# taz.de -- Akzeptanz der Synthetischen Biologie: Ein Buch mit sieben Siegeln | |
> Die Wissenschaftsakademie Leopoldina legt eine Studie übers Meinungsklima | |
> zur Wissenschaft vor: Schlecht sieht es für die Synthetische Biologie | |
> aus. | |
Bild: Bakterien (Mycoplasma mycoides), hergestellt mit nachgebautem Genom. | |
BERLIN taz | Ein neuer Wissenschaftsbegriff kämpft mit | |
Verständigungsproblemen: Was ist „Synthetische Biologie?“. Etwas | |
Künstlich-Technisches, weil „synthetisch“? Oder geht es um natürliche | |
Prozesse, weil „biologisch“? Die Antworten sind nicht trivial, sondern sie | |
entscheiden mit über die gesellschaftliche Akzeptanz einer neuen | |
Forschungsrichtung. Das belegt eine [1][Studie der Nationalen Akademie der | |
Wissenschaften Leopoldina,] die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. | |
In den Labors wird bereits intensiv an der nächsten Generation der | |
Gentechnik gewerkelt: Die „Synthetische Biologie“ (SynBio) will Zellen | |
gentechnisch so verändern, dass sie industriell nutzbar werden. Neue | |
Medikamente und neue Energiequellen lauten zwei der Forschungsversprechen. | |
Die Sorge der Wissenschaftler: Die Gesellschaft lässt sich vom Nutzen der | |
Synthetischen Biologie nicht überzeugen und schaltet auf Abwehrmodus wie | |
seinerzeit bei der Grünen Gentechnik, die jedenfalls mit | |
Freilandforschungen aus Deutschland verschwunden ist. | |
Um dem vorzubeugen, gab die Leopoldina eine empirische Untersuchung über | |
„die synthetische Biologie in der öffentlichen Meinungsbildung“ beim | |
Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) in Auftrag. Die 100.000 Euro teure | |
Studie wurde zu 80 Prozent vom Bundesforschungsministerium bezahlt. Befragt | |
wurden 2013 insgesamt 562 Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten | |
sowie 2.356 Bürger in einer für die Bundesrepublik repräsentativen Auswahl. | |
Die Antworten geben tiefe Einblicke in das Verhältnis der Bevölkerung zur | |
Wissenschaft und der Rolle der Medien als Vermittler. | |
## Unbekanntes Terrain | |
Erster Befund: Synthetische Biologie ist für die Deutschen ein Buch mit | |
sieben Siegeln, eher mehr. 82 Prozent geben an, über dieses Gebiet kaum | |
etwas zu wissen, lediglich 2 Prozent antworten: „Ich kenne mich ganz gut | |
aus“. | |
Zum Vergleich: Bei der Nanotechnologie ist es auch nicht viel besser (77 : | |
3). Erstaunlicherweise ist der Wissensstand bei der Grünen Gentechnik (56 : | |
7) leicht höher als bei der akzeptierten „roten“, medizinischen Gentechnik | |
(65 : 5). Beste Werte erreichten in diesem Fragen-Sample die Entwicklung | |
von Elektroautos (44 : 10) und die Klimaforschung (37 : 10). | |
Aber auch wer wenig zu einem Thema weiß, leistet sich eine Meinung dazu. | |
Die wurde von den Allensbacher Demoskopen als „spontane emotionale Reaktion | |
auf Schlüsselbegriffe“ erfragt. Das Ergebnis muss „synthetische Biologen“ | |
alarmieren. | |
Während oben auf der Skala „Made in Germany“ mit einem Sympathiewert von 93 | |
Prozent rangiert und nur 3 Prozent den Begriff auf Anhieb „unsympathisch“ | |
finden – und auch „Forschung“ (88 : 6), „Wissenschaft“ (84 : 7) und | |
„Innovation“ (68 : 16) positive Werte erreichen –, steht am Ende der | |
Tabelle die „Synthetische Biologie“ mit 13 : 60 auf einem Verliererplatz. | |
Nur die Gentechnologie ist den Bürgern noch unsympathischer: 77 Prozent | |
antworten so (bei 12 Prozent Sympathisanten). | |
## Sorgen und Hoffnungen | |
Wie wird man sympathischer? Die Demoskopen bohrten nach und fanden heraus: | |
„Konkrete Nutzanwendungen verändern die Grundhaltung gravierend“. Zwar | |
verbanden die Bürger mit Synthetischer Biologie als Forschungsrichtung zur | |
„künstlichen Herstellung von Zellen und Organismen“ zu 57 Prozent „Sorge… | |
und nur zu 27 Prozent „Hoffnungen“. | |
Das Verhältnis kehrte sich allerdings bei konkreten Projekten um. Die | |
„Schaffung künstlicher Zellen, die man zur Bekämpfung von Krankheiten in | |
den Körper einsetzt“, finden nämlich 59 Prozent der Befragten positiv, auch | |
bei der „Herstellung von Treibstoffen mit Hilfe künstlicher Bakterien“ | |
überwiegen mit 48 Prozent die Befürworter, bei Organismen zum Abbau vom | |
Umweltschadstoffen steht es 41 : 41 pari. „Konkrete Anwendungsbeispiele | |
können das Meinungsbild erheblich verändern“, stellt die Studie fest. | |
Mit einer Medien-Kanonade an Positivmeldungen aus der Synthetischen | |
Biologie wird es aber auch nicht getan sein. Denn eine Vertrauen weckende | |
Wissenschaftskommunikation, so weist die Studie ebenfalls nach, kommt nur | |
zustande, wenn zugleich die Risiken mit thematisiert werden. An anderer | |
Stelle wurde schon damit begonnen. In dem Hauptdokument des jüngsten | |
Weltwirtschaftsforum WEF vorige Woche in Davos, [2][dem | |
„Weltrisikobericht“], sind drei Seiten den Sicherheitsrisiken der | |
Synthetischen Biologie gewidmet. | |
30 Jan 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.leopoldina.org/de/publikationen/detailansicht/?publication%5Bpub… | |
[2] http://www.weforum.org/reports/global-risks-report-2015 | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Gentechnik | |
Akzeptanz | |
Leopoldina | |
Schwerpunkt Gentechnik | |
Lebensmittel | |
Science | |
England | |
Bürgerbeteiligung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bastel-Kits für Hobby-Biologen: Genscheren für zu Hause | |
Ein Bundesamt warnt vor Do-it-yourself-Kits für Home-Forscher. | |
Gentech-Versuche dürfen nur in Sicherheitslaboren durchgeführt werden. | |
Genetisch veränderte Lebensmittel: Kosmetik für Äpfel | |
Die USA lassen Gen-Äpfel zu, die nicht braun werden. Damit könne die | |
Lebensmittelverschwendung eingedämmt werden – sagt der Hersteller. | |
Wissenschaftsskepsis in USA nimmt zu: Der Zahl der Zweifler wächst | |
Ein US-Studie warnt: Bevölkerung und Wissenschaftler sind bei vielen | |
Forschungsthemen gegensätzlicher Meinung. Die Meinungskluft ist oft groß. | |
Reproduktionsmedizin in England: Babys mit drei Eltern | |
Das britischen Unterhaus billigt eine gentechnische Methode, bei der das | |
Erbgut von drei Menschen verbunden wird. Sie soll schweren Erbkrankheiten | |
vorbeugen. | |
Technikfolgenabschätzung öffnet sich: Bürgerwissen wurde lange ignoriert | |
Das Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestags hat sich neu | |
aufgestellt. Künftig soll gesellschaftliches Wissen fürs Parlament nutzbar | |
gemacht werden. | |
Forscher bauen Chromosom nach: Die Erbgut-Designer | |
Forscher der John Hopkins University in Baltimore haben ein Chromosom der | |
Bäckerhefe nachgebaut. Mit Hilfe der Methode könnten bald künstliche | |
Lebewesen entstehen. | |
Aus Le Monde diplomatique: Bastler auf engstem Raum | |
Die Nanotechnologie revolutioniert nicht nur Medizin, Militär, | |
Energiegewinnung und Agrobusiness. Eines Tages wird sie uns vielleicht auch | |
Kleider aus Zucker bescheren. | |
Kommentar Synthetische Lebewesen: Naive Allmachtsfantasien | |
Craig Venter will künstliche Bakterien produzieren. Die damit | |
einhergehenden Heilsversprechungen erinnern an die Atom-Euphorie. | |
Gentechnik: Mikroben - selbst gemacht | |
Genomforscher Craig Venter will mit künstlichen Bakterium Biokraftstoffe | |
produzieren. Der Patentantrag liegt schon vor - und Kritiker fürchten ein | |
Monopol auf synthetische Mikroben für den Mann |