# taz.de -- NSU-Untersuchungsausschuss in BaWü: Mitläufer oder Szenekenner? | |
> Der NSU-Untersuchungsausschuss in Stuttgart beschäftigt sich seit Anfang | |
> März mit dem Fall Florian H. – und mit der sogenannten Neoschutzstaffel. | |
Bild: Der PKW, in dem Florian H. verbrannte, in Stuttgart-Bad Cannstatt. | |
STUTTGART taz | In Baden-Württemberg durchleutet der | |
NSU-Untersuchungsausschuss den Komplex rund um den Hinweisgeber zum | |
Heilbronner Polizistenmord, Florian H., der sich in seinem Auto angeblich | |
selbst verbrannte. In dieser Woche nahm das LKA überraschend wieder die | |
Arbeit in dieser Sache auf. Die „zwei radikalsten Gruppen Deutschlands“ | |
seien der NSU und die NSS – NSS stehe für Neoschutzstaffel, die im Raum | |
Heilbronn aktiv sei. Das sagte Florian H., ein junger Mann aus der rechten | |
Szene, schon im Januar 2012 gegenüber Ermittlern des LKA. | |
Doch keine Sicherheitsbehörde kannte diesen Begriff NSS. Florian H. wurde | |
ohnehin für eher unglaubwürdig gehalten. Doch in der vergangenen Woche, | |
möglicherweise nach harrscher Kritik aus dem NSU-Untersuchungsausschuss an | |
der Ermittlungsarbeit, hat die Ermittlungsgruppe, die braune Strukturen in | |
Baden-Württemberg benennen sollte, noch einmal die Arbeit aufgenommen: zu | |
den Aussagen von Florian H. Der NSU-Untersuchungsausschuss in Stuttgart | |
beschäftigt sich seit Anfang März mit dem Fall Florian H. | |
Der damals 21-jährige mit rechtsradikaler Szeneerfahrung soll sich am 16. | |
September 2013 am Morgen vor einer Vernehmung durch LKA-Mitarbeiter in | |
seinem eigenen Fahrzeug verbrannt haben. Weil die Staatsanwaltschaft von | |
Selbstmord ausging, wurden die Ermittlungen eingestellt. Den von der | |
Familie H. geäußerten Vermutungen, Florian H. könnte wegen seines | |
Ausstiegsbemühungen aus der rechten Szene bedroht oder gar in den Tod | |
getrieben worden sein, wurde nicht weiter nachgegangen. | |
Das LKA wollte Florian H. am Abend des 16. September 2013 erneut befragen – | |
auch zu seinen Kenntnissen über die NSS. Bislang hatte man ihm nicht | |
geglaubt, und zur Befragung kam es wegen seines Todes nicht mehr. Florian | |
H. war im Januar 2012 erstmals zur NSS befragt worden. Damals habe er | |
erzählt, berichten Ermittler vor dem Untersuchungsausschuss, dass ihn ein | |
gewisser Matze, der ihn in die Szene eingeführt habe, auch zu einem | |
angeblichen Treffen von NSU und NSS in Öhringen begleitet habe. | |
Dieser Matze habe auffällige Tattoos: ein Hakenkreuz am Armt und ein | |
NSS-Logo an der Hüfte. Dieser Matze konnte laut Ermittlern nie ausfindig | |
gemacht werden – bis jetzt. In der vergangenen Woche wurde nach Angaben | |
eines Kriminalhauptkommissars, der am Donnerstag ebenfalls vor dem | |
Untersuchungsausschuss aussagte, ein Mann von den Ermittlern identifiziert, | |
der die zwar nicht Matze heiße, aber die beschriebenen Tattoos trage. | |
## „Die Szene neigt zum Zynismus“ | |
Die Ermittlungsgruppe habe einen Hinweis erhalten, der die Identifizierung | |
nun möglich gemacht habe. Was Florian H. zu dem Erscheinungsbild dieser | |
Person gesagt habe, stimme. Eine Kriminaloberkommissarin des LKA, die | |
gestern ebenfalls vor dem Untersuchungausschuss ausagte, hatte Florian H. | |
im Januar 2012 als unglaubwürdig eingestuft. Sie hatte ihn zum angeblichen | |
Treffen des NSU und NSS in Öhringen befragt. Florian H. soll die | |
Ermittlerin damals zum Haus der Jugend in Öhringen geführt haben, wo er das | |
Treffen stattgefunden haben soll. | |
Die Ermittlerin geht dem nach, jedoch ohne Erfolg: In der fraglichen Zeit | |
waren offiziell Veranstaltungen des Stadtjugendreferats und einer | |
griechischen Folkloregruppe angemeldet. Der Abgeordnete Blenek fragte nach: | |
„Die Szene neigt zum Zynismus“, ob es nicht sein könne, dass die | |
griechische Folkloregruppe nur ein Deckname sei. Die Ermittlerin wiegelt | |
ab, eine Frau bei der Stadtverwaltung lege ihre Hand dafür ins Feuer, dass | |
bei der Saalbelegung alles ordnungsgemäß zugehe. | |
Auch sie ist sich sicher: Florian H. habe sie angelogen. „Er war kein | |
Pokerface, man hat in schnell durchschaut“, sagt sie. Ihre Einschätzung sei | |
vom Staatsschutz bestätigt worden, wo Florian H. auf ihre Nachfrage als | |
„unterdurchschnittlich intelligenter Mitläufer der rechten Szene“ | |
beschrieben wurde. Damals war die NSS keiner Sicherheitsbehörde in | |
Baden-Württemberg bekannt. | |
Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) ist überrascht über die | |
neuen Ermittlungen im Umfeld von Florian H.: „Das ist ja gut so! Aber wer | |
hat es veranlasst?“ Darüber wollte der LKA-Ermittler die Parlamentarier | |
allerdings nur in nichtöffentlicher Sitzung informieren. | |
13 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Lena Müssigmann | |
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