Von den Ermittlungen sei man erst am Dienstagnachmittag auf | |
der Fraktionssitzung von Oppermann unterrichtet worden. | |
In der Koalition heißt es aber bereits, dass Leute Verantwortung übernehmen | |
müssten. Edathy ließ am Donnerstag Anfragen unbeantwortet. Am Vortag hatte | |
er die Vorwürfe als „gegenstandslos“ zurückgewiesen. | |
13 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Ulrich Schulte | |
Astrid Geisler | |
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