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# taz.de -- Technikfolgenabschätzung öffnet sich: Bürgerwissen wurde lange i…
> Das Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestags hat sich neu
> aufgestellt. Künftig soll gesellschaftliches Wissen fürs Parlament
> nutzbar gemacht werden.
Bild: Das Büro für Technikfolgenabschätzung muss sich auch mit den von neuen…
BERLIN taz | Alle Abgeordneten des Bundestages, auch die
Forschungspolitiker unter ihnen, stehen unter einem Dauerfeuer der
Beeinflussung. „Wir werden zugeworfen mit Expertisen von allen möglichen
Akteuren“, stöhnt ein Mitglied des Forschungsausschusses. Um die richtige
Orientierung bei großen Entscheidungen zur Wissenschaftspolitik nicht zu
verlieren, leistet sich das Parlamentsgremium seit mehr als 20 Jahren eine
eigene Beratungsinstanz: das [1][Büro für Technikfolgenabschätzung beim
Deutschen Bundestag (TAB)]. In diesen Wochen hat das TAB in neuer
Zusammensetzung seine Arbeit für die nächsten fünf Jahre aufgenommen.
Das TAB besteht aus Wissenschaftlern, die auf Anforderung der Politik
bestimmte Fragen zur Technikentwicklung beantworten. „Wir wollen mit
unserer wissenschaftlichen Politikberatung auch dazu beitragen“, erklärt
TAB-Leiter [2][Professor Armin Grunwald] vom [3][Karlsruher Institut für
Technologie (KIT)], aus der Vielfalt der Studien für die politischen
Entscheider „Ordnung zu schaffen“. Pro Jahr stehen dem Büro dafür zwei
Millionen Euro seitens des Bundestags zur Verfügung.
Seit Gründung des TAB 1990 wurden rund 170 Studien zu neuen Technologien
und ihren Folgewirkungen für Wirtschaft und Gesellschaft produziert, unter
anderem zur Nanotechnik, elektronischen Petitionen und Welternährung. Eine
Expertise zu Plänen für ein deutsches Spaceshuttle führte in den 90er
Jahren dazu, dass sich Deutschland aus dieser von Eugen Sänger entwickelten
Technik verabschiedete.
Große Aufmerksamkeit fand eine TAB-Studie zu den Folgen eines großflächigen
Stromausfalls. Aktuell haben die TAB-Experten Themen wie „Climate
Engineering“, künftige Postdienste oder Medikamentenentwicklung für Afrika
in der Bearbeitung. Unter dem Titel „Synthetische Biologie“ wird
untersucht, wie die nächste Stufe der Biotechnologie aussehen kann.
## Bürgerbeteiligung stärken
TAB-Mitarbeiter Arnold Sauter betrachtet dabei auch gesellschaftliche
Entwicklungen, die in diese Technik hineinspielen können. Dazu gehören etwa
die wachsende Do-it-yourself-Bewegung mit individuellem „Bio-Hacking“
außerhalb der Wissenschaft wie auch die Trends zu nachhaltigem Design, Open
Innovation und „Sharing Economy“. Im Blick hat Sauter auch die Verbindung
von Synthetischer Biologie mit mehr Bürgerbeteiligung an Wissenschaft und
Forschung („Citizen Science“).
Am Thema Partizipation hat die Politik bei allen Fragen der
Technik-Entwicklung nach dem Stuttgart-21-Schock derzeit gesteigertes
Interesse.
„Es wird eine stärkere Öffnung gegenüber der Gesellschaft angestrebt“,
erklärt Grunwald. Das drückt sich auch in der neuen Zusammensetzung des TAB
aus. Neben Grunwalds [4][KIT-Institut für Technikfolgenabschätzung und
Systemanalyse (ITAS)], das seit Anfang dabei ist, sind mit der neuen
Ausschreibung das [5][Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung
(IZT)], die [6][VDI/VDE Innovation und Technik GmbH,] beide Berlin, und das
[7][Helmholtz-Umweltforschungszentrum (UFZ)] in Leipzig dazugekommen.
## Neue Methode: „Horizon Scanning“
Während das UFZ die Themen mit Nachhaltigkeitsbezug bearbeiten soll, werden
die Experten von VDI/VDE vor allem eine Methode entwickeln, mit der sich
frühzeitig bestimmte Technologieentwicklungen erfassen lassen, die heute
erst ganz schwach am Zukunftshorizont erkennbar sind: das „Horizon
Scanning“. Als Beispiel für einen solchen Trend, der binnen Kurzem zu
größerer Wirkung gelangen kann, führt Grunwald die
Lebensmittelverschwendung an.
Den ersten gesellschaftlichen Protesten folgten wissenschaftliche
Erhebungen zur Situation, die jetzt in technische Lösungen und
Veränderungen im Verbraucherverhalten münden. In England und Singapur wird
das Horizon Scanning von der Regierung seit mehreren Jahren genutzt. Erste
Anwendung der Suchtechnik ist für das TAB-Büro das IT-Thema „Offene
Innovationsprozesse als Cloud Service“.
Eine ähnliche Sondierung von Zukunftstrends in die Gesellschaft hinein will
das IZT beisteuern. „Das gesamte Feld der Technikfolgenabschätzung ist in
Deutschland nicht angemessen repräsentiert“, stellt IZT-Leiter
[8][Professor Michael Opielka] fest. Sein Institut überzeugte mit dem
Vorschlag eines „Stakeholder-Panels“, mit dem regelmäßig bestimmte
gesellschaftliche Gruppen zu einzelnen TAB-Themen befragt werden, wie etwa
zu Online-Bürgerbeteiligung, Synthetischer Biologie oder Energiewende. Die
sieben Stakeholder-Gruppen sind Wissenschaft, Bürger/Verbraucher,
Politik/Administration, Wirtschaft, zivilgesellschaftliche Organisationen,
Umwelt, Medien/Presse.
## Megatrend: Partizipation
„Das spezifische Wissen der gesellschaftlichen Stakeholder soll für die
Arbeiten des Bundestages nutzbar gemacht werden“, erklärt Opielka. Dabei
gehe es sowohl um die „Erfassung von Chancen und Risiken der
gesellschaftlichen Technisierung- und Transformationsprozesse“ als auch um
die Ermittlung „innovativer Handlungsmöglichkeiten“. Partizipation ist der
Megatrend.
Der neu zusammengesetzte Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung hat im März die Vertreter des TAB-Konsortiums mit
Interesse angehört. „Wir sind unglaublich gespannt darauf, was diese neuen
Instrumente an Ergebnissen bringen“, sagte die Ausschussvorsitzende, die
CDU-Abgeordnete [9][Patricia Lips], gegenüber der taz.
Das Parlament sei sehr daran interessiert, „den Austausch mit den
gesellschaftlichen Akteuren zu verstärken“. Methoden wie das Horizon
Scanning sollten nicht dazu dienen, von politischer Seite neue Themen zu
kreieren, sondern zu ermitteln, „was kommt von der gesellschaftlichen Seite
auf uns zu“. Derzeit seien die anderen Ausschüsse des Bundestages dabei,
ihre Themenwünsche an das TAB-Büro zu formulieren.
## Gesellschaftliches Wissen
Wissenschaftliches und künftig auch gesellschaftliches Wissen dem höchsten
deutschen Parlament nutzbar zu machen, ist die Aufgabe des TAB, die es über
Legislaturperioden und Regierungswechsel hinaus kontinuierlich und offenbar
brauchbar erfüllt. Bei anderen Ansätzen, Wissen ins Parlament zu speisen,
ist das nicht so.
Ähnlich wie das TAB hat sich in der letzten Parlamentsperiode die
Enquete-Kommission für Wachstum, Wohlstand. Lebensqualität mit
wissenschaftlichem Beistand um die gleichen Fragen künftiger Technik und
gesellschaftlicher Nutzung gekümmert. Was wird aus diesem Wissen?
TAB-Chef Grunwald muss zugeben: „Der Bundestag hat kein institutionelles
Gedächtnis.“ Wenn mit Neuwahlen die Zugpferde wechseln, komme Erfahrung und
Wissen abhanden. Grunwald: „Dieser Verlust ist dem System geschuldet.“
1 May 2014
## LINKS
[1] http://www.tab-beim-bundestag.de/
[2] http://www.itas.kit.edu/mitarbeiter_grunwald_armin.php
[3] http://www.kit.edu/index.php
[4] http://www.itas.kit.edu/
[5] http://www.izt.de/
[6] http://www.vdivde-it.de/
[7] http://www.ufz.de/
[8] http://www.izt.de/izt-im-ueberblick/team/name/opielka/
[9] http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete18/biografien/L/lips_patricia.…
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
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