| # taz.de -- Steuerkunst: Bremen sorgt für Glanz in Nürnberg | |
| > Die Kunstsammler Böckmann und Schnepel zeigen ihre größten Schätze nicht | |
| > mehr in Bremen - weil es sich auf keine Steuerdeals mehr einlässt | |
| Bild: Jenseits von Bremen zieht Gerhard Richter viel Aufmerksamkeit auf sich | |
| Mit einiger Hitze diskutiert Bremens Kunstszene derzeit einen Vorgang, der | |
| bereits gut fünf Jahre zurückliegt. Die Kulturbehörde habe die Anbindung | |
| zweier wichtiger Sammlungen an die Stadt verpatzt heißt es – immerhin der | |
| weltweit drittgrößten Sammlung mit Gerhard-Richter-Gemälden und | |
| Deutschlands zweitgrößter Fluxus-Sammlung. Die Pressestelle der | |
| Kulturstaatsrätin bezeichnet das schlicht als „eine alte Debatte“. | |
| Tatsächlich hatte eine öffentliche Auseinandersetzung jedoch nie | |
| stattgefunden. Selbst gestandenen Kulturpolitikern war der Sachverhalt | |
| vollkommen neu. | |
| Oft kommt Verschüttetes zufällig zum Vorschein. So im November des letzten | |
| Jahres. Da wurde in der Weserburg die Ausstellung des Malers ter Hell | |
| eröffnet. Die knapp 50 großformatigen Werke stammen aus der Sammlung des | |
| Rechtsanwalts Georg Böckmann, dem Chef des Berliner Wirtschaftsprüfungs- | |
| und Steuerberatungsunternehmens Trinavis. | |
| Zur Eröffnung der Ter-Hell-Schau war Böckmann angereist. Im Laufe des | |
| Abends kam die Frage auf, warum 2013 ein Konvolut aus insgesamt 69 | |
| Arbeiten, darunter neben Werken von Isa Genzken, A. R. Penck und Gotthard | |
| Graubner auch 34 Gerhard-Richter-Bilder, als Dauerleihgabe an das neue | |
| Museum Nürnberg ging. In Nürnberg war die Freude über die Sammlung riesig | |
| gewesen, ebenso der Erfolg: Während einer dreimonatigen Richter-Einzelschau | |
| konnte das Museum ein Plus an 40.000 Besuchern verzeichnen. | |
| Bremen hätte näher gelegen: Immerhin gehört Böckmann zu den Gründern des | |
| Sammlermuseums und engagiert sich dort im Stiftungsrat. Und tatsächlich | |
| hatte der Sammler ursprünglich den Wunsch, die Bilder längerfristig an die | |
| Weserburg zu binden. Böckmanns Bedingung für die Dauerleihgabe war die | |
| Anmeldung seiner Sammlung als steuerbefreite Stiftung. Heute möchte er über | |
| das Thema nicht mehr sprechen. | |
| Umso mehr rumort es in der Kunstszene. Man fragt sich, wie die Weserburg, | |
| wie die Stadt Bremen mit einer solchen Sammlung heute aufgestellt wären. | |
| Claas Rohmeyer, kulturpolitischer Sprecher der CDU, sieht den Schaden weit | |
| über die Kulturpolitik hinaus: „Sollte das in seiner ganzen Dimension wahr | |
| sein, beträfe es auch Tourismus und Wirtschaft“, äußert er gegenüber der | |
| taz. | |
| Böckmann ist kein Einzelfall. Ähnlich scheint es dem Sammlerehepaar Walter | |
| und Maria Schnepel ergangen zu sein. Noch 2008 habe man ihnen aus dem | |
| Kulturressort heraus suggeriert, berichtet Walter Schnepel, man würde seine | |
| Fluxus-Sammlung als steuerbefreite Stiftung als Dauerleihgabe an die | |
| Weserburg holen. Dann hieß es 2010 aus dem damals von Jens Böhrnsen (SPD) | |
| geführten Ressort, man verschiebe die Anmeldung auf nach der Wahl 2011. Im | |
| Jahr darauf erhielten sowohl die Schnepels als auch Böckmann auf Nachfrage | |
| hin eine Absage. | |
| Die Sammlung Schnepel ist auch inhaltlich für Bremen von großer Bedeutung, | |
| weil sich in ihr die engen Beziehungen zwischen dem Künstler Wolfgang | |
| Hainke und dem Galeristenehepaar Seinsoth niedergeschlagen haben. Heute | |
| befindet sich die Sammlung in Ungarn. Im Sommer eröffnet eine große | |
| Sammlungspräsentation im Budapester Museum Ludwig. | |
| Eine von Erbschaftssteuer befreite Stiftung, wie sie die zwei Sammler | |
| wünschten, ist steuerrechtlich ein Sonderfall. „Unter bestimmten | |
| Bedingungen ist eine solche Befreiung möglich“, so der auf einschlägig | |
| spezialisierte Berliner Rechtsanwalt und Kunsthistoriker Berthold | |
| Schmidt-Thomé zur taz. „Grundlage wäre ein besonderes öffentliches | |
| Interesse an den Sammlungen“, so Schmidt-Thomé. Das sei aber in beiden | |
| Fällen „mehr als gegeben“. Die Kulturbehörde erklärt der taz, es hätte | |
| rechtlich keine Möglichkeit gegeben, die Sammlungen anzuerkennen. | |
| Schmidt-Thomé sieht im Umstand, „dass solcherlei Befreiungen in anderen | |
| Bundesländern praktiziert werden“ einen Beleg dafür, „dass es keine | |
| rechtliche, sondern eine politische Frage“ sei. | |
| Der Direktor der Bremer Kunsthalle, Christoph Grunenberg, erklärt gegenüber | |
| der taz, der Bremer Umgang mit Sammlern sei ein Problem, das weit über den | |
| Umgang mit den Sammlern Böckmann und Schnepel reiche: „Fakt ist, dass | |
| Museen auf dem Kunstmarkt nur noch selten mithalten können.“ Sie seien | |
| daher „auf Geschenke von Privatsammlern angewiesen“. Deshalb könne „für | |
| Museen eine ungünstige gesetzliche Regelung zur Erbschaftssteuer ein klarer | |
| Nachteil sein“. Grunenberg bewertet es als „Verlust für die Kultur der | |
| Stadt, wenn hochkarätige Werke oder Sammlungen nicht nach Bremen kommen“. | |
| Auch die Kunsthalle habe „leider schlechte Erfahrungen mit den | |
| gegenwärtigen juristischen Gegebenheiten zur Erbschaftssteuer“ gemacht. | |
| Angekommen zu sein scheint an der Spitze des Kulturessorts wenigstens, dass | |
| der Böckmann-Sammlung eine gewisse Bedeutung zukommt: Als bei der | |
| Kulturdeputation im Februar die mageren Besucherzahlen der Weserburg | |
| thematisiert wurden, hielt Staatsrätin Carmen Emigholz (SPD) dem | |
| Sammlermuseum als Muster des Erfolgs ausgerechnet das Neue Museum Nürnberg | |
| vor – und dessen rasanten Publikumszuwachs. | |
| 19 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Radek Krolczyk | |
| ## TAGS | |
| Museum Weserburg | |
| Gerhard Richter | |
| Neue Nationalgalerie | |
| Museum Weserburg | |
| Bremen | |
| Bremen | |
| Gerhard Richter | |
| Bremen | |
| Kulturpolitik | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Isa Genzken in der Neuen Nationalgalerie: Der Wind hat gedreht | |
| Die Neue Nationalgalerie Berlin widmet Isa Genzken eine Einzelschau. Der | |
| Reformstau bei der Preußenstiftung hat mit ihrer Oberflächlichkeit zu tun. | |
| Anonymer Sammler im Sammlermuseum: Elend, Ästhetik und Moral | |
| Die Weserburg sendet zum Abschied von Direktor Friese ein Lebenszeichen mit | |
| großen Namen, eindrucksvollen Werken und einem Versteckspiel. | |
| Bewegende Kunst: Mehr Leben durch Tod | |
| Zum 25-jährigen Bestehen des Museums schockt und lockt die Weserburg mit | |
| Werken aus der Sammlung Reydan Weiss | |
| Museen geht der Nachwuchs aus: Die Angst vor der Kunst | |
| In Bremer Museen kamen zuletzt viel weniger BesucherInnen als noch vor ein | |
| paar Jahren. Die CDU fordert deshalb nun freien Eintritt für alle | |
| SchülerInnen. | |
| Sammler vergrault: Kein Deal mit den Mäzenen | |
| Der Denkmalschutz ist schuld daran, dass zwei wertvolle Sammlungen nun | |
| anderswo zu sehen sind, sagt das Kulturressort. Die Politik wollte sie | |
| nicht, sagt die CDU. | |
| Ende einer Debatte: Die Weserburg wird gerettet und saniert | |
| Deutschlands erstes Sammlermuseum mit Gegenwartskunst soll bis 2020 | |
| jährlich 1,3 Millionen Euro bekommen. Das ist zu wenig, sagt der Direktor. | |
| Streit um Bremer Museum Weserburg: Geld kann man nicht ausstellen | |
| Die Stadt Bremen will Europas erstes Sammlermuseum abwickeln. Sie verkauft | |
| es stattdessen als eine „radikale Neuaufstellung“. | |
| Fluxus Sammler aus dem Pott: Die Werke kamen frei Haus | |
| Mit der Ausstellung „Anybody can have an idea“ ehrt das Dortmunder Museum | |
| Ostwall zwei neugierige Sammler und Unterstützer von Fluxus. | |
| Zukunft der Weserburg: Die Rettung des Herrn Ahrens | |
| Obwohl Bremens Fachleute mit Kopfschütteln auf ein Konzept von Direktor | |
| Carsten Ahrens reagieren, darf der die Weserburg fünf weitere Jahre leiten. | |
| KUNSTWELT: Medienmacht missbraucht | |
| Das Museum Weserburg versucht morgen mit der Versteigerung eines | |
| Richter-Bildes den finanziellen Befreiungsschlag. Zur Vorgeschichte gehört | |
| der Versuch der Bremer Sammlerin "Madame Tu", das Museum für die | |
| Wertsteigerung ihrer Kunstwerke zu instrumentalisieren. Und der Versuch des | |
| Geschäftsführers des "Weser Kuriers", Ulrich Hackmack, Druck für die | |
| Interessen der Geschäftsfrau zu machen. |