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# taz.de -- Gentechnik: Mikroben - selbst gemacht
> Genomforscher Craig Venter will mit künstlichen Bakterium Biokraftstoffe
> produzieren. Der Patentantrag liegt schon vor - und Kritiker fürchten ein
> Monopol auf synthetische Mikroben für den Mann
Bild: Zimmert künstliches Leben: Craig Venter
DBERLIN taz | Der US-Genomforscher Craig Venter hat wieder einmal Großes
vor. In den 1990er-Jahren initiierte er mit seiner Firma Celera ein
kommerzielles Forschungsprojekt zur Sequenzierung der menschlichen DNA und
trieb damit die mit öffentlichen Mitteln finanzierten Genomforscher an, die
das gleiche Ziel verfolgten. Jetzt hat das von ihm geführte "J. Craig
Venter Institute" (JCVI), in Rockville im US-Bundesstaat Maryland, erstmals
einen Patentantrag für ein vollständig synthetisch hergestelltes Lebewesen,
ein Bakterium, eingereicht.
Das Bakterium soll laut Patentantrag als ausbaufähige Plattform unter
anderem zur kostengünstigen Produktion von Wasserstoff oder Ethanol dienen.
Diese Biotreibstoff produzierende Mikrobe könnte der erste "Milliarden-
oder gar Billionen-Dollar-Organismus" werden, sagte Venter dem Magazin
Newsweek.
Vor fünf Jahren schon verkündete Craig Venter, dass er im Labor künstliche
Lebewesen herstellen will. Ausgangspunkt für das ehrgeizige Projekt war das
parasitisch lebende Bakterium Mycoplasma genitalium. Der zellwandlosen
Mikrobe fehlen zahlreiche Gene, um selbstständig leben zu können. Um sich
reproduzieren zu können, ist das Bakterium auf Wirtszellen von Säugetieren
angewiesen.
Venter reduzierte die Anzahl der Gene noch weiter. Er wollte nur die
unbedingt notwendigen Erbinformationen übrig lassen. Am Ende hatte er weit
über 100 Gene stilllegen können. Anschließend stellte Venter aus
synthetisch hergestellten DNA-Schnipseln den jetzt nur noch aus rund 380
Genen bestehenden "Minimalorganismus" im Labor komplett neu her.
Mit dem jetzt in den USA unter der Nummer 200070122826 veröffentlichten
Patentantrag will sich Venter die Verwertungsrechte für seine im Labor
nachgebauten Mikroben sichern. Sowohl der Organismus als auch die Methode
sollen unter Patentschutz gestellt werden. Zudem wird auch für alle von dem
Bakterium abgeleiteten Bakterien ein Patent beantragt. Ausdrücklich
angeführt wird zudem die Produktion von Biotreibstoffen mit Hilfe der
Mikroben. Ein gleichlautender Patentantrag, mit dem 100 weitere Staaten
erfasst werden, ist auch bei der Weltpatentorganisation Wipo in Paris
eingereicht worden.
Venters Ziel ist es, seine Mycoplasmen als Produktionsstämme in großen
Fermentern für die industrielle Produktion für organische Substanzen zu
nutzen. Die genetisch reduzierten Bakterien können wie ein Basismodul
genutzt werden. Durch zusätzlich eingeschleuste Gene sollen sie später dann
zur Herstellung der gewünschten Substanzen "umprogrammiert" werden.
Kritik kommt von der kanadischen "Action Group on Erosion, Technology and
Concentration" (etc-group). Die Gruppe warnt schon seit längerem vor der
synthetischen Biologie. Sie befürchtet, dass diese Technologie dazu genutzt
werden könnte, Organismen zur biologischen Kriegsführung herzustellen.
Anlass dazu war unter anderem das erste Produkt der synthetischen Biologie
- ein künstlich hergestelltes Poliovirus, der Auslöser der Kinderlähmung.
Sollte das Patent rechtsgültig werden, bekomme Craig Venter damit ein
Monopol für die industrielle Nutzung künstlich geschaffener Lebensformen,
befürchtet die etc-group. Jim Thomas von der kanadischen
Kritikerorganisation vergleicht Craig Venters Firma deshalb schon mit dem
Softwarekonzern Microsoft. "Soll Venters Unternehmen der Microbesoft der
synthetischen Biologie werden?", fragt sich Jim Thomas von der etc-group.
Auch einen eigenen Namen für Venters Bakterium hat die etc-group:
"synthia". Er soll an das Klonschaf Dolly erinnern. Nur gehe es hier um
weitaus mehr Geld, sagt Thomas.
Angekündigt hat die etc-group, dass sie Craig Venter erst einmal
schriftlich auffordern will, die Patentanträge zurückzuziehen. Denn bevor
diese Technologie weiterentwickelt werde, sei es notwendig, eine
öffentliche Debatte über die damit verbundenen Risiken zu führen.
15 Jun 2007
## AUTOREN
Wolfgang Löhr
## TAGS
Schwerpunkt Gentechnik
Polio
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