# taz.de -- Bergedorf & Altona vereint gegen Neonazis: Nazis raus -wörtlich ge… | |
> Altonaer Fußballfans sollen Rechtsextreme unsanft aus dem Stadion | |
> befördert haben. Auch die Staatsanwältin würde das Verfahren gern | |
> einstellen, doch sie darf nicht. | |
Bild: Alte Rivalen, aber gegen Neonazis vereint: Altona 96 und Bergedorf 85 mes… | |
HAMBURG taz | Der Saal 112 des Bergedorfer Amtsgerichts ist bis auf den | |
letzten Platz gefüllt – rund 60 Unterstützer der Angeklagten – mehrheitli… | |
Fans des Fußball-Fünftligisten Altona 93 und der linken Szene zugehörig – | |
drängeln sich auf den Zuschauerbänken. Es geht juristisch im Kern um den | |
Vorwurf der Körperverletzung, doch für die Prozessbeobachter geht es um | |
etwas ganz anderes: | |
Muss man bekennende Neonazis im Stadion eines Vereins dulden, der sich | |
selbst als „antirassistisch“ versteht? Dürfen Fans das Recht selbst in die | |
Hand nehmen, wenn der Ordnungsdienst die Rechten schützt? Ist der Slogan | |
„Nazis raus“ ganz konkret oder nur symbolisch zu verstehen? Wo endet | |
Zivilcourage und wo beginnt nicht tolerierbare Gewalt gegen Personen? | |
Zu den Zwischenfällen, die das Bergedorfer Amtsgericht jetzt aufzuarbeiten | |
hat, war es am 14. Oktober 2012 gekommen: Bergedorf 85 und Altona 93 tragen | |
ein Punktspiel im Bergedorfer Stadion „Sander Tannen“ aus. Fans beider | |
Vereine identifizieren als Zuschauer die bekannten und bekennenden Neonazis | |
Heiko H. und Sven W., die seit Jahren in der rechten Szene aktiv sind. Ihre | |
engen Verbindungen zur NPD und zu der „Weiße Wölfe Terrorcrew“ sind | |
dokumentiert. Diese wird vom Verfassungsschutz als „aggressiv“ eingestuft | |
und den „autonomen Nationalisten“ zugeordnet. | |
Zwischen einigen Anhängern der gegnerischen Vereine kommt es zum | |
Schulterschluss: Die Ultrarechten haben ihrer Meinung nach im Stadion | |
nichts zu suchen. Zwei Fangruppen wollen H. und W. zum Ausgang geleiten. | |
Herbeigeeilte Ordner wollen die Rechten schützen. Es kommt zu Tumulten und | |
Handgreiflichkeiten. | |
In dieser Situation sollen laut Staatsanwaltschaft die beiden Angeklagten, | |
Mirko P. und Philip S. „zwei Faustschläge“ und mindestens einen Fußtritt | |
ausgeteilt haben und einen der Neonazis mit einem Kunststoffmülleimer | |
beworfen und verletzt haben. „Starke Schmerzen“ hätten die Angegriffenen �… | |
die schließlich das Stadion verließen – erlitten, heißt es in der | |
Anklageschrift: Von ernsthaften Verletzungen ist nicht die Rede. | |
Da die Angeklagten schweigen und die Geschädigten dem Prozess fernbleiben – | |
was Amtsrichter Götz S. mit einer Ordnungsstrafe von jeweils 150 Euro | |
ahndete –, ist das Gericht auf die Aussagen der eingesetzten Ordner | |
angewiesen. Sie waren von zwei weiblichen Bergedorfer Fans über die | |
Anwesenheit der Ultrarechten informiert worden, hatten es aber abgelehnt, | |
etwas zu unternehmen, da die Beiden sich „unauffällig verhielten“. | |
„Die Ausschreitungen gingen eindeutig von den Linken aus“, gibt der Ordner | |
Manuel B. zu Protokoll. Wie auch seine KollegInnen weiß er nicht zu sagen, | |
ob die Stadionordnung einen Verweis von bekennenden Ultrarechten hergibt. | |
Eine Schulung habe es da nicht gegeben. | |
Keiner der drei vernommenen Ordner kann die Übergriffe einem der beiden | |
Angeklagten zuordnen. „Ich weiß nicht mehr, wer was getan hat“, sagt die | |
Ordnerin Ursula E.. Die Ausführungen ihrer Kollegen sind auch nicht | |
präziser. | |
In Ermangelung auch nur einer einzigen belastenden Aussage schlägt Richter | |
Götz S. vor, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. Die | |
Staatsanwältin würde gern mitziehen, doch wird sie telefonisch von der | |
Staatsschutzabteilung ihrer Behörde zurückgepfiffen, die damit ein großes | |
Verurteilungsinteresse beweist. So wird das Verfahren am 4. Februar in die | |
nächste Runde gehen. Die vermeintlich Geschädigten sollen dann | |
zwangsvorgeführt werden. | |
21 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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