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# taz.de -- Ukraine-Gipfel: Minsk-II-Abkommen vereinbart
> Nach langen Verhandlungen ist in Minsk eine Einigung erzielt worden.
> Beschlossen wurde unter anderem eine baldige Waffenruhe in der
> Ostukraine.
Bild: Hier verhandelt die Kontaktgruppe in Minsk
MINSK dpa/afp/rtr | In der Ostukraine sollen von Sonntag an die Waffen
schweigen. Darauf verständigten sich die Staats- und Regierungschefs von
Russland, der Ukraine, Deutschland und Frankreich nach einem 16-stündigen
Verhandlungsmarathon am Donnerstag in Minsk. „Das Wichtigste, was erreicht
wurde, ist, dass von Samstag auf Sonntag eine generelle Waffenruhe ohne
jegliche Bedingungen erklärt werden soll“, sagte der ukrainische Präsident
Petro Poroschenko. Bundeskanzlerin Angela Merkel dämpfte allerdings
Hoffnungen, die Krise sei ausgestanden: „Wir haben keine Illusion: Es ist
noch sehr, sehr viel Arbeit notwendig.“
Nach Poroschenkos Angaben sollen sowohl das ukrainische Militär wie auch
die prorussischen Separatisten zwei Tage nach Beginn der Waffenruhe ihre
schweren Waffen aus den Kampfgebieten abziehen. Geplant ist die Einrichtung
eines 50 Kilometer breiten, entmilitarisierten Korridors. Außerdem sollen
binnen der kommenden 19 Tage alle Gefangenen ausgetauscht werden.
Bereits in Kürze soll demnach die ukrainische Pilotin Nadeschda Sawtschenko
freigelassen werden. Zudem sei vereinbart worden, dass alle ausländischen
Militärs ukrainisches Hoheitsgebiet zu verlassen hätten. Bis zum Jahresende
soll die Ukraine die vollständige Kontrolle über die Grenze zu Russland
übernehmen. Derzeit werden weite Teile des Grenzverlaufs von Rebellen
beherrscht.
Nach Angaben des russischen Präsidialamtes wird in der Abschlusserklärung
auch die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine garantiert.
Damit wird eine zentrale Forderung nicht nur der Ukraine, sondern auch
westlicher Staaten erfüllt. Merkel hatte gewarnt, das gewaltsame Verändern
von Grenzverläufen stelle die europäische Friedensordnung in Frage.
Allerdings hat Russland bereits mit der Annexion der Halbinsel Krim eine
Gebietserweiterung auf Kosten der Ukraine vollzogen.
Offen blieb, ob beide Seiten bis zum Beginn der Waffenruhe versuchen
würden, weitere Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen. Ein
Militärsprecher in Kiew sagte am Donnerstag, über Nacht seien erneut
schwere Waffen aus Russland im Osten der Ukraine eingetroffen. Rund 50
Panzer und 40 Raketensysteme hätten die Grenze passiert. Dennoch scheint
die befürchtete Ausweitung der Kämpfe zu einem die ganze Ukraine
erfassenden Krieg und einer Zuspitzung der Spannungen zwischen dem Westen
und Russland vorerst abgewendet zu sein. Das erste Minsker Abkommen im
September mit ähnlichen Vereinbarungen wurde allerdings nicht umgesetzt.
Seitdem haben die Separatisten erhebliche Geländegewinne erzielt.
## Drohung mit Kriegsrecht
Seit Mittwochabend hatten Poroschenko und Merkel sowie die Präsidenten
Russlands und Frankreichs, Wladimir Putin und Francois Hollande nach Wegen
für ein Ende der eskalierenden Kämpfe zwischen Regierungstruppen und
prorussischen Separatisten gesucht. Zuletzt wurde erbittert um den
strategisch wichtigen Eisenbahn-Knotenpunkt Debalzewe gekämpft.
Putin betonte, die Ukraine müsse eine Verfassungsreform vornehmen, damit
die Rechte der Menschen in den östlichen Landesteilen respektiert würden.
Das russische Staatsoberhaupt vertrat die Interessen der Separatisten, die
selbst nicht an den Minsker Friedensgesprächen beteiligt waren. Unklar
blieb zunächst, ob sich Poroschenko auf die Separatisten zubewegt hat.
Bislang hatten es die Rebellen abgelehnt, erobertes Gebiet aufzugeben und
sich auf frühere Positionen zurückzuziehen. Poroschenko drohte, bei einer
weiteren Eskalation das Kriegsrecht im ganzen Land zu verhängen.
Die Verhandlungen gestalteten sich schwierig. Poroschenko erklärte,
mehrmals seien inakzeptable Forderungen erhoben worden. Merkel und Hollande
strichen heraus, Putin habe auf die Separatisten Druck ausgeübt, damit sie
in die Vereinbarungen einwilligten. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen
hatten sich die Separatisten zunächst geweigert, dem Kompromiss
zuzustimmen. Hollandes bestätigte jedoch, auch sie hätten schließlich das
Abkommen unterzeichnet.
Hollande wies darauf hin, dass sich alle vier Unterhändler darauf
verständigt hätten, die Umsetzung der Vereinbarungen zu überprüfen. Merkel
sagte: „Ich gehe davon aus, dass das auch nötig sein wird.“ Es gebe jetzt
aber eine reale Chance, die Dinge zum Besseren zu wenden.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Minsk: „Wir haben erstmals
klare zeitliche Vorgaben für die Umsetzung von Minsker Verpflichtungen – zu
Wahlen, Grenzkontrollen, Gefangenenaustausch, um nur einige zu nennen.“
Gleichzeitig warnte Steinmeier vor zu großer Euphorie: „Die heutige
Vereinbarung ist keine umfassende Lösung und schon gar kein Durchbruch.“
Aber: „Minsk II könnte nach Wochen der Gewalt ein Schritt sein, der uns von
einer militärischen Eskalationsspirale weg und hin zu politischem Momentum
führen könnte.“
## Milliarden-Hilfspaket für Kiew
Derweil hat der Internationale Währungsfonds (IWF) hat ein
Milliarden-Hilfspaket für die Ukraine geschnürt. Wie IWF-Chefin Christine
Lagarde am Donnerstag mitteilte, soll das Land nach diesem vorläufigen Plan
zunächst 17,5 Milliarden Dollar erhalten. Eine derartige Vereinbarung sei
auf Beamtenebene mit der Ukraine auf Basis eines neuen wirtschaftlichen
Reformprogramms getroffen worden. Das Hilfspaket muss allerdings noch von
den Entscheidungsgremien des IWF abgesegnet werden.
Im Osten der Ukraine gilt seit der Unterzeichnung des Minsker Abkommens
formal eine Waffenruhe, die jedoch immer wieder gebrochen wurde. Auch eine
im Dezember vereinbarte Feuerpause führte nicht zum Ende der Kämpfe. Der
Friedensplan von Minsk sieht außerdem die Einrichtung einer 30 Kilometer
breiten entmilitarisierten Pufferzone entlang der Frontlinie vor. Außerdem
wurde die Freilassung aller Gefangenen und Geiseln, ein nationaler Dialog
sowie die Organisation von Wahlen vereinbart.
Noch am frühen Donnerstagmorgen wurden aus dem Kriegsgebiet neue Kämpfe
gemeldet. Während der Verhandlungen über den Friedensfahrplan für die
Ukraine haben nach Angaben Kiews rund 50 russische Panzer die Grenze
überquert. In der Nacht zu Donnerstag hätten die Truppen zudem etwa 40
Raketensysteme sowie ebenso viele gepanzerte Fahrzeuge über den
Kontrollpunkt Iswarine in die Region Lugansk gebracht, erklärte der
ukrainische Armeesprecher Andrej Lyssenko in Kiew.
In der Ostukraine gab es in den vergangenen Wochen eine neue Eskalation der
Gewalt. In dem seit zehn Monaten andauernden Konflikt wurden bereits mehr
als 5.300 Menschen getötet.
12 Feb 2015
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