| # taz.de -- Debatte „Hooligans gegen Salafisten“: Die große Verharmlosung | |
| > Medien, Politik, Fußballfans – alle zeigten sich vom Hool-Aufmarsch | |
| > überrascht. Jetzt ist besonders die antifaschistische Ultraszene | |
| > gefordert. | |
| Bild: Unpolitisch war hier gar nichts: Hooligan-Mob in Köln. | |
| Der [1][Aufmarsch der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa)] am vergangenen | |
| Sonntag in Köln war mit 4.800 Teilnehmern eine der größten Demonstrationen | |
| der extremen Rechten innerhalb der vergangenen zehn Jahre. An den | |
| Reaktionen von Medien und Politik, aber auch an der [2][völlig | |
| unzureichenden Vorbereitung der Polizei] zeigte sich eine erschreckende | |
| Ahnungslosigkeit über den Charakter dieser Veranstaltung. | |
| Doch was hätte man anderes erwarten können, wenn sich eine per se | |
| gewaltbereite Hooliganszene mit rechten Ideologen verbindet, als eine | |
| aggressive Artikulation von Nationalismus und Rassismus? Überraschend, | |
| selbst für viele Szenekenner, war lediglich die Masse der Teilnehmer an der | |
| ausschließlich über Onlinenetzwerke beworbenen Veranstaltung. | |
| Ein erschreckendes Beispiel für die Naivität vieler Beobachter bot | |
| ausgerechnet Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), als er den | |
| Teilnehmern in einem ARD-Interview unterstellte, dass für sie „Politik nur | |
| ein Vehikel ist, um eine Massenschlägerei anzuzetteln“. Damit verkennt er | |
| den explizit politischen Charakter, der sich auf den Straßen rund um den | |
| Kölner Hauptbahnhof zeigte, und wiederholt damit den Kardinalfehler der | |
| Politik im Umgang mit Rechtsextremismus: seine Verharmlosung. Schon bei | |
| oberflächlicher Betrachtung hätte auffallen müssen, dass sich das braune | |
| Spektrum dort in ganzer Breite zeigte. | |
| Neben der Rechtsrockband „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ waren Vertreter … | |
| Pro NRW über NPD, Die Rechte, Autonome Nationalisten bis hin zu Rockerclubs | |
| in Köln zugegen. Hitlergrüße, „Ausländer raus“-Parolen und Jagd auf Lin… | |
| und Migranten waren die Folge. Salafisten als Gegner fanden sich in Köln | |
| keine, aber um die geht es den deutschen Jungs auf ihrer Suche nach einem | |
| einenden Identitätsmoment sowieso nicht. | |
| ## „In einer halben Stunde sind wir da“ | |
| Zwar sind Hooligans in den Stadien der Republik seit den 1990er Jahren auf | |
| dem Rückzug und haben in Sachen Nachwuchswerbung der bunten und kreativen | |
| Jugendkultur der Ultras kaum noch etwas entgegenzusetzen, doch verschwunden | |
| sind die Hools damit noch lange nicht. Exemplarisch dafür steht die Aussage | |
| von Thomas Haller, Gründungsfigur der rechtsextremen Chemnitzer Gruppe | |
| „Hooligans, Nazis, Rassisten“ (HooNaRa), der 2008, ein Jahr nach ihrer | |
| offiziellen Auflösung, sagte: „Eigentlich gibt es HooNaRa nicht mehr, | |
| andererseits sind wir in einer halben Stunde da.“ Das gilt bis heute. | |
| Nahezu an allen Standorten der deutschen Fußballlandschaft existieren | |
| Gruppen von Hooligans, teilweise integriert in die aktive Fanszene, oft | |
| auch nur noch als Beobachter von Sitzplatztribünen oder außerhalb der | |
| Stadien. Während Ultras die Hoheit über die Fanszenen übernommen haben, | |
| nicht selten mit einem antifaschistischen Konsens, konnten die Hooligans | |
| ihr Gewaltmonopol verteidigen. Wenn ihnen die junge Fangeneration politisch | |
| zu sehr über die Stränge schlägt, melden sie sich zurück. Beispiele hierfür | |
| fanden sich in [3][Aachen], [4][Braunschweig], [5][Duisburg] oder | |
| [6][Düsseldorf], wo linke Ultras massiv attackiert wurden und teilweise zum | |
| Rückzug aus den Stadien gezwungen wurden. | |
| Eine generelle Gleichsetzung von Hooligans und Rechtsextremismus führt | |
| jedoch in die Irre; zu wenig verstanden sich die Fußballrowdys in ihrer | |
| Mehrheit je als politische Akteure. Doch Attribute wie übersteigerter | |
| Regional-/Nationalstolz, Gewaltaffinität und aggressive Männlichkeit machen | |
| sie seit jeher anschlussfähig und interessant für die extreme Rechte. Auf | |
| die Frage, wo er Gesinnungsgenossen rekrutiere, antwortete 1983 der | |
| mittlerweile verstorbene Anführer der Aktionsfront Nationaler | |
| Sozialisten/Nationaler Aktivisten (ANS/NA) und später der Freiheitlichen | |
| Arbeiterpartei (FAP), Michael Kühnen: „Unter Skinheads und Fußballfans, die | |
| uns sehr helfen, aber politisch noch nicht ganz zu uns gehören.“ | |
| Als sein immer noch aktiver Nachfolger kann [7][Siegfried Borchardt] | |
| gelten, bekannt als „SS-Siggi“, ehemaliger Anführer der Dortmunder | |
| Hooligans „Borussenfront“ und heute Aktivist der Bewegungspartei Die | |
| Rechte. Bereits seit 2012 treibt er den Zusammenschluss der Hooligans | |
| voran. | |
| ## Jetzt sind die Ultras gefordert | |
| Doch ob sich der „Erfolg“ von Köln auf Dauer erhalten lässt, ist fraglich. | |
| Die fehlende ideologische Standfestigkeit übers Stammtischdenken hinaus | |
| wird einer dauerhaften politischen Bewegung im Wege stehen. Schon nach der | |
| Machtdemonstration vom Sonntag kam es zu internen Streitereien. So | |
| [8][hetzte etwa der Hamburger Rechtsextremist Thorsten de Vries gegen die | |
| „besoffenen Spastis“] auf der Veranstaltung. Hooligans aus dem Umfeld des | |
| HSV kündigten ihre Zusammenarbeit mit den HoGeSa bereits auf. In einer | |
| Erklärung verwiesen sie auf die Instrumentalisierung durch „NPD- und | |
| bürgerliche rechte Dauerversager“. | |
| Aber darauf vertrauen, dass sich der rechte Mob schon selbst zerlegt, | |
| sollte die Linke und insbesondere die antifaschistische Fußballfanszene | |
| nicht. Schon aus Eigeninteresse daran, nicht bald mit dem neuen | |
| Selbstbewusstsein der Kameraden konfrontiert zu werden, muss die politisch | |
| bewusste Ultraszene auf das massive Auftauchen der Hooligans reagieren. | |
| Keine einzige Fangruppe hatte zu Gegenprotesten in Köln aufgerufen. | |
| [9][ein-schwarzer-nachmittag-in-koeln&catid=1:aktuelle-nachrichten&Itemid=5 | |
| 0:Das Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) sprach in einer Stellungnahme] zu | |
| der HoGeSa-Manifestation zu Recht von einem „Armutszeugnis“ und davon, dass | |
| die Radikalität der Ultragruppen offenbar nicht ausreiche, „sich gegen die | |
| eigenen alten Herren zu wenden“. | |
| Dabei können die Hooligans auf der Straße das intensive Bemühen der Ultras | |
| um eine Deutungshoheit in den Kurven konterkarieren. Wer jahrelange Arbeit | |
| geleistet hat, um seinen Verein und die eigene Fanszene vom Image eines | |
| Rechten-Klubs zu befreien, sollte nicht einfach zusehen, wenn die eigenen | |
| Farben auf einer neonazistischen Demonstration zur Schau gestellt werden. | |
| Es bleibt abzuwarten, ob die Ultras aus ihrer Passivität erwachen, wenn die | |
| HoGeSa wie geplant Mitte November in Berlin auf die Straße gehen. Ihnen | |
| eine weitere Demonstration der Stärke zu erlauben oder sich ganz auf die | |
| sicherlich anders als in Köln agierende Polizei zu verlassen, wäre ein | |
| fataler Fehler. | |
| 30 Oct 2014 | |
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| [6] http://www.spiegel.de/sport/fussball/fussball-fortuna-duesseldorf-ultras-un… | |
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| [8] /Hooligans-unterwegs/!148536/ | |
| [9] http://aktive-fans.de/index.php?option=com_content&view=article&id=… | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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