# taz.de -- Hohe Hürden beim Wissenstransfer: Aus dem Elfenbeinturm der Gelehr… | |
> Experten beraten im Bundestag, wie neue Erkenntnisse aus der Forschung | |
> schneller in die Betriebe gebracht werden können. Denn da hakt es. | |
Bild: Beim Wissenstransfer vom Labor in die Produktionsanlage, da klemmt es noc… | |
BERLIN taz | Wenn Wissenschaft nicht nur für sich selbst betrieben wird, | |
für Entdeckungen und Karrieren, sondern auch der Wirtschaft und der | |
Gesellschaft nutzen will, dann kommt der Transfer ins Spiel: die | |
Übertragung von Wissen aus dem Elfenbeinturm der Gelehrten heraus. Kein | |
einfaches Unterfangen, wie diese Woche im Bundestag eine Expertenanhörung | |
des Forschungsausschusses zum Thema „Wissens- und Innovationstransfer“ | |
zeigte. | |
Anlass war die Vorbereitung des dritten „Pakts für Forschung und | |
Innovation“, aus dem in den Jahren 2016 bis 2020 die großen | |
außeruniversitären Forschungsorganisationen finanziert werden sollen. Die | |
Bilanzzahlen der zweiten Pakt-Phase zeigen, dass der Wissenstransfer in die | |
Wirtschaft nicht recht vorangekommen ist. | |
Die Forschungsdrittmittel aus der Wirtschaft – ein Indikator für den Erfolg | |
– stagnierten bei der Max-Planck-Gesellschaft (2013: 9 Millionen Euro) und | |
der Leibniz-Gemeinschaft (35 Millionen) oder gingen sogar zurück wie bei | |
der Helmholtz-Gemeinschaft, die 2013 mit 137 Millionen Euro knapp 15 | |
Prozent weniger Wirtschaftseinnahmen verbuchte. Allein die | |
Fraunhofer-Gesellschaft, Spezialist für anwendungsorientierte Forschung, | |
konnte ihre Drittmittel aus der Wirtschaft kontinuierlich erhöhen: auf 462 | |
Millionen Euro in 2013. Auch bei der Patentbilanz geht kein Pfeil nach | |
oben. Die Erträge aus Schutzrechten stagnieren bei allen | |
Forschungsorganisationen. | |
Wie lässt sich der Transfer verbessern, war daher die große Frage der | |
Parlamentarier an die Wissenschaftsmanager. Der CSU-Bundestagsabgeordnete | |
Albert Rupprecht wollte sogar den „Transfer-Output“ der Pakt-Forscher bis | |
2020 verdoppelt sehen. | |
„Das grenzt ja an Planwirtschaft“, kommentierte Koalitionskollege Ernst | |
Dieter Rossmann von der SPD süffisant. Der Präsident der | |
Max-Planck-Gesellschaft, Martin Stratmann, kündigte an, seine | |
Transfereinrichtung „Max Planck Innovation“ jetzt von einer internationalen | |
Expertenkommission bis Ende 2015 evaluieren zu lassen. | |
## Industriepartner finden | |
„Wir wollen genau untersuchen, was sind unsere eigenen Defizite, und mit | |
welchen gesellschaftlichen Randbedingungen haben wir es zu tun“, sagte | |
Stratmann. Die Helmholtz-Gemeinschaft hat einen „Validierungsfonds“ mit 20 | |
Millionen Euro eingerichtet, aus dem sich einzelne Forschungsergebnisse hin | |
zur wirtschaftlichen Anwendungsnähe weiterentwickeln lassen, um so besser | |
Industriepartner zu finden. | |
Der Fonds soll jetzt verdoppelt werden, kündigte Helmholtz-Geschäftsführer | |
Rolf Zettl an. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat das Transferfeld jüngst zu | |
einer neuen Vorstandsfunktion aufgewertet. Mit dem Förderprogramm | |
„Discover“ werden neuerdings auch querdenkerische Projekte unterstützt, die | |
„wissenschaftlich gegen den Strom schwimmen“, berichtete | |
Fraunhofer-Vorstand Alexander Kurz. Sogenannte disruptive Innovationen, die | |
neue Geschäftsfelder eröffnen, entstehen zumeist aus solchen unplanbaren | |
Ideen. | |
Noch weithin unterentwickelt ist indes der Wissenstransfer aus der | |
Forschung in die Gesellschaft. Dagmar Simon vom Wissenschaftszentrum Berlin | |
für Sozialforschung (WZB) bemängelte, dass sich diese Vermittlungsrichtung | |
im Moment zu sehr auf die wissenschaftliche Politikberatung konzentriere | |
und sich zu wenig um den Transfer in die Zivilgesellschaft kümmere. | |
## Falsches Belohnungssystem | |
Dies werde auch durch innerwissenschaftliche Hürden verhindert: „Wissens- | |
und Technologietransfer wird nicht ausreichend im Reputationssystem | |
abgebildet“, konstatierte die Sozialforscherin. Entscheidend für eine | |
Wissenschaftskarriere in Deutschland sei immer noch die Zahl von | |
Forschungspapieren in Fachjournalen, aber nicht Vorträge oder Bücher für | |
ein Allgemeinpublikum. Erst wenn sich dieses Belohnungssystem ändere, könne | |
ein sozialer Wissenstransfer wirklich in Gang kommen. | |
Im Hohen Haus der deutschen Politik ging es am Mittwoch um die großen | |
Forschungstöpfe. Keine Beachtung fand, dass tags zuvor in Berlin eine | |
kleine Wissenschaftsorganisation das Licht der Welt erblickt hatte, die | |
ebenfalls den Transfer zwischen Forschung und Wirtschaft zum Ziel hat: Die | |
Zuse-Forschungsgemeinschaft, die mit 68 Mitgliedseinrichtungen die | |
Industrieforschung für die mittelständischen Unternehmen bündeln will. | |
Der Sohn des Computererfinders Konrad Zuse gab der Namensgebung | |
höchstpersönlich den Segen. „Zuse war Ingenieur, Erfinder, Unternehmer und | |
als Person das, was unsere Institute verkörpern, den Brückenschlag zwischen | |
Idee und Markt“, erklärte der Präsident der Zuse-Gemeinschaft, Ralf Bauer, | |
Direktor des Thüringischen Instituts für Textil- und Kunststoff-Forschung | |
in Rudolstadt. Bundesweit gibt es rund 130 Institute der mittelständischen | |
Industrieforschung mit rund 10.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 750 | |
Millionen Euro. | |
27 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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