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# taz.de -- Katharina König über NSU-Aufklärung: „Wir wollen an die V-Leut…
> In Thüringen wird ein zweiter Untersuchungsausschuss eingesetzt. Er
> beleuchtet den Tag, an dem das NSU-Terror-Trio aufflog.
Bild: Ende im Wohnwagen in Eisenach: Am 4. November 2011 flog der NSU auf
taz: Frau König, der Thüringer Landtag hat gerade einen neuen
NSU-Untersuchungsausschuss beschlossen. Warum?
Katharina König: Dafür gibt es drei Gründe. Erstens konnten wir in dem
ersten nicht alle Komplexe so umfassend bearbeiten, wie es nötig gewesen
wäre. Zum Zweiten sind inzwischen Widersprüche zwischen den Erkenntnissen
des Untersuchungsausschusses und dem NSU-Prozess in München aufgetreten.
Und drittens haben wir in Thüringen jetzt die Möglichkeit, die
Zusammenhänge zwischen Neonazis und organisierter Kriminalität zu
bearbeiten – und das Wissen der Verfassungsschützer darüber.
Wie lautet der Auftrag?
Es gibt unter anderem zwei konkrete Aufträge: Zum einen die Hintergründe
des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter zu bearbeiten, die ja aus
Thüringen kommt. Das können wir bei den anderen Morden nicht, weil eine
Thüringen-Verbindung fehlt. Der zweite Auftrag ist der 4. 11. 2011 in
Eisenach.
Der Tag, an dem Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in dem Wohnmobil tot
aufgefunden wurden und der NSU aufflog.
Genau. Und da gibt es einige Informationen, die man nicht unhinterfragt
stehen lassen kann. Dass zum Beispiel der Wohnwagen mit den zwei Leichen
auf einen Abschlepptransporter hochgeladen wurde, bevor eine richtige
Tatortsicherung stattfand. Da wurden Hülsen und Patronen verwechselt und,
was merkwürdig ist, es wurden bei den beiden keine Rußspuren in der Lunge
gefunden, obwohl sie den Wohnwagen angezündet haben sollen. Ein weiterer
Komplex ist das V-Leute-System.
Was meinen Sie da genau?
Bislang sind aus dem NSU-Komplex insgesamt 42 V-Leute bekannt, aber wir
wissen nicht von allen, was für Funktionen sie sonst noch zum Beispiel im
Thüringer Heimatschutz hatten oder welche Rolle sie als Unterstützer des
untergetauchten NSU-Trios spielten – und welche Kenntnis die
Sicherheitsbehörden davon hatten. Da wollen wir an die V-Leute aus
Thüringer Sicht ran. Tino Brandt kennt mittlerweile jeder, aber es gibt
auch Leute wie Andreas Rachhausen oder Marcel Degner. Und dann ist da
natürlich die große These, dass der NSU keine Zelle, sondern ein Netzwerk
war, und es gibt Indizien dafür, dass der Thüringer Verfassungsschutz davon
Kenntnis hatte.
Wenn es um die V-Leute geht, wurde beim Bundestagsuntersuchungsausschuss
oft kritisiert, dass die Akten unter Verschluss bleiben oder massiv
geschwärzt sind. Wie sind Ihre Erfahrungen in Thüringen – und was erhoffen
Sie sich unter der rot-rot-grünen-Regierung?
Wir hatten am Anfang des letzten Untersuchungsausschusses ein halbes Jahr
lang kaum Akten. Dann aber gab es einen Eklat zwischen der damaligen
schwarz-roten Regierung und der Ausschussvorsitzenden Dorothea Marx von der
SPD, die sich sehr engagiert hat. Im Anschluss haben wir alle Akten des
Thüringer Verfassungsschutzes seit 1992 bekommen, die mit dem Themengebiet
„rechts“ zu tun haben. Diese Akten liegen uns in Thüringen also schon seit
2012 vor. Was neu dazukommt, und das wäre unter dem alten Innenminister
wahrscheinlich nicht möglich gewesen: Dass wir die Akten des
Verfassungsschutzes zum Bereich der organisierten Kriminalität bekommen.
Das ist wichtig, weil es Personenüberschneidungen zwischen diesen beiden
Szenen in Thüringen gibt, und sich vielleicht in diesen Akten weitere
Hinweise zum NSU finden lassen.
Das heißt, Sie haben Personenakten der V-Leute, Treffberichte und anderes
vorliegen?
Ja, die Personenakten der V-Leute und die Treffberichte liegen, mit
Ausnahme von Tino Brandt, immer noch in den Räumen des Verfassungsschutzes
und dort konnten wir sie einsehen.
Muss auch im Bundestag ein zweiter Untersuchungsausschuss eingesetzt
werden?
Dringend. Die Länderuntersuchungsausschüsse stoßen ja aufgrund des
föderalen Systems an Grenzen. Auf Akten des Bundesamts für
Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdiensts und des
Bundesnachrichtendiensts haben wir keine Zugriffsrechte und auch nicht das
Recht, damals beteiligte Personen zu laden. Das geht nur, wenn wir
nachweisen können, dass ein konkreter Mitarbeiter vor Ort in Thüringen
aktiv war. Das braucht ein Bundesuntersuchungsausschuss nicht. Ganz
kompliziert ist es auch bei den V-Leuten des Bundesamts für
Verfassungsschutz, die aus Thüringen stammen. Da haben wir keine
Zugriffsrechte auf die Akten. Wir haben im letzten Untersuchungsausschuss
zum Beispiel versucht, an die rekonstruierten Akten des V-Manns Tarif zu
kommen …
… die im Bundesamt geschreddert wurden …
… aber das ist uns jedes Mal verweigert worden. Und es gibt es ja noch mehr
solcher V-Leute.
5 Mar 2015
## AUTOREN
Sabine am Orde
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Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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