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# taz.de -- Verfahren am Europäischen Gerichtshof: Streit um EZB-Kompetenzen
> Hat die europäische Notenbank ihr Mandat überschritten? Der Generalanwalt
> am EuGH, Pedro Cruz Villalon, legt am Mittwoch seinen Schlussantrag vor.
Bild: EZB-Präsident Mario Draghis neueste Pläne könnten vom EuGH ebenfalls b…
MÜNCHEN taz | Darf die Europäische Zentralbank (EZB) in großem Stil
Staatsanleihen aufkaufen? Zu dieser Frage wird an diesem Mittwoch der
Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Pedro Cruz Villalon,
seinen Schlussantrag vorlegen. Möglicherweise wird er dabei auch die
neuesten Pläne von EZB-Chef Mario Draghi bewerten.
Im Kern geht es um die Ankündigung der EZB von 2012, sie wolle
Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe aufkaufen, um die Zinsen von
Krisenländern wie Spanien und Italien zu reduzieren. So sollte die
Diskussion über einen Austritt oder gar einen Ausschluss dieser Länder aus
dem Euro beendet werden. Dieses Outright-Monetary-Action-Programm (OMT) war
äußerst erfolgreich. Schon die Ankündigung ließ die Zinsen fallen, die EZB
musste keine einzige Anleihe kaufen.
Gegen das OMT-Programm klagten in Deutschland jedoch Euro-Skeptiker wie
Peter Gauweiler (CSU) und die Linksfraktion im Bundestag. Sie warfen der
EZB vor, sie habe ihr geldpolitisches Mandat überschritten. Hier gehe es
vor allem darum, so Gauweiler, Schulden zu vergemeinschaften. Die Linke
dagegen sah im OMT-Programm ein neoliberales Projekt, weil nur den Staaten
geholfen werden sollte, die sich zu Sparpolitik und Strukturreformen
verpflichten.
Das Bundesverfassungsgericht schloss sich der Position Gauweilers an und
wertete das OMT-Programm als „offensichtliche Kompetenzüberschreitung“ der
EZB. Weil sich das Mandat der EZB aber aus dem Europarecht ergibt, legte
Karlsruhe den Fall dem EuGH zur Auslegung vor – ein Novum in der Geschichte
des Verfassungsgerichts.
## Konflikt der Gerichte könnte zu Großkrise führen
Die Vorlage enthält Sprengstoff: Die Karlsruher Richter haben angedeutet,
sie würden das EuGH-Urteil missachten, wenn ihre Bedenken nicht genügend
berücksichtigt werden. Ein solcher Konflikt der Gerichte könnte zu einer
europäischen Großkrise führen.
Bei der mündlichen EuGH-Verhandlung im vergangenen Oktober versicherte die
EZB, dass das OMT-Programm nur geldpolitische Ziele verfolge. Der Aufkauf
von Staatsanleihen der Krisenstaaten solle die übernervösen Märkte
beruhigen und irrationale Zinsanstiege wieder reduzieren. Nur bei
rationalen Märkten könne die EZB mit ihren Zinssignalen geldpolitisch
steuern.
Als Kompromiss schlug die EU-Kommission vor, dass die EZB auch künftig –
für Zwecke der Geldpolitik – Staatsanleihen der EU-Staaten kaufen darf. Es
müsse jedoch wirksam ausgeschlossen werden, dass solche Programme heimlich
zur Staatsfinanzierung genutzt werden.
Der unabhängige Generalanwalt Cruz Villalon wird seinen eigenen
Lösungsvorschlag präsentieren. Oft folgen die EU-Richter dem Antrag des
Generalanwalts.
## Drohende Inflation soll verhindert werden
Zusätzliche Brisanz hat der Streit bekommen, weil die EZB inzwischen
wirklich ein Programm zum Staatsanleihen-Aufkauf vorbereitet.
Möglicherweise wird es schon am 22. Januar beschlossen. Diskutiert wird
über ein Volumen von bis zu einer Billion Euro.
Das geldpolitische Ziel ist diesmal aber ein anderes: Der Ankauf soll eine
drohende Deflation verhindern, bei der Käufer nichts mehr kaufen, weil sie
sinkende Preise erwarten und so die Wirtschaft in einen Abwärtsstrudel
gerät. Das Programm ist selbst in der EZB umstritten. So kann das deutsche
EZB-Direktoriumsmitglied Silke Lautenschläger noch keine Deflationsgefahr
erkennen. Die niedrige Inflation sei lediglich eine Folge der sinkenden
Ölpreise, von einem Konsumstreik sei nichts zu sehen.
Inzwischen ist in Deutschland auch der Vorwurf aufgekommen, das Programm
sei nur ein neuer Vorwand der EZB, um den Krisenländern das Schuldenmachen
zu erleichtern.
Gauweilers Anwalt, Dietrich Murswiek, sieht daher auch das aktuelle
Programm nicht vom Mandat der EZB gedeckt und erwägt bereits eine neue
Klage.
14 Jan 2015
## AUTOREN
Christian Rath
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