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# taz.de -- DLR-Forschungszentrum AeroSpacePark: Raumfahrt in Nazi-Tradition
> In Trauen betreibt das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR)
> Raketenforschung. Hier wurde vor 80 Jahren an einem Orbitalbomber
> getüftelt.
Bild: Nach Eugen Sänger heißt eine Straße in Faßberg: Mehr Nazi als der Ing…
BREMEN taz | Technische Forschung ist oft keine rein zivile Angelegenheit.
Und schon mal gar nicht im Ort Trauen bei Faßberg im Kreis Celle. Dort
betreibt das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) nun seit zwei
Jahren Raumfahrtforschung. Wieder, muss es genauer heißen, und: endlich!,
sagen manche Lokalpolitiker.
Denn in Trauen wurde ja schon Jahrzehnte zuvor, ab 1936, ein geheimes
Raketenlabor betrieben. Dessen Chef war der in Österreich geborene, aber
noch vorm Anschluss eingedeutschte Eugen Sänger.
Manche verherrlichen den Ingenieur als Visionär. Noch herausragender war er
aber in seiner Eigenschaft als Voll-Nazi: Schon 1932 in Österreich NSDAP-
und SS-Mitglied, [1][hatte er auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch
tatkräftig mithelfen wollen, Juden zu vernichten, mit Raketen], von Ägypten
aus.
Hier im idyllischen Trauen hat er am Silverbird getüftelt, einem
Orbitalbomber. Der hätte aufgrund hoher Geschwindigkeit in die Stratosphäre
eindringen, dort auf eine niedrige Erdumlaufbahn einschwenken und so
ermöglichen sollen, New York in Schutt und Asche zu legen, direkt von der
Lüneburger Heide aus, [2][dank innovativer Antriebstechnik]. Toll.
## Für Investoren soll es Subventionen regnen
Daher ist dem Ingenieur auch die Straße gewidmet, in der das DLR seiner
„Vision 2035“ nachhängt: Der AeroSpacePark Trauen hat seinen Sitz in
der Eugen-Sänger-Straße 50.
Nur warum? Liegt der Himmel dort näher? Die Raketenforscher sind nicht in
der Lage, die taz-Anfrage im Laufe von mehr als einer Woche zu beantworten.
Dabei ist zwar [3][nachvollziehbar, dass die Nazis ihre Aufrüstung im
Verborgenen praktizierten]. Sie musste, als flagranter Bruch des Versailler
Vertrags, verheimlicht werden.
Aber warum soll es eine gute Idee sein, die verrottete Anlage am Arsch der
Welt mit ihren nicht nur ideellen, sondern auch baulichen Altlasten zu
reaktivieren? Okay, da ist viel Platz, die Grundstückspreise sind moderat
und das Militär ist schon ewig der bestimmende Faktor der lieblichen
Gegend. Das Verhältnis zur Nachbarschaft ist also bestens.
Aber: Zuwegungen und sinnvolle telekommunikative Infrastruktur hat man erst
neu schaffen müssen, um diskutabel für rein privatwirtschaftlich
organisierte Forschungspartner zu werden. Am Mittwochvormittag will man den
einschlägigen Unternehmen in einem „Workshop“ die Vorzüge von Trauen
schildern, vorsichtshalber digital, weil, die Anreise…! Vor allem will man
ihnen einen Überblick über niedersächsische Fördermöglichkeiten für
Raumfahrt-Unternehmen geben.
Seit der Jahrhundertwende hatten rechtsliberale Zeitungen und Politiker das
Vorhaben der Standortreaktivierung hochgejubelt, Millioneninvestitionen
gefordert – und am Ende auch bekommen. Der teilstaatliche Luft- und
Rüstungskonzern EADS hat Euro-Beträge in zweistelliger Millionenhöhe hier
angelegt.
Dazu gibt’s [4][fett Subventionen], legitimiert mit der Verheißung eines
wirtschaftlichen Auftriebs für die Region, 2012 vom damaligen
Landeswirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) in Aussicht gestellt: Die
Stammbelegschaft soll im vergangenen Jahr aus 17 Leuten bestanden haben.
## Mit Wasserstoffperoxid ins All
Das ist selbst für eine strukturschwache Region keine relevante
Größenordnung, aber dank großzügiger Förderung aus dem
Verteidigungshaushalt – 50 Millionen! – wächst man wohl auf bis zu 60
Leute, und die müssen zwischendurch auch mal Kaffee trinken gehen, sodass
weitere Arbeitsplätze entstehen.
Geforscht wird an künftigen Raketenantrieben, die kostengünstiger und
sicherer funktionieren sollen als bisherige: Sie sollen als Treibstoff
Wasserstoffperoxid nutzen, weil umweltverträglich.
Außerdem erprobt man neue Kontrollsysteme für Klein-Satelliten, die
schneller in eine Umlaufbahn geschossen werden können, falls mal einer der
anderen ausfällt. Für deren Steuerung eigene Konzepte zu entwickeln, ist
angesichts der immensen Bedeutung ihrer Daten für Geo-Informations- und
Kommunikationssysteme sicher nicht verkehrt.
26 Sep 2022
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/politik/36-135-und-333-a-1806d3d9-0002-0001-0000-000…
[2] http://www.luft46.com/misc/sanger.html
[3] https://homepage.ruhr-uni-bochum.de/christian.brandau/Aufruestung-der-Wehrm…
[4] https://www.mw.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/wi…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Raumfahrt
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Lüneburger Heide
Raketen
Forschung
Schwerpunkt Brexit
Industrielobby
Bürgerbeteiligung
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