# taz.de -- Wissenschaftsskepsis in USA nimmt zu: Der Zahl der Zweifler wächst | |
> Ein US-Studie warnt: Bevölkerung und Wissenschaftler sind bei vielen | |
> Forschungsthemen gegensätzlicher Meinung. Die Meinungskluft ist oft groß. | |
Bild: Auch in den USA wächst die Ablehnung von Lebensmitteln, die aus gentechn… | |
BERLIN taz | An Nobelpreisen gemessen sind die USA die führende | |
Forschungsnation der Welt. Doch ausgerechnet hier wächst die Distanz | |
zwischen Gesellschaft und Wissenschaft. Dies ergab eine [1][Untersuchung | |
des Washingtoner Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center,] die aus | |
Anlass des Jahrestreffens der [2][American Association for the Advancement | |
of Science (AAAS]) in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurde. | |
Vor allem bei gesellschaftlich besonders umstrittenen Themen ist die | |
Meinungskluft zwischen Bevölkerung und Forschern zum Teil riesengroß. Am | |
meisten bei der Gentechnik: Während 88 Prozent der befragten | |
Wissenschaftler den Verzehr von gentechnisch veränderten Lebensmitteln für | |
unbedenklich halten, sind nur 37 Prozent der wissenschaftlichen Laien | |
dieser Ansicht. | |
Eine Differenz von 51 Prozentpunkten. Ebenso beim Klimawandel: 87 Prozent | |
der Forscher sehen ihn vom Menschen und den industriellen Treibhausgasen | |
verursacht, in der Bevölkerung sind davon nur 50 Prozent überzeugt. Weitere | |
Dissensthemen sind Tierversuche, Pestizide und die Evolutionstheorie. 89 | |
Prozent der Wissenschaftler sind für Tierversuche, aber nur 47 Prozent der | |
Bürger. | |
Für die repräsentative Studie wurden insgesamt 2.000 US-Bürgern und 3.700 | |
Mitglieder der Wissenschaftler-Organisation AAAS befragt, die an diesem | |
Wochenende zu ihrem jährlich weltgrößten Science-Festival im kalifornischen | |
San Jose zusammenkommt. Das ursprünglich vom Times-Mirror-Konzern | |
gegründete und heute von einer Stiftung getragene Pew-Forschungszentrum | |
führt regelmäßig Befragungen zu sozialen Themen durch. | |
Von Bedeutung sind die schleichenden Veränderungen. Zwar leistet die | |
Wissenschaft nach Meinung der weitaus größten Mehrheit der US-Bürger (79 | |
Prozent) zentrale Beiträge, um das Leben der Menschen zu verbessern. Diese | |
Auffassung beginnt aber zu bröckeln: Fünf Jahre zuvor waren noch 83 Prozent | |
Wissenschaftsoptimisten. | |
## Ein großes Imageproblem | |
Dagegen wächst die Zahl derer, die meinen, die Wissenschaft bringe eher | |
mehr Schwierigkeiten als sie löse. 2014 erhöhte sich dieser Anteil auf 15 | |
Prozent (2009: 10 Prozent). Bei Fragen der Ernährung bekommt die Forschung | |
ein immer schlechteres Image. 34 Prozent meinen, durch Wissenschaft werde | |
alles nur schlimmer – ein Negativ-Zuwachs um 10 Prozentpunkte in den | |
letzten fünf Jahren. | |
Auch bei der Lösung der Umweltprobleme wächst die Zahl der Zweifler: 62 | |
Prozent glauben an den Nutzen der Wissenschaft, aber schon 31 Prozent | |
(2009: 23) sehen eine ökologisch überwiegend schädliche Wirkung. | |
Auch im Innern des US-Wissenschaftsbetriebs sinkt die Stimmung, wie die | |
Studie ermittelte. 2009 waren noch drei Viertel der AAAS-Forscher der | |
Meinung, es sei in den USA „eine gute Zeit für die Wissenschaft“, nur 23 | |
Prozent widersprachen. Inzwischen hat sich das Meinungsklima dramatisch | |
gedreht: Nur noch 52 Prozent sehen gute Forschungszeiten in den USA, fast | |
genauso viele (48 Prozent) empfinden eine „bad time“. | |
Ein Grund dafür ist unter anderem die Finanzierung der Forschung aus | |
öffentlichen Mitteln. Für 83 Prozent der Wissenschaftler ist die | |
Beschaffung staatlicher Mittel heute schwieriger als früher, bei Geldern | |
aus der Industrie und von Stiftungen wird es entspannter gesehen. | |
## Ein Versagen des Schulsystems | |
Bei der Ursachenforschung für das Auseinanderdriften von Bürgerschaft und | |
Wissenschaft zeigt sich allerdings eine bemerkenswerte Übereinstimmung: | |
Beide Gruppen halten das amerikanische Schulsystem, vor allem den | |
Unterricht in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, | |
Naturwissenschaften, Technik) für international nur wenig konkurrenzfähig. | |
Ein Hebel müsse bei der wissenschaftlichen Grundbildung von Schülern und | |
allgemeiner Bevölkerung angesetzt werden. | |
Bei einer [3][ähnlichen Umfrage,] die kürzlich vom Institut für Demoskopie | |
Allensbach für die [4][Deutsche Nationalakademie der Wissenschaften | |
Leopoldina] durchgeführte wurde, gaben zwei Drittel der Befragten (67 | |
Prozent) an, „großes Vertrauen in die Wissenschaft“ zu haben. 14 Prozent | |
der Deutschen hatten demgegenüber „wenig Vertrauen“. Bei den einzelnen | |
Themen dominierte, ebenso wie in den USA, die Ablehnung der Gentechnik in | |
der Landwirtschaft. 82 Prozent der Deutschen verbinden damit mehr Sorgen | |
als Hoffnungen. | |
12 Feb 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.pewinternet.org/2015/01/29/public-and-scientists-views-on-scienc… | |
[2] http://www.aaas.org/news/pew-surveys-us-public-has-high-opinion-science-dif… | |
[3] /Akzeptanz-der-Synthetischen-Biologie-/!153802/ | |
[4] http://www.leopoldina.org/de/presse/nachrichten/synthetische-biologie-ersch… | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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