# taz.de -- Tod eines mutmaßlichen NSU-Zeugen: Suizid? Oder Nazi-Mord? | |
> Der mutmaßliche NSU-Zeuge Florian H. verbrannte. Seine Familie glaubt: | |
> Nazis haben ihn ermordet. Das erklärten sie im NSU-Ausschuss in | |
> Baden-Württemberg. | |
Bild: In diesem Wagen verbrannte der mutmaßliche Zeuge des Mordes an der Poliz… | |
STUTTGART taz | Die Schwester weint immer wieder, als sie von ihrem Bruder | |
Florian H. berichtet. Von seiner Verstrickung in der rechten Szene in | |
Heilbronn 2010 bis Ende 2011. Von seiner Funktion als Waffenkurier für „die | |
Rechten“. Davon, dass er aus der rechten Szene aussteigen wollte und heute | |
nicht mehr lebt. | |
Florian H. ist am 16. September 2013, damals 21 Jahre alt, in seinem Auto | |
in Bad Cannstatt verbrannt, an einem Tag, an dem er von Ermittlern des LKA | |
befragt werden sollte. Florian H. hatte schon vor Auffliegen des NSU | |
signalisiert, die Mörder der Polizistin Michèle Kiesewetter zu kennen. Er | |
wurde in das Aussteigerprogramm Big Rex aufgenommen und arbeitete mit den | |
Behörden zusammen. | |
Nach seinem plötzlichen Tod ging die Staatsanwaltschaft von Selbstmord aus | |
und stellte ihre Ermittlungen ein. Florian H. habe sich mit Benzin | |
übergossen und angezündet. Doch seine Familie glaubt nicht an Selbstmord. | |
Vater und Schwester sprachen Montag im NSU-Untersuchungsausschuss von | |
Baden-Württemberg. Sie vermuten, dass Florian H.s Tod mit seinem Wissen | |
über die rechte Szene zu tun hat. | |
Beim Auffliegen des NSU soll Florian H. in der Familie gesagt haben: „Das | |
ist ein Riesending, da hängen hohe Tiere mit drin, das könnt ihr euch nicht | |
vorstellen“, berichtet die Schwester. Näher habe er sich aber nicht | |
geäußert. Die Familie dürfe nicht mehr wissen, habe er gesagt, da es sonst | |
gefährlich für sie würde. Den NSU-Prozess in München habe er als Farce | |
bezeichnet. Solange vier Namen – der Vater nennt die Vornamen Alexander, | |
Nelli, Matze und Francek – nicht unter Anklage stünden, sei „alles Lüge�… | |
So lange säßen nicht die „echten Mörder“ dort. Diese Aussagen wurden | |
gestern erstmals von einer offiziellen Stelle erfragt. Die Polizei hat die | |
Familie nie vernommen. | |
## Massive Bedrohungen aus der rechten Szene | |
Florian H. ist nach Angaben des Vaters bei einer Krankenpflegerausbildung | |
2010 in einem Heilbronner Klinikverbund von Rechtsextremen gezielt | |
abgegriffen worden und hat sich offenbar begeistern lassen. Er sei damals | |
nicht polizeibekannt gewesen, sagt der Vater. Vermutlich deshalb habe er | |
Waffen aus der rechten Szene bei sich im Wohnheim aufbewahren sollen. | |
Doch im Mai 2011 fällt Florian H. bei einer rechten Demo auf. Die Polizei | |
durchsucht sein Zimmer und beschlagnahmt mindestens eine Schusswaffe. Auch | |
zu Hause soll Florian H. bis zu vier Waffen gelagert haben, dem | |
Untersuchungsausschuss liegen seit gestern sogar Fotos von dieser Sammlung | |
vor. Woher die Waffen kamen, ist unklar. Eine vom Vater konfiszierte | |
Pistole lagert bis heute bei einem Rechtsanwalt, dem er sie übergeben hat. | |
Ende 2011 wollte Florian H. aus der rechten Szene aussteigen, berichtet die | |
Familie, weil ihm die Gewalttaten, die er erledigen sollte, zu brutal | |
geworden seien. Er arbeitete mit Behörden zusammen und kam ins | |
Aussteigerprogramm Big Rex. Aus der rechten Szene sei er nun massiv bedroht | |
worden. Rund 15.000 Euro seien von ihm gefordert worden, damit er sich | |
freikaufen könne, berichtet der Vater. | |
Florian H. soll sich immer wieder neue Handynummern zugelegt haben, | |
mindestens fünf Nummern in kurzer Zeit, sagt die Schwester. Aber immer | |
wieder sickerten sie an seine Erpresser durch. Florian H. hat eine | |
Vermutung. Er soll gesagt haben: „Sobald meine neue Nummer bei Big Rex | |
bekannt ist, hängen die Rechten eine Woche später wieder drauf.“ Die | |
Ausstiegshelfer hätten ihn wie eine „Tankstelle“ benutzt, hätten nur Infos | |
abgezapft. Den erhofften Schutz habe er nicht erhalten. | |
Die Familie habe überlegt, ihm eine Flucht zu ermöglichen. Florian H. habe | |
geantwortet: „Egal, wo ich hingehe, man findet mich.“ | |
2 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Lena Müssigmann | |
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