# taz.de -- Streit um Bremer Museum Weserburg: Geld kann man nicht ausstellen | |
> Die Stadt Bremen will Europas erstes Sammlermuseum abwickeln. Sie | |
> verkauft es stattdessen als eine „radikale Neuaufstellung“. | |
Bild: Auf Sand gebaut ist weniger die Weserburg als Bremens Kulturpolitik. | |
In der Krise gelingen oft die stärksten Auftritte. Der äußere Druck zwingt | |
dazu, sich auf die eigenen Fähigkeiten zu besinnen und die ursprünglichen | |
Ideen. Während die Bremer Lokalpolitik noch die Idee wälzt, eine Abwicklung | |
von Europas erstem Sammlermuseum als „radikale Neuaufstellung“ zu tarnen, | |
gelingt der Weserburg mit „Art in Music“ eine hervorragende Ausstellung, | |
die in ihrer Coolness besser als jedes Pamphlet demonstriert, was so ein | |
Sammlermuseum kann. | |
„Art in Music“, aus der Sammlung von Siggi Loch gespeist, ist keine | |
motivgeschichtliche Schau und beschränkt sich nicht einmal auf Arbeiten, | |
die von sich aus etwas mit Musik zu tun hätten. Klar, da ist „Dharma Wheel | |
Turns“, eine tolle Plastik, die Nam June Paik 1990 komponiert hat aus allen | |
Aggregatzuständen, die Tonträger bis dahin angenommen hatten – von der | |
Schellack-Scheibe bis zur CD. | |
Und das von Eduardo Arroyos 1992 fürs Cover einer Schallplatte gemalte | |
„Jazzpaña“-Quadrat, eine iberische Henri-Matisse-Reminiszenz, dient als | |
Ausstellungsplakat. | |
Aber von sich aus geben überraschend wenige der gezeigten Bilder, Multiples | |
und Plastiken ihre Beziehung zur Tonkunst preis – falls sie eine haben: | |
Jiri Gellers filigrane Kleinplastik etwa mit Sternformen, die bedrohlich | |
spitz in Cadmiumgelb und Kreischpink wie Funken aus einem imaginären | |
Zentrum spritzen – wo wäre ihr Klang? | |
## Nimmersatte Lust, Talente aufzuspüren | |
Ihre Musikalität ist eine Behauptung. Ihr Garant – der Sammler: Loch ist | |
Musikproduzent. Ein bedeutender, seit Anfang der 1960er Jahre schon, Klaus | |
Doldinger, Katja Ebstein sind seine Namen damals, und sein Label, ACT, | |
prägt seit 1991 den europäischen Modern Jazz durch eine nimmersatte Lust, | |
Talente aufzuspüren. | |
„Es geht um den Spirit“, sagt Loch. Jazz nennt er „die Freiheit, sich in | |
einer Gruppe von Gleichgesinnten auszudrücken“. So umfassend und zugleich | |
subjektivistisch ist auch sein Zugriff auf Kunst: „Ich sammle Bilder, die | |
mich spontan anspringen.“ Und die er oft – im Einverständnis mit den | |
KünstlerInnen – für Plattencover nutzt. | |
Ein Sammlermuseum ist ein Sparmodell: Es braucht keinen eigenen Fundus. Es | |
sammelt Sammler – erforscht deren Schatzkammern und bestückt daraus | |
Ausstellungen. Der kunsttheoretische Mehrwert: Sammeln ist eine wichtige | |
Art der Rezeption, die das Werk mitprägt – seinen Resonanzraum, seine | |
Bedeutungen. Und im Sammeln, das seine Entscheidung fürs Objekt nicht | |
schamhaft hinter rationalisierenden Legitimationsdiskursen verbirgt, lässt | |
sich beobachten, wie Kunst Leidenschaft entfacht – außer es wird nur im | |
Hinblick auf erwartete Wertsteigerung unternommen. | |
## „Ein Teil des Problems" | |
Denn „auch solche Sammler gibt es“, hatte Loch, seit Gründung der Weserburg | |
dem Museum verbunden, bei der Preview der Ausstellung gesagt. Und dass sie | |
„ein Teil des Problems dieses Museums“ seien. | |
Nach dem wenig aufs Publikum schielenden Gründungsdirektor Thomas Deecke | |
wurde mit Carsten Ahrens ein Kunstvermittler verpflichtet, der seine | |
Begeisterung für einzelne Positionen wunderbar kommunizieren kann, dem das | |
konzeptionelle Denken aber nicht so liegt, und das Organisatorische – oh | |
je. | |
Solange er in Zusammenarbeit mit InvestmentsammlerInnen durch | |
Einzelkünstlerschauen – Immendorff gleich nach dem Tod, Helmut Newtons | |
große Nackte – Publikum zog, war’s die Kulturverwaltung zufrieden. Dann | |
brachte er sich und sein Museum durch spektakuläre Bildverkäufe unter | |
Zugzwang. Bei Sotheby’s hatte Franz Gertschs Gemälde „Luciano I“ 1,3 | |
Millionen Pfund Sterling erbracht, das Gemälde „Matrosen“ von Gerhard | |
Richter sogar 13,2 Millionen US-Dollar. | |
## Bedrückend banales Zukunftskonzept | |
Geld kann man nicht ausstellen. Wenn es da ist, muss man was damit | |
anfangen: Also redete man über die Weserburgimmobilie, ob ein Neubau nicht | |
viel schicker wäre als das jetzige Gebäude, eine frühere Kaffeerösterei. | |
Dann platzten die Träume vom neuen Haus, aber der Eindruck, die Weserburg | |
müsse sich „neu aufstellen“, blieb. Wie, das konnte Ahrens nicht erklären: | |
Kurz nach der Präsentation eines bedrückend banalen Zukunftskonzepts | |
demissionierte er. | |
„Combining the unexpected“ – das sei es für ihn, sagt Siggi Loch, Warhol | |
und Motherwell, Büttner und Richter. Jenseits der Kunst jedoch können | |
unerwartete Kombinationen Interessenkollisionen bedeuten: So ist das Museum | |
privat, der Träger eine Stiftung. Der Stiftungsratsvorsitzende aber, Klaus | |
Sondergeld (SPD), ist Diener der SPD-geführten Verwaltung. Und während die | |
Haushaltsnotlagelandesregierung möglichst nix ausgeben will, hat das Museum | |
laut vom Senat 1990 unterzeichneter Stiftungsurkunde Anspruch auf | |
„auskömmliche Finanzierung“. | |
Ein guter Stiftungsratsvorsitzender müsste das einklagen. Sondergeld aber | |
bemüht sich seit drei Jahren um einen finanziell weniger aufwendigen | |
Zustand. Und statt über die vom Team um den Gründungskurator und | |
kommissarischen Direktor Peter Friese gestemmten Ausstellungen zu jubeln | |
und ihnen die Massen zu erschließen, die sie verdienen, pumpt Bremens | |
Kulturpolitik heiße Luft in ökonomisch motivierte Kurzschlussideen wie die | |
Vorstellung einer räumlichen Angliederung an die Kunsthalle. | |
Oder, ganz frisch, die Idee der Reduktion auf einen Showroom. Für den nennt | |
man das Hamburger Bucerius-Forum als Vorbild – was manche als Finte sehen. | |
Denn: So etwas wäre unbestreitbar kein Museum mehr. Mit einem solchen | |
Wegfall des Stiftungszwecks wäre auch die Zahlungsverpflichtung perdu. | |
Genau wie die namhaften Sammler, die in Bremen ihre Bestände sicher auch | |
veredeln – aber vor allem zeigen. | |
6 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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