# taz.de -- Thüringen schaltet V-Leute ab: Neonazis bald auf Jobsuche | |
> Rot-Rot-Grün will sich von Informanten aus der rechten Szene trennen. | |
> Doch wie geht das Land mit Infos von V- Männern außerhalb Thüringens um? | |
Bild: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow will keine V-Leute mehr bezah… | |
DRESDEN taz | „Die Koalitionäre sind sich einig, … das bisherige System der | |
V-Leute in Thüringen nicht fortzuführen, also zu beenden.“ Hinsichtlich der | |
Reform des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz lässt der | |
Koalitionsvertrag von Linken, SPD und Grünen in Thüringen keinen | |
Interpretationsspielraum. | |
Eine genauere Kontrolle des Landesamtes ist ebenfalls vorgesehen. Vier | |
Monate nach Abschluss dieses Vertrags will die Thüringer Landesregierung | |
mit dieser Absicht ernst machen. Sie stößt dabei auf Widerspruch, sowohl | |
von CDU- als auch SPD-angehörigen Innenministern aller anderen | |
Bundesländer. | |
Ende der vergangenen Woche hatte das Thüringer Innenministerium mitgeteilt, | |
dass Minister Holger Poppenhäger (SPD) die Parlamentarische | |
VS-Kontrollkommission über eine entsprechende Entscheidung der | |
Landesregierung informiert habe. Details wollte das Innenministerium auf | |
Anfrage nicht erteilen. | |
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bekräftige gegenüber verschiedenen | |
Medien die Absicht, sich von den Informanten zu trennen. Er nahm dabei | |
Bezug auf die speziellen Thüringer Erfahrungen und das Verhalten des | |
Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem rechtsextremen NSU-Trio. | |
V-Leute hätten die Mordserie nicht verhindert. | |
## „Staatlich alimentierte Nazis“ | |
„Das waren keine Vertrauensleute, sondern vielfach staatlich alimentierte | |
Nazis“, spitzte Ramelow zu. Der bekannteste Thüringer V-Mann Tino Brandt | |
hatte als Chef des „Thüringer Heimatschutzes“ in den neunziger Jahren rund | |
200.000 D-Mark vom Verfassungsschutz erhalten. Im vergangenen Jahr wurde er | |
wegen Kindesmissbrauchs verurteilt. | |
Als eine Konsequenz aus diesen Missständen hatte der ehemalige Thüringer | |
Innenminister Jörg Geibert (CDU) 2012 bereits die V-Mann-Führung generell | |
an das Bundesamt für Verfassungsschutz abgeben wollen. Wegen der damit | |
verbundenen Beschneidung von Länderkompetenzen war er mit dieser Absicht | |
gleichfalls auf Widerstand gestoßen. Inzwischen plant Bundesinnenminister | |
Thomas de Maizière eine Novelle des Bundesverfassungsschutzgesetzes, das | |
die Befugnisse des Bundesamts erweitern könnte. | |
Als „Rückenwind“, zugleich aber auch als „Alarmzeichen“ für das laufe… | |
NPD-Verbotsverfahren, wertet Ministerpräsident Ramelow die jüngste | |
Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts an die Länder, die Abschaltung | |
von V-Leuten zumindest in der NPD-Spitze zu belegen. Er appellierte | |
seinerseits an die anderen 15 Bundesländer, sich ebenfalls von Informanten | |
zu trennen und so das NPD-Verbot nicht zu gefährden. | |
Das hatten zunächst die CDU-Innenminister und am Dienstag auch SPD-Kollegen | |
abgelehnt. Mit Blick auf „wachsende Gefährdungen im politischen | |
Extremismus, derzeit insbesondere im Bereich des mörderischen Islamismus“ | |
bezeichnete Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) den | |
Einsatz von Vertrauenspersonen als „absolut unverzichtbar“. | |
## Umgang mit Hinweisen fraglich | |
In einem der taz vorliegenden ausführlichen Statement führt Caffier | |
fachliche Gründe an. Er wirft insbesondere die Frage auf, wie Thüringen | |
künftig mit Informationen umgehen wolle, die durch verdeckte Informanten in | |
anderen Bundesländern erlangt wurden. Der norddeutsche Innenminister stellt | |
indirekt die Verantwortungsfrage, wenn er als Beispiel Hinweise auf | |
rechtsextreme Konzerte anführt, von denen Thüringen konsequenterweise nicht | |
mehr informiert werden dürfte. Über solche grundsätzlichen Fragen müsse | |
sich spätestens die nächste reguläre Innenministerkonferenz im Juni | |
verständigen. | |
Auch die SPD-Innenminister wollen den Alleingang ihres Thüringer Kollegen | |
Poppenhäger nicht mittragen, darunter das grün-rot-regierte | |
Baden-Württemberg. Eine Isolation Thüringens und des | |
Landesverfassungsschutzamts bedeutet diese Kritik jedoch nicht. „Das wäre | |
kontraproduktiv“, erklärt Martin Döring, Sprecher des sächsischen | |
Landesamts. | |
Das Gesetz und die föderale Struktur verpflichteten die Länder sogar zur | |
Zusammenarbeit. Sachsen werde aber auf das Instrument dieser Informanten | |
nicht verzichten, auch wenn diese Leute „mit Vorsicht zu genießen sind“ und | |
ihre Informationen stets geprüft werden müssten. „Wir wissen, dass das | |
keine Betschwestern oder Nobelpreiskandidaten sind“, fügt Döring hinzu. | |
Für die Linksfraktion im Thüringen Landtag bekräftigte deren Vorsitzende | |
Susanne Hennig-Wellsow noch einmal das unbeirrte Festhalten an der | |
Abschaltung von V-Leuten. Die satirische Internetplattform „Der Postillon“ | |
sieht daraufhin den Thüringer [1][NPD-Landesverband vor seiner Auflösung] | |
stehen, wenn der Verfassungsschutz als Mäzen entfalle. Das Land plane laut | |
Erfindung dieser Spaßvögel bereits eine Auffanggesellschaft für mehrere | |
hundert Nazis. | |
24 Mar 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.der-postillon.com/2015/03/thuringen-schafft-v-leute-ab-npd.html | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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