| # taz.de -- Forscher bauen Chromosom nach: Die Erbgut-Designer | |
| > Forscher der John Hopkins University in Baltimore haben ein Chromosom der | |
| > Bäckerhefe nachgebaut. Mit Hilfe der Methode könnten bald künstliche | |
| > Lebewesen entstehen. | |
| Bild: Das fertige „snyIII“ ist mit gut 272.000 Bausteinen etwas kleiner als… | |
| BALTIMORE dpa | Chromosomen tragen die Erbinformationen von Lebewesen – | |
| Wissenschaftlern ist es nun gelungen, eine solche Struktur aus der | |
| Bäckerhefe künstlich nachzubauen. Das Designer-Chromosom sei voll | |
| funktionsfähig, Hefezellen mit ihm unterschieden sich nicht von natürlichen | |
| Hefezellen, berichten die Forscher im Fachblatt [1][Science]. Ziel der | |
| Methode sei es, künftig gezielt Lebewesen zu entwerfen, die bestimmte | |
| Kraftstoffe, Arzneimittel oder andere Substanzen herstellen. | |
| Als Chromosomen werden die Strukturen in den Zellen bezeichnet, die die | |
| Gene – die Erbinformationen – des jeweiligen Lebewesens enthalten. Menschen | |
| haben 23 Chromosomen-Paare, die gewöhnliche Bäckerhefe (Saccharomyces | |
| cerevisiae) hat 16. Dank der raschen technologischen Fortschritte und der | |
| sinkenden Kosten bei der Synthese von DNA haben Wissenschaftler in den | |
| vergangenen Jahren bereits einige bakterielle Chromosomen und Erbgut von | |
| Viren im Labor nachgebaut. | |
| Mit dem Chromosom der Hefe sei nun erstmals ein Chromosom eines sogenannten | |
| eukaryotischen Lebewesens synthetisch hergestellt worden, schreiben die | |
| Forscher. Unter diesem Begriff werden Lebewesen mit einem Zellkern in den | |
| Zellen zusammengefasst – etwa Pflanzen, Tiere oder Pilze. | |
| Sie werden in der Biologie von den Prokaryoten unterschieden, zu denen | |
| Bakterien und Archaebakterien gehören. Das Forscherteam um [2][Jef De | |
| Boeke] von der Johns Hopkins University in Baltimore (US-Staat Maryland) | |
| baute das Chromosom III der Hefe nach, das drittkleinste der 16 | |
| Chromosomen. Die Abfolge seiner Bausteine – insgesamt besteht es aus mehr | |
| als 316.000 solchen Basenpaaren – ist bereits seit über 20 Jahren bekannt. | |
| ## Konstruktion dauerte sieben Jahre | |
| Die Forscher entfernten zunächst im Computer aus dieser Sequenz alle | |
| überflüssigen oder sich wiederholenden Abschnitte. Sie fügten aber auch | |
| einige Basenpaare zu der ursprünglichen Abfolge hinzu. Diese dienten als | |
| Markierung oder dazu, bestimmte Gene später zu löschen oder zu verändern. | |
| Anschließend machten sie sich daran, das Chromosom basierend auf dieser | |
| Sequenz zu synthetisieren. Die gesamte Konstruktion dauerte sieben Jahre. | |
| Das fertige „snyIII“ ist mit gut 272.000 Bausteinen etwas kleiner als sein | |
| natürliches Gegenstück. Es funktioniert allerdings offenbar genauso: | |
| Hefezellen mit dem synthetischen Chromosom unterschieden sich nicht von den | |
| rein natürlichen Vorbildern. „Wenn man das Genom verändert, ist das ein | |
| Glücksspiel. Eine falsche Veränderung und die Zelle stirbt“, sagte De | |
| Boeke. „Wir haben über 50.000 Veränderungen in dem Chromosom vorgenommen | |
| und unsere Hefe lebt immer noch. Das ist bemerkenswert.“ | |
| In weiteren Versuchen testeten die Wissenschaftler, welche der Gene unter | |
| bestimmten Bedingungen für das Überleben der Hefe notwendig sind. Dies | |
| gehört zu den Grundfragen beim Nachbau von Lebewesen in der synthetischen | |
| Biologie. „Rasche Fortschritte in der synthetischen Biologie in Kombination | |
| mit den sinkenden Kosten der DNA-Synthese lassen es bald möglich | |
| erscheinen, neue eukaryotische Genome – inklusive Genome von Pflanzen und | |
| Tieren – mit synthetischen Chromosomen zu bauen“, schreiben die | |
| Wissenschaftler. | |
| 28 Mar 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.sciencemag.org/content/early/2014/03/26/science.1249252 | |
| [2] http://www.mbg.jhmi.edu/Pages/people/profile.aspx?PID=2 | |
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