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# taz.de -- Weltwirtschaftsforum in Davos: Bloß nicht über Umverteilung reden
> Experten debattieren, was die Regierungen tun müssen, um die Krisen in
> den Griff zu kriegen. Sie gehen weiter von zunehmender Ungleichheit aus.
Bild: Hauptsache dabei gewesen: In Davos trifft sich die – aus unerfindlichen…
DAVOS taz | Man möge sein Wort beim diesjährigen Weltwirtschaftforum in
Davos nicht auf die Goldwaage legen, schickte David Rubenstein vorweg. Der
Chef der US-Beteiligungs- und Investmentfirma Carlyle Group räumte ein,
dass er mit seinen Wirtschaftsprognosen 2014 an gleicher Stelle ziemlich
danebengelegen habe.
Mit diesem Bekenntnis begann am ersten Tag des Weltwirtschaftsforums 2015
die Debatte über die ökonomischen Probleme und ihre mögliche Lösung.
Besonders trieben die Manager und Investoren, Ökonomen und Politiker diese
Themen um: das schwache oder abnehmende Wachstum in Europa und einigen
Schwellenländern wie Russland und Brasilien, auf das der Internationale
Währungsfonds (IWF) soeben aufmerksam gemacht hat, die erwartete Reaktion
der Europäischen Zentralbank auf die niedrige Inflationsrate und die hohe
Arbeitslosigkeit in Staaten wie Spanien und Italien. An Empfehlungen an die
Adresse der Regierungen mangelte es nicht.
Carlyle-Chef Rubenstein bezeichnete die Gefahr der Deflation in Europa als
„ernstes Problem, denn man kommt nur schwer wieder heraus“. Er
signalisierte damit seine Unterstützung für das Programm der „quantitativen
Ausweitung“, das die Europäische Zentralbank (EZB) möglicherweise am
Donnerstag bekanntgibt.
## Nur „Zeit kaufen“
Viele Beobachter erwarten, dass die EZB zusammen mit den Nationalbanken der
Euro-Staaten beginnen wird, Staatsanleihen und andere Wertpapiere
aufzukaufen. Damit wollen die Zentralbanker den Geschäftsbanken Geld zur
Verfügung stellen, um diese zur Kreditvergabe an Unternehmen und Bürger zu
animieren. Das soll auch zu Preiserhöhungen auf den Märkten beitragen,
damit sich die ökonomisch gefährlichen Tendenzen zu sinkenden Preisen nicht
verfestigen.
Min Zhu, Vizedirektor des IWF bezeichnete das erwartete Programm als
notwendig. Man rechne mit einem Paket von 750 Milliarden Euro, sagte
Deutsche Bank-Chef Anshu Jain. Auch Axel Weber, früher Chef der Bundesbank
und gegenwärtig Verwaltungsratsvorsitzender der Schweizer Bank UBS, ging in
der Diskussionsveranstaltung am Mittwochmorgen davon aus, dass die
Zentralbank die Maßnahmen ergreift. Allerdings gab sich Weber skeptischer.
Er warnte, dass EZB-Mario Draghi nur wieder „Zeit kaufe“ – und empfahl
auch: „Sie sollte nicht zuviel machen.“
## „Arbeitsmärkte öffnen“
Unter anderem Weber argumentierte, dass die Beinahe-Stagnation und hohe
Arbeitslosigkeit in Europa nicht in erster Linie geldpolitische Ursachen
habe. Vielmehr seien die „Arbeitsmärkte verschlossen“. Die Politik müsse
deshalb die Regulierungen reduzieren, die verhindern, dass neue
Arbeitsplätze entstünden. Weber erinnerte an die aus seiner Sicht
erfolgreichen Hartz-Reformen der rot-grünen Schröder-Regierung. Nur mit
solchen Mitteln könne man der „strukturellen Jugendarbbeitslosigkeit“
beikommen, sagte der UBS-Aufseher. Auch IWF-Vizedirektor Zhu plädierte
dafür, die „Arbeitsmärkte zu öffnen“.
Ein weiteres Plädoyer, das man in Davos häufig hört, ist die Forderung nach
mehr Investitionen in Infrastrukturen. Damit gemeint sind Netze für den
Transport von Wasser, Elektrizität, Gas, Daten und Verkehr. Viele Experten
meinen, dass es egal sei, woher das Geld dafür stamme. Wenn die Staaten
nicht genug aufbringen könnten, sollten sie private Investoren ins Boot
holen. Die Überlegung im Hintergrund: Infrastruktur-Investitionen schaffen
Nachfrage, um die Stagnation zu überwinden, sie verbessern die künftigen
Wachstumsaussichten und können Privatinvestoren neue Renditemöglichkeiten
eröffnen.
## „Was machen die Arbeitskräfte?“
Die wichtigste Frage der WEF-Diskussion über „Inklusives Wachstum im
digitalen Zeitalter“ formulierte Moderatorin Gillian Tett von der Financial
Times so: „Was machen die Arbeitskräfte, wenn in den kommenden Jahrzehnten
fast die Hälfte der Stellen in den USA durch den Einsatz neuer
Kommunikationstechnologien wegfällt?“
Bessere Schulen müssten die Kinder und Jugendlichen besser auf die Berufe
vorbereiten, Einrichtungen für lebenslanges Lernen die Beschäftigten
begleiten, lautete die überwiegende Antwort. Ajay Banga, dem Chef von
Mastercard, war es vorbehalten, hier einen Zweifel zu formulieren: „Bildung
allein löst das Problem der Ungleichheit nicht.“ Damit wies er daraufhin,
dass durch digitale Produktionssteigerung aussortierte Beschäftigte
vielleicht keinen neuen Job mehr finden, oder nur einen schlechter
bezahlten.
An diesem Punkt der Analyse ist aber fast immer Schluss in Davos. Über
Umverteilung öffentlicher oder privater Mittel zugunsten Benachteiligter
will das Wirtschaftspublikum nicht nachdenken. Als Moderatorin Tett die
Zuhörer in ihrer Veranstaltung fragte, waren die Handzeichen eindeutig: Ja,
die Mehrheit rechnet mit weiter zunehmender Ungleichheit auch in den
Industrieländern.
21 Jan 2015
## AUTOREN
Hannes Koch
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