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# taz.de -- Debatte Griechenland und der Euro: Das Geld ist längst weg
> Das Grexit-Szenario ist ökonomisch unsinnig. Die Griechen werden im Euro
> bleiben, aber ihre Kredite niemals zurückzahlen.
Bild: Deutlich schöner: die Drachme.
Eine Zahl sagt alles: 164 Milliarden Euro haben die Griechen noch auf ihren
Konten. Dieses Geld soll seinen Wert behalten, und daher wollen die
allermeisten nicht zu einer schwachen Drachme zurückkehren, sondern im Euro
bleiben. Die Botschaft ist bei Alexis Tsipras angekommen. Der Syriza-Chef
betont ständig, dass er den Euro behalten möchte. Trotzdem wird in
Deutschland über den „Grexit“ spekuliert, wie ein Austritt Griechenlands
aus der Währungsunion getauft wurde.
Dieser „Grexit“ wird als Strafaktion imaginiert: Wenn die Griechen nicht
brav ihre Schulden zahlen, werden sie aus dem Euro entfernt. Schon
juristisch ist diese Fantasie schwierig, da die EU-Verträge keinen
Rausschmiss vorsehen. Vor allem aber wäre ein „Grexit“ ökonomisch unsinni…
Die Griechen bedienen ihre Schulden sowieso nicht. Egal, ob sie im Euro
bleiben oder Drachmen haben.
Die griechischen Staatsschulden belaufen sich momentan auf 322 Milliarden
Euro und machen 175 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus. Diese
Summen kann Griechenland unmöglich tilgen, was allerdings noch keine
Nachricht ist. Staatsschulden werden nie zurückgezahlt. Auch Deutschland
wird seine Kredite von rund zwei Billionen Euro nicht tilgen, sondern neue
Darlehen aufnehmen, um alte abzulösen. Das stört niemanden, solange die
Zinsen fließen.
Auf den ersten Blick scheinen die Griechen bei den Zinsen jedoch kein
Problem zu haben. Sie belaufen sich auf etwa 2,4 Prozent, was im Jahr sechs
Milliarden Euro macht – oder drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Davon
kann doch niemand pleitegehen? Die Frankfurter Allgemeine Zeitung findet
die griechischen Zinsen sogar „billig“, weil selbst Deutschland 2,7 Prozent
zahlen muss.
Aber der Zinsvergleich hinkt: Die deutsche Regierung ist im Inland, bei
ihren Bürgern, verschuldet. Die staatlichen Zinszahlungen kreisen in der
eigenen Volkswirtschaft und bleiben als potenzielle Nachfrage erhalten. Die
Griechen hingegen haben ihre Kredite im Ausland aufgenommen. Die Zinsen
fließen ab und könnten nur erwirtschaftet werden, wenn die Griechen
Exportüberschüsse hätten.
## Minimale Exportüberschüsse
Doch wie der Konjunktiv schon andeutet: Die Griechen haben nur minimale
Exportüberschüsse – die auch kaum steigen dürften. Denn die beiden
Exportbranchen, Tourismus und Schifffahrt, machen nur ein Viertel der
Wirtschaftsleistung aus, und bei den Importen lässt sich kaum sparen, weil
sie schon auf ein Minimum geschrumpft sind. Viele Griechen sind inzwischen
so arm, dass sie sogar auf lebensnotwendige Medikamente aus dem Ausland
verzichten müssen.
Es kommt zu einem sinnlosen Kreisverkehr: Die Griechen zahlen die Zinsen
auf ihre Auslandsschulden, indem sie neue Kredite aufnehmen – natürlich im
Ausland. Die Gläubiger finanzieren ihre eigenen Zinsen. Also könnte man die
griechischen Schulden auch gleich streichen, denn sie sind wertlose Zahlen
in einem Computer. Technisch wäre es einfach, die griechischen
Staatsschulden zu erlassen, denn sie liegen zu 80 Prozent bei der EZB, dem
IWF oder dem Rettungsschirm EFSF. Echte Kosten für die deutschen
Steuerzahler würden nicht entstehen, denn wie gesagt: Diese Kredite sind
sowieso wertlos. Man würde nur offiziell eingestehen, dass das Geld längst
weg ist.
Übrigens dürfen sich die Deutschen nicht beschweren. Wenn sie jährlich
Exportüberschüsse von 200 Milliarden Euro einfahren wollen, dann muss es
Länder geben, die Defizite akzeptieren und sich verschulden. Irgendwann ist
dieser Kreditberg zu hoch – und das deutsche Geld verschwunden. Dies ist
nicht nur in Griechenland passiert. Zwischen 2006 und 2012 haben deutsche
Anleger rund 600 Milliarden Euro im Ausland verloren, wie das Deutsche
Institut für Wirtschaftsforschung errechnet hat. Diese Verluste wollen sich
viele nicht eingestehen – und führen lieber eine „Grexit“-Debatte.
12 Jan 2015
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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Währungsunion
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Schuldenkrise
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Griechenland
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