# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Nachhaltig ratlos | |
> Am Montag trifft sich wieder der „Rat für Nachhaltige Entwicklung“. Ein | |
> Wohlfühl-Event mit exzellenten Häppchen und viel leerem Gerede. Oder etwa | |
> nicht? | |
Bild: Kaum eine gute Idee ist wirkungsvoller kastriert worden als die „Nachha… | |
Und mittags kommt dann Merkel. Die Bundeskanzlerin schreitet grüßend durch | |
die Menge der Anzugträger, geht ans Rednerpult und sagt 45 Minuten lang: | |
„Wir haben viel erreicht, aber es gibt noch viel zu tun!“ | |
Das ist so gute Tradition beim „Rat für Nachhaltige Entwicklung“, dessen | |
Jahreskonferenz am kommenden Montag in Berlin beginnt. Die Kanzlerin hält | |
dann ihre Rede mit den bewährten Inhaltsstoffen Klimaschutz, Finanzkrise | |
und Rentenreform, die ja alle auch nur nachhaltig zu lösen sind, irgendwie. | |
Das Klassentreffen der Weltretter ist ein Wohlfühl-Event mit exzellenten | |
Häppchen, interessantem Tratsch und erträglichen Podiumsdiskussionen. | |
Und trotzdem habe ich da immer schlechte Laune. Denn kaum eine gute Idee | |
ist wirkungsvoller kastriert worden als die „Nachhaltigkeit“ – im Folgend… | |
N genannt. | |
Sie wissen schon: nicht mehr Bäume umhauen, als nachwachsen. Eigentlich | |
ganz einfach. Aber in Deutschland eine offizielle und ernsthafte Sache, | |
seit Gerhard Schröder in seiner Prä-Gazprom-Zeit 2001 – zack, zack! – ein… | |
„N-Rat“ und gleich noch eine „N-Strategie“ aus dem Boden stampfte. N ma… | |
in Germany ist eine echte Erfolgsstory – und eine Konsensmaschine. Gefühlt | |
jeder zweite Unternehmenschef, Gewerkschafter, Wissenschaftler oder | |
Umweltschützer war inzwischen Ratsmitglied. | |
Eine Menge kluger Projekte sind entstanden, selten kluge Politik. Aber die | |
N hat (wenn auch in der Kuschelversion) die deutschen Wohnzimmer erobert. | |
Wenn die Leute trotz aller Kostenhysterie die Energiewende immer noch | |
knorke finden, dann hat der N-Rat daran nachhaltig mitgewirkt. | |
Dafür mal ein dickes Dankeschön! Wollte man das Glas halb voll sehen, | |
könnte man sagen: Wie schön, dass sich von Öko bis Konservativ alle um das | |
N-Thema kümmern, wie gut, dass auch die Unternehmen mit im Boot sind (auch | |
wenn sie die anderen rudern lassen). | |
Andererseits: Wollen wir mitmachen, wenn selbst die Rüstungsschmiede | |
Krauss-Maffei Wegmann damit wirbt, den Fahrern ihrer rollenden | |
Kriegsmaschinen „nachhaltige Fahrausbildung“ zu bieten? | |
## Auch der letzte Ökosünder darf mitmachen | |
Im N-Rat sitzen honorige Menschen. Manche vertreten aber aus N-Sicht eher | |
zwielichtige Stellen: Marlehn Thieme, Chefin des Rats, war bis Ende 2013 | |
Direktorin der Deutschen Bank, die von Umweltschützern gerade mit dem | |
„Black Planet Award“ für „rücksichtslosen Umgang mit dem Planeten“ | |
ausgezeichnet wurde. | |
Mit ihr am N-Tisch: Wolfgang Schuster, CDU. Ex-OB von Stuttgart, wo S 21 | |
gegen alle Ideen der N verstößt. Und auch mit von der Partie: der Chef der | |
Bergbau-Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, ein Fan des Klimakillers | |
Braunkohle. Funktioniert Nachhaltigkeit wirklich nur, wenn man noch den | |
letzten Ökosünder mitmachen lässt? Oder funktioniert sie dann gerade nicht? | |
Der Rat will „Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und | |
wirtschaftlichen Gesichtspunkten berücksichtigen“. Da kann man nur | |
schreien: nein, nein, nein! Die natürlichen Lebensgrundlagen haben | |
Priorität! Ohne saubere Luft, trinkbares Wasser, Artenvielfalt und ein | |
stabiles Klima könnt ihr eure Bilanzen, Jobs und Kita-Programme in der | |
Pfeife rauchen! | |
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks von der SPD hat gerade daran | |
erinnert, dass „die Wirtschaft eine 100-prozentige Tochterfirma der Umwelt | |
ist“. Das sollte sich der N-Rat in Tropenholz schnitzen und über seine | |
Eingangstür hängen. Aber es wäre vor allem auch ein schönes Motto für die | |
Rede von Angela Merkel. | |
30 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
## TAGS | |
Nachhaltigkeit | |
Umweltschutz | |
Umweltschutz | |
Öko | |
Fischerei | |
FDP | |
Landwirtschaft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ökobewegung in Industrieländern: Dämmerung der Imperialisten | |
Es lässt sich nicht mal mehr ein ordentlicher Castor-Transport stoppen. | |
Keine mehr da. Die Ökobewegung wird unwichtiger. Das ist gut. | |
Kolumne Wir retten die Welt: Der große Sieg | |
Und was denken Sie, wenn Sie „Öko“ lesen? Vermutlich „Ökologie“, oder? | |
Eben. Die Geschichte einer Vorsilbe, die auch die Geschichte guter Ideen | |
ist. | |
Fischereiexperte über Nachhaltigkeit: „Erschöpft, überfischt, ausgebeutet�… | |
Auch in Zukunft kann sich die Menschheit von Fisch ernähren, sagt Francisco | |
Marí von Brot für die Welt. Doch dafür braucht es eine andere | |
Meerespolitik. | |
Öko-Fläche in der Landwirtschaft: FDP will Bio-Ziel schreddern | |
Kurz vor der Wahl sprechen sich die Liberalen gegen 20 Prozent Öko-Anteil | |
an der Agrarfläche aus. Möglicherweise fördert die neue Regierung Bio | |
weniger. | |
Umweltsünder Landwirtschaft: Düngen, bis das Meer tot ist | |
Landwirte kippen im Schnitt zu viel Stickstoff aufs Feld, urteilen Berater | |
der Bundesregierung. Folgen: verseuchtes Trinkwasser, Artensterben, | |
Treibhausgase. |