| # taz.de -- Berater für EU-Kommission: Suche nach den „Siebengescheiten“ | |
| > Die EU-Kommission will ein neues wissenschaftliches Beratergremium | |
| > aufstellen. Dafür werden jetzt sieben Forscher gesucht. | |
| Bild: Die umstrittene britische Professorin Anne Glover war wissenschaftliche B… | |
| Berlin taz | Die EU-Kommission in Brüssel will für ihre politischen | |
| Entscheidungen weiterhin wissenschaftlichen Sachverstand nutzen, weiß aber | |
| nicht so recht, wie. Nachdem der vormaligen Wissenschaftsberaterin Anne | |
| Glover nach Differenzen über die Gentechnik vom neu gewählten Präsidenten | |
| der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, Ende letzten Jahres der | |
| Stuhl vor die Tür gestellt wurde, wird nun nach einer Nachfolgelösung | |
| gesucht. | |
| EU-Forschungskommissar Carlos Moedas hat eine Findungskommission | |
| eingesetzt, die bis Oktober sieben Mitglieder eines neuen Gremiums mit dem | |
| sperrigen Namen „Scientific Advice Mechanism“ (SAM, Wissenschaftlicher | |
| Beratungs-Mechanismus) benennen sollen. Ob die Kür der „Siebengescheiten“ | |
| die EU-Politik wirklich klüger machen kann, wird von Experten bezweifelt. | |
| Mit dem Ende der „Ära Glover“ war das britische Modell der | |
| Wissenschaftsberatung in Brüssel gescheitert. In London hat es lange | |
| Tradition, dass ein Mitglied der Wissenschaftsakademie „Royal Society“ der | |
| Regierung bei bestimmten Sachfragen die Position der Forschungswelt | |
| aufbereitet und zugänglich macht. In Deutschland wie auch den meisten | |
| anderen Ländern wird dagegen wissenschaftliche Expertise in der Regel über | |
| Institutionen, wie Akademien oder Expertenkommissionen, in die Politik | |
| transferiert. | |
| Das neue Brüsseler SAM-Modell rückt von der Ein-Personen-Beratung ab und | |
| führt unterschiedliche Disziplinen und Nationalitäten in einem | |
| siebenköpfigen Wissenschaftsrat zusammen. Die derzeitige Kandidatensuche | |
| leitet der frühere „Chief Scientist“ der britischen Regierung, David King. | |
| „Die EU ist mit großen Herausforderungen konfrontiert, die jeweils viele | |
| soziale, ökonomische, technologische und politische Komponenten haben“, | |
| merkt Martin Kowarsch vom Mercator Forschungszentrum für globale Commons | |
| und Klimawandel (MCC) in Berlin an und nennt an Beispielen die Energie- und | |
| Klimapolitik, Finanzkrise und Aufgaben im Gesundheitswesen. | |
| „Eine kleine Expertengruppe kann diese Komplexität nicht immer erfassen“, | |
| sagte Kowarsch gegenüber der taz. Das aus seiner Sicht am besten | |
| entwickelte Modell der Politikberatung ist der Weltklimarat IPCC. Aus | |
| Ergebnissen der Klimaforschung werden in einem langwierigen Prozess | |
| Empfehlungen für die Klimapolitik destilliert. In ähnlicher Weise wurde vor | |
| drei Jahren ein Assessment-Panel für Fragen rund um die Biodiversität | |
| gegründet, die Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem | |
| Services (IPBES) mit Sitz in Bonn. | |
| ## Mehr Transparenz | |
| Hinzu kommt die Werteproblematik, von der etwa die Diskussion über die | |
| grüne Gentechnik seit Langem geprägt ist. „Um mit den unausweichlichen | |
| Werturteilen in der Politikberatung demokratischer umzugehen, sollte ein | |
| wissenschaftliches Gremium solche Werturteile transparenter machen“, | |
| empfiehlt Kowarsch. Außerdem sollte es der Politik und der Öffentlichkeit | |
| alternative Politikoptionen und deren diverse praktische Konsequenzen für | |
| Gesellschaft und Natur aufzeigen. | |
| Andreas Kraemer, der Gründer des Berliner Umwelt-Thinktanks „Ecologic“, | |
| macht zudem auf spezielle Brüsseler Usancen aufmerksam. „Die | |
| wissenschaftsbasierte Politikberatung findet dort auf Arbeitsebene statt“, | |
| hat er in vielen Jahren erfahren. Eine „hochrangige Institution“ könne zwar | |
| durchaus dazu beitragen, „langfristige und weitreichende Zusammenhänge zu | |
| erläutern und grundsätzlich das gegenseitige Verständnis zwischen | |
| Wissenschaftlern und EU-Politikern zu verbessern“, erklärt Kraemer. Dazu | |
| gehöre auch die Thematisierung der „kulturellen Unterschiede im Umgang mit | |
| Expertenwissen in der Politik“ in den EU-Mitgliedstaaten. | |
| „Eine zentrale Institution, ob Individuum oder Gremium“, ist in den Augen | |
| von Umwelt-Berater Kraemer jedoch „nicht geeignet, den | |
| wissenschaftsbasierten Input für Einzelentscheidungen wie etwa einer | |
| Richtlinie zu geben“. | |
| 28 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Ronzheimer | |
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