# taz.de -- Fischereiexperte über Nachhaltigkeit: „Erschöpft, überfischt, … | |
> Auch in Zukunft kann sich die Menschheit von Fisch ernähren, sagt | |
> Francisco Marí von Brot für die Welt. Doch dafür braucht es eine andere | |
> Meerespolitik. | |
Bild: „Die Reduzierung von Beifang muss eines der obersten Ziele sein.“ Aug… | |
taz: Herr Marí, heute veröffentlicht die Welternährungsorganisation FAO | |
ihren Bericht zum Zustand der Weltmeere. Er wird wohl weniger besorgt | |
ausfallen als die vorigen. Zu Rcht? | |
Francisco Marí: Leider nein. Die Statistiken sind verzerrt, das wurde von | |
einigen Staaten durchgesetzt, um ihre Interessen zu wahren. Die | |
Verschmutzung und Versauerung der Meere nehmen zu. 77 Prozent der globalen | |
Fischbestände sind erschöpft, überfischt oder komplett ausgebeutet. | |
Vor fünf Jahren hat die FAO noch gewarnt: 2048 wird der letzte Fisch aus | |
dem Meer gezogen. Wird es dazu kommen? | |
Es kann sein, dass dies geschieht. Es kann aber auch sein, dass die | |
Menschheit sich rechtzeitig auf eine nachhaltige Fischerei einigt. | |
Wie würde die aussehen? | |
Die Reduzierung von Beifang muss eines der obersten Ziele sein. Dazu wollen | |
wir entsprechende Fangtechniken vorschreiben. Trotzdem anfallender Beifang | |
muss in verwertbarer Form an Land gebracht und auf vergebene Quoten | |
angerechnet werden. Die industriellen Fangflotten müssen verkleinert, | |
Schleppnetze verboten, die handwerkliche Kleinfischerei massiv geschützt | |
werden. Fangquoten müssen sich an ökologischen Kriterien orientieren. | |
Wie viel Fisch könnte man dann noch essen? | |
Heute werden in Deutschland 16 Kilo Fisch pro Person und Jahr verzehrt und | |
etwa 20 Kilo verbraucht. Vor Kurzem waren es halb so viel. Weltweit werden | |
rund 75 Millionen Tonnen Wildfisch pro Jahr gefangen. Mit nachhaltiger | |
Fischerei wären sogar 100 Millionen Tonnen möglich. Das wären bei 9 | |
Milliarden Menschen 11 Kilo pro Person und Jahr. | |
Also insgesamt mehr als jetzt? | |
Ja. Aber die Bestände brauchen vorher dringend eine Erholungsphase: Etwa | |
zehn Jahre mit stark reduzierter Fischerei. Danach können die Fangmengen | |
für eine nachhaltige Fischerei langsam wieder gesteigert werden. | |
Ist Aquakultur ein Ausweg? | |
Es ist illusorisch, die Menschheit mit Aquakultur ernähren zu wollen. Man | |
würde die Probleme aus der globalen Fleischproduktion reproduzieren, etwa | |
was die Gabe von Antibiotika, Abwässer und Futterproduktion angeht. Die | |
Folge wären katastrophale Umweltschäden. | |
Seit Jahren warnen Sie vor der Zerstörung der Meere, auch durch | |
EU-Fangflotten. Nun loben Entwicklungsorganisationen die | |
EU-Fischereipolitik. Was ist geschehen? | |
Die 2013 beschlossene EU-Fischereireform bietet durchaus Chancen, die | |
Überfischung zu bekämpfen. Wir sehen dies beispielsweise an dem neuen | |
Abkommen mit Mauretanien. Dort sollen die EU-Flotten künftig viel stärker | |
Rücksicht auf die Kleinfischer nehmen. Die Umsetzung der Reform ist aber | |
offen. Wir hoffen, dass die neue Kommission – und auch die neue deutsche | |
Staatssekretärin für Fischerei – die Gesetze strikt durchsetzen. | |
Angenommen, dies geschieht - was wäre, global gesehen, gewonnen, solange | |
die anderen Fischereimächte nicht nachziehen? | |
Einiges. Die EU sitzt in fast allen Verwaltungssausschüssen der Meere, auch | |
dort, wo ihre eigenen Fangflotten nicht aktiv sind. Europa ist der | |
weltgrößte Markt für Fisch, mit über 700 großen Fischereifahrzeugen | |
betreibt Europa die größte Fangflotte der Welt. Beim Kampf gegen die | |
illegale Fischerei ist der Druck schon groß. Die USA übernehmen den | |
europäischen Ansatz und schließen ihre Märkte für illegale Fischerei. Es | |
ist wahr: China, Rußland, Südkorea sind schwieriger zu beeinflussen. Aber | |
wenn man große Fischereinationen wie Spanien dazu bringt, endlich | |
nachhaltig zu fischen, hat das Signalwirkung. | |
19 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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