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# taz.de -- Ausschuss in Baden-Württemberg: Viele offene Fragen zum NSU
> Arbeitete der NSU wirklich nur zu dritt? Die Journalisten Stefan Aust und
> Dirk Laabs bezweifeln das in einer Befragung.
Bild: Spurensicherung im Mordfall Kiesewetter
STUTTGART taz | „Es geht nicht darum, jeden Stein umzudrehen, der anderswo
schon mal umgedreht wurde“, sagt Stefan Aust zu Beginn seiner Befragung vor
dem NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg. Vielmehr solle das
untersucht werden, was noch nicht untersucht worden sei. Es gebe genügend
offene Fragen.
Einige davon sind im Buch „Heimatschutz“ enthalten, das der
Ex-Spiegel-Chefredakteur zusammen mit Dirk Laabs im Mai 2014 veröffentlicht
hat. Von der Theorie, die vom Landesinnenministerium vertreten wird, die
getötete Polizistin Michèle Kiesewetter sei ein Zufallsopfer gewesen,
halten sie nichts. Der Heilbronner Fall sei „nur mit viel Fantasie ein
Zufall“, sagte Aust.
Der Untersuchungsausschuss ist im November eingesetzt worden, nachdem eine
Enquetekommission zum Thema Rechtsextremismus wegen einer Gutachtenaffäre
innerhalb der Grünen gescheitert war. Unter Leitung des
Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD) wurden bislang Obleute aus
anderen NSU-Untersuchungsausschüssen gehört. Nun werden Journalisten
befragt, die im Komplex recherchiert haben.
Drexler rechnet damit, erst im April alle Unterlagen vom Oberlandesgericht
München zu erhalten und dann in die eigene Recherche einsteigen zu können.
Von den Journalisten erfragten die Parlamentarier, wo sich näheres Hinsehen
lohnen könnte. Die präziseste Antwort lieferte Aust. Nach dem
Polizistenmord in Heilbronn habe es viele Aussagen gegeben, wonach es mehr
als zwei Täter gewesen seien.
## „Tote Täter sind bequem“
Die Polizistin war 2007, während sie mit ihrem Kollegen Martin A. im
Streifenwagen eine Pause auf der Theresienwiese machte, von zunächst
unbekannten Tätern erschossen worden. Martin A. überlebte schwer verletzt.
Nach dem Auffliegen des NSU wurden die geklauten Dienstwaffen bei dem
Terrortrio gefunden und die Tat diesem zugeordnet. Die Anklage am
Oberlandesgericht München geht davon aus, dass Uwe Böhnhardt und Uwe
Mundlos die Täter waren. „Tote Täter sind bequem“, sagt Aust in Stuttgart.
Es sei jedoch „verstörend“, wenn man sich vorstelle, dass diese These – …
von einigen Zeugen nahegelegt – nicht stimme und weitere Mittäter noch frei
herumliefen.
Einen weiteren Ansatzpunkt, den Aust für aussichtsreich für neue
Erkenntnisse hält, ist der V-Mann Corelli, der in der rechten Szene
unterwegs war und inzwischen an einem unentdeckten Diabetes verstorben ist.
Corelli sei einer der wichtigsten V-Männer in der rechten Szene gewesen,
hatte sowohl Kontakt zum NSU als auch zum Ku-Klux-Klan in Deutschland, in
dem der Gruppenführer von Michèle Kiesewetter aktiv war. Der Ausschuss
solle versuchen, an die Treffberichte zu gelangen, die der Betreuer des
V-Manns nach Gesprächen geschrieben hat, empfahl Aust – „sofern sie nicht
schon geschreddert sind“.
Eine Linkspartei-Abgeordnete in Thüringen hatte nach Abschluss des dortigen
Untersuchungsausschusses darauf hingewiesen, dass die Verbindung der
rechten Szene zum organisierten Verbrechen unzureichend bekannt sei. Dem
nachzugehen hält Aust ebenfalls für notwendig.
„Die offenen Fragen zeigen, dass es richtig war, einen
Untersuchungsausschuss einzurichten“, sagte der grüne Obmann Jürgen Filius.
Sein SPD-Kollege Nikolaos Sakellariou stimmte ihm zu. FDP-Mann Niko Reith
sprach von „einem Tag, an dem wir viele Arbeitsaufträge bekommen haben“.
CDU-Obmann Matthias Pröfrock sagte, man sei immer noch auf der Suche nach
den richtigen Fragen. Die Zeit für die Aufarbeitung ist knapp. Im März 2016
ist Landtagswahl, bis dahin muss das Gremium fertig sein.
16 Feb 2015
## AUTOREN
Lena Müssigmann
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