# taz.de -- Nachhaltigkeit in der Forschung: Verantwortung wahrnehmen | |
> Die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsforscher sollen in die Praxis umgesetzt | |
> werden. Noch hapert es bei der Beteiligung der Betroffenen. | |
Bild: Trinkwassernot in Kunming, in der südwest-chinesischen Provinz Yunnan. | |
BERLIN taz | Deutsche Wassertechnologie ist in China begehrt. Seit drei | |
Jahren gibt es das deutsch-chinesische „Forschungs- und Innovationsprogramm | |
Sauberes Wasser“, für das jetzt ein Innovationszentrum in Schanghai | |
aufgebaut wird. Im Frühjahr fiel der Startschuss für ein großes | |
Wasserprojekt in der chinesischen Hafenstadt Qingdao, wo in einem | |
Neubauviertel für 12.000 Menschen eine ökologische Wasserver- und | |
-entsorgung nach dem „Semizentral“-Konzept der TU Darmstadt realisiert | |
wird: Grauwasser wird mehrfach genutzt, Klärschlamm produziert Biogas. | |
Auf der Konferenz [1][„Forschung für Nachhaltige Entwicklungen“ (Fona)] | |
diese Woche in Berlin hob Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka die | |
China-Kooperation als Beispiel dafür hervor, wie sich die deutsche | |
Forschungspolitik verändern will. | |
„Wir haben als reiche Industrienationen eine Verantwortung für die globale | |
Umwelt“, erklärte die Politikerin. Die Ergebnisse von Forschungsprojekten | |
sollen nicht nur unter Wissenschaftlern verbreitet werden, sondern stärker | |
als bisher die gesellschaftliche Praxis erreichen. | |
Ein Hebel dafür ist die neue „Hightech-Strategie“ der Bundesregierung, in | |
die neben dem Forschungsministerium auch andere Ressorts wie Wirtschaft, | |
Umwelt, Verkehr und Gesundheit eingebunden sind. Ministerin Wanka: „Wir | |
können von der Forschung vieles anschieben, aber wichtig ist, es auch in | |
die Fläche zu bringen“. | |
Das jährliche Fona-Forum, in diesem Jahr zum elften Mal, ist das | |
Stelldichein der deutschen Nachhaltigkeitsforscher. Die einstige | |
Öko-Nische, in der sie lange laborierten, öffnet sich, „Sustainability“ | |
erreicht den Mainstream der Wissenschaft. „Wir haben es erreicht, dass sich | |
die Forschungslandschaft für diese Themen neu aufgestellt hat“, antwortet | |
Karl-Eugen Huthmacher, zuständiger Abteilungsleiter im | |
Bundesforschungsministerium, auf die Frage nach erreichten Erfolgen. | |
Wurde noch vor Jahren von einigen der großen Forschungsorganisationen die | |
Unterschrift unter einen „Nachhaltigkeitskodex“ der deutschen Wissenschaft | |
vehement abgelehnt, stellt inzwischen sogar die Max-Planck-Gesellschaft in | |
Foren beispielhaft vor, wie sie ihre Gebäude energiesparend und | |
ressourcenschonend betreibt. | |
Ordentliche Fördermittel sorgen für zusätzliche Motivation. In diesem Jahr | |
gibt das BMBF allein an Projektmitteln 430 Millionen Euro für | |
Nachhaltigkeitsforschung aus, hinzu kommt die Grundfinanzierung für | |
Institute, etwa das Umweltforschungszentrum in Leipzig, was sich auf | |
insgesamt 1,3 Milliarden Euro aus dem Forschungsetat summiert. Mit den | |
Ausgaben anderer Ressorts, vor allem dem großen Batzen der | |
Energieforschung, investiert die Bundesregierung 2014 knapp 3 Milliarden | |
Euro in die Forschung zur nachhaltigen Entwicklung. | |
## Dre große Anwendungsbereiche | |
Im neuen Rahmenprogramm des Ministeriums, „Fona-3“, das bis nächstes | |
Frühjahr fertiggestellt sein soll, wird vor allem auf drei große | |
„Anwendungs-Arenen“ orientiert: „Green Economy“ will Nachhaltigkeit in … | |
Wirtschaft bringen, das Programm „Zukunftsstadt“ will mit dem gleichnamigen | |
Wissenschaftsjahr 2015 urbane Ökotechniken fördern. Und das Programm | |
„Energiewende“ schiebt energetische Innovationen an, etwa mit einem | |
Modellprojekt der sozial-ökologischen Forschung in 30 deutschen | |
Energiewende-Kommunen. | |
Partizipation, die Beteiligung der Betroffenen und Anwender, ist ein | |
Schlüsselbegriff für die neue Stufe der Nachhaltigkeitsforschung. Auch | |
Ministerin Wanka betonte, dass es zur Bewältigung der Umweltrisiken mehr | |
denn je nicht allein auf technische, sondern auch auf „soziale | |
Innovationen“ ankomme. | |
Hier muss indes eine Abschlussbemerkung von Konferenzleiter Huthmacher | |
nachdenklich machen. Nach all den Fortschritten, die die Forschung für die | |
Nachhaltigkeit in der Reorientierung der Wissenschaft und Anwendung in der | |
Wirtschaft erreicht hat, sei „das Interesse der Zivilgesellschaft noch eine | |
Baustelle“. Die nächsten Fona-Jahre sollten daher sowohl die | |
Gesellschaftsforschung wie auch die Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen | |
in die Nachhaltigkeitsforschung verstärken. | |
26 Sep 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.fona.de/ | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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