| # taz.de -- Volkswirt über EU-Geldpolitik: „EZB-Chef Draghi ist machtlos“ | |
| > Die Europäische Zentralbank will eine Billion Euro in die Wirtschaft | |
| > pumpen. Das wird nicht viel bringen, sagt Volkswirt Dirk Ehnts. | |
| Bild: Euro-Grinsebacke: Mario Draghi. | |
| taz: Herr Ehnts, wird die EZB heute bekannt geben, dass sie Staatsanleihen | |
| kauft? | |
| Dirk Ehnts: Ja. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei fast 100 Prozent. EZB-Chef | |
| Mario Draghi hat bereits sehr deutliche Signale gegeben, dass diese | |
| Maßnahme kommt. | |
| Der Plan dürfte vorsehen, dass die einzelnen Notenbanken nur die | |
| Staatsanleihen ihrer eigenen Regierung kaufen. Die Bundesbank würde also | |
| deutsche Papiere erwerben, die spanische Notenbank spanische. Was halten | |
| Sie davon? | |
| Nichts. Es wäre besser, wenn die EZB die Staatsanleihen zentral aufkaufen | |
| würde. Das regionale Vorgehen wird dazu führen, dass die langfristigen | |
| Zinsen in den einzelnen Staaten unterschiedlich hoch sind. In stabilen | |
| Ländern wie Deutschland wären die Zinsen dann extrem niedrig – während | |
| Krisenländer wie Spanien oder Portugal höhere Zinsen hätten. | |
| Ist diese Risikoprämie nicht fair? Schließlich ist die Gefahr, | |
| pleitezugehen, in den Krisenländern größer. | |
| Eine Währungsunion funktioniert nur, wenn alle Länder ähnliche Zinsen | |
| haben. Sonst kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen. Ein italienisches | |
| Unternehmen, das genauso gesund und profitabel wie eine deutsche Firma ist, | |
| muss derzeit höhere Zinsen zahlen – nur weil es in Italien sitzt. Also hat | |
| es höhere Kosten als der deutsche Betrieb, obwohl die Produkte genauso gut | |
| sind. Dies führt in einen Teufelskreis: Die Krisenländer werden weiter in | |
| die Krise getrieben, weil ihre Zinsen höher sind. | |
| Aber wenn die EZB die Staatsanleihen zentral kauft: Muss dann Deutschland | |
| nicht haften, falls ein Krisenland pleitegeht? | |
| Das ist falsch gedacht. Der deutsche Steuerzahler muss nicht haften. Es | |
| wird kein Land pleitegehen, wenn die EZB wie eine normale Notenbank handeln | |
| darf. Nehmen wir an, Portugal könnte seine Staatsanleihen nicht mehr | |
| bedienen, dann würde die EZB diese Papiere zum Nennwert aufkaufen – und das | |
| Ausfallrisiko wäre gleich null. | |
| Kritiker würden antworten: Wenn die EZB Staatsanleihen von Pleitestaaten | |
| aufkauft, dann droht eine Inflation! | |
| Das wäre ja wunderbar! Wir wollen doch eine Inflation erreichen, weil | |
| momentan das Gegenteil droht: eine Deflation. Also fallende Preise, | |
| sinkende Umsätze, Stagnation und Arbeitslosigkeit. In der aktuellen | |
| Situation gilt: Mehr Staatsausgaben wären die Lösung. | |
| Draghi will rund eine Billion Euro in die Wirtschaft pumpen. Was wird das | |
| bringen? | |
| Nicht viel. Der Effekt wird verpuffen. Die Banken haben dann zwar mehr | |
| Geld, aber sie bleiben darauf sitzen. Denn es will niemand einen Kredit | |
| aufnehmen. Warum sollte ein Unternehmen investieren, wenn der Absatz | |
| stagniert? Die Geldpolitik der EZB ist zwar richtig, aber trotzdem an ihrem | |
| Ende angekommen. Draghi ist machtlos. | |
| Was würden Sie denn vorschlagen? | |
| Die Eurozone muss ein großes Konjunkturpaket auflegen. Wenn die Firmen | |
| nicht investieren, muss es der Staat tun. Man muss dafür sorgen, dass die | |
| Nachfrage steigt und die Arbeitslosenquote sinkt. | |
| Die Bundesregierung ist aber dagegen, neue Schulden zu machen. Was | |
| passiert, wenn nichts passiert? | |
| Die deutsche Wirtschaft würde stagnieren und Stellen abbauen. | |
| 22 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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