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# taz.de -- Nach dem Ukraine-Gipfel: Ruhe ohne Frieden
> Seit dem Bekanntwerden des Minsker Abkommens ist in Teilen der umkämpften
> Region Ruhe eingekehrt. Doch die Menschen sind skeptisch.
Bild: Wie lange hält der Frieden? Tauben fliegen über eine Lenin-Statue in Kr…
KIEW taz | Unbeirrt und geduldig spricht die 22-jährige Studentin Marina
die Passanten an. Sie steht auf der Kiewer Flaniermeile Chreschtschatik in
unmittelbarer Nähe des Maidan. Marina trägt eine durchsichtige Spendenbox
vor ihrem Bauch. „Spenden Sie für unsere Truppen in der Anti-Terror-Zone“
bittet sie.
Ja, sie habe von den Vereinbarungen in Minsk gehört. Aber das sei doch noch
lange kein Grund, das Sammeln für die ukrainischen Truppen einzustellen.
„Meinen Sie wirklich, dass sich die Terroristen an die Waffenruhe halten
werden?“, fragt sie. „Die wollen Debalzewe einnehmen, und da werden die so
lange kämpfen, bis sie den Kessel geschlossen haben.“
Ihr Kollege auf der anderen Straßenseite ist optimistischer. Er freut sich
über die Vereinbarung von Minsk. Er ist für eine weitgehende Autonomie des
Donbass, „aber in den Grenzen der Ukraine“. Er kritisiert jedoch, dass man
allen, die in dem Konflikt gekämpft haben, Amnestie verspricht. „Aber wie
sollen wir jemals wieder friedlich zusammenleben können, wenn Mörder nicht
einmal bestraft werden dürfen?“ Ein Passant ruft den Spendensammlern
demonstrativ zu: „Ruhm der Ukraine!“ Die antworten: „Den Helden Ruhm!“
## Kein Krieg an Europas Grenzen
Der Kiewer Politologe Alex Rogaljow begrüßt das neue Abkommen. Die Ukraine
könnte nun endlich mit Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds
rechnen, Europa brauche keinen Krieg an seinen Grenzen fürchten und könne
die Sanktionen gegen Russland zurückfahren, so Rogaljow. Auch die USA seien
nicht an einer weiteren Eskalation mit einer anderen Groß- und Atommacht
interessiert. Russland wiederum könne sich nun aus seiner Isolation
befreien.
Der Politologe Wladimir Fesenko hingegen warnt vor den Hindernissen des
Abkommens, die überwunden werden müssten. „Es ist gut, dass die
Konfliktparteien die schweren Waffen zurückziehen müssen. Doch wer
kontrolliert die dabei entstehende neutrale Zone? Die OSZE hat in der
Vergangenheit schon gezeigt, dass sie dieser Aufgabe nicht gewachsen ist.“
Alles, so Fesenko, hänge davon ab, ob der Waffenstillstand auch wirklich
eingehalten werde. Dann ließen sich auch alle anderen Aufgaben schrittweise
lösen.
„Ob der Krieg weitergehen wird oder nicht, entscheidet sich nicht in Minsk.
Das entscheidet sich in Debalzewe“, sagt ein Passant auf der Straße in
Kiew. Die andere Seite habe diese Nacht und heute Morgen Flugblätter über
den ukrainischen Truppen abgeworfen, in denen sie diese aufforderten, sich
zu ergeben. „Was ist, wenn sie sich bis zum 15. Februar nicht ergeben
wollen?“ fragt er.
In dem von den Aufständischen kontrollierten Gebieten sind die Reaktionen
verschieden. „Ich glaube nicht, dass die ukrainische Seite wirklich Frieden
will“, sagt die Lehrerin Galina aus Donezk am Telefon. „In dieser Nacht
sind wir wieder mit Artillerie beschossen worden. Unter anderem wurde auch
auf das Krankenhaus geschossen.“ Auch ihre Verwandten in Jenakiewo und
Gorlowka hätten ihr von Beschuss durch die ukrainische Armee berichtet.
„Poroschenko will keinen Frieden“, sagt sie, „er will nur eine Waffenpaus…
um dann richtig gegen uns losschlagen zu können.“ Die Mobilisierung gehe
weiter.
## Hauptsache, es gibt einen Waffenstillstand
„Wir haben keine Hoffnung, dass Poroschenko ein Mann des Friedens ist“,
sagt Tatjana Schneidmüller aus dem Donezker Vorort Zugres gegenüber der
taz. „Möglicherweise wird man ihn bald als Verräter brandmarken, so wie es
Dmytro Jarosch vom Rechten Sektor nach den Vereinbarungen von Minsk getan
hat. Ich fürchte, Gegenspieler werden die Situation nutzen und Poroschenko
zum Rücktritt zwingen. Und sein Nachfolger wird sich dann sicherlich nicht
mehr an die Vereinbarungen von Minsk gebunden fühlen.“ Schon lange sei
nicht mehr so intensiv geschossen worden wie in den letzten Stunden. Auch
am Tag nach der Vereinbarung von Minsk sei in den Nachbarorten von Zugres
ununterbrochen Feuer zu hören.
In Lugansk ist die Stimmung hingegen etwas optimistischer. „Wir haben große
Hoffnungen, dass man endlich ein Abkommen hat, das auch halten wird“, so
Anastasia Schurkajewa. Seit Bekanntwerden des Minsker Abkommens werde in
Lugansk nicht mehr geschossen. „Wir sind kriegsmüde“, sagte sie.
„Hauptsache ist, wir haben endlich einen Waffenstillstand. Über alles
andere kann man dann reden“.
12 Feb 2015
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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