| # taz.de -- Fluxus Sammler aus dem Pott: Die Werke kamen frei Haus | |
| > Mit der Ausstellung „Anybody can have an idea“ ehrt das Dortmunder Museum | |
| > Ostwall zwei neugierige Sammler und Unterstützer von Fluxus. | |
| Bild: Nicht gerade ein spektulärer Anblick: Detail aus George Brechts „Three… | |
| Zwischen vielen deutschen Kunstmuseen scheint inzwischen ein unerklärter | |
| Wettbewerb ausgebrochen zu sein, wer die teuersten Gemälde, Skulpturen und | |
| Installationen von einer Reihe immergleicher Kunststars aufbieten kann. | |
| Während der Kunstmarkt der Börse vor der Bankenkrise immer ähnlicher wird | |
| und dauernd neue Rekordpreise für die Werke von Koons, Richter und | |
| neuerdings sogar Norman Rockwell gemeldet werden, füllen viele deutsche | |
| Museen ihre Wände und Hallen mit möglichst großen Gemälden und möglichst | |
| raumgreifenden Installationen von Künstlern, die bei reichen Sammlern | |
| beliebt sind. | |
| Beim Versuch, bei der internationalen Kunstspekulation mitzuhalten, sind | |
| etwa der Hamburger Bahnhof und die Neue Nationalgalerie in Berlin | |
| inzwischen zu Showrooms für die hastig zusammengeraffte Sammlung Flick | |
| degeneriert. | |
| Nicht alle Museen in Deutschland machen bei diesem Wettrüsten mit – sei es | |
| nun aus Überzeugung oder mangels Masse. Das Museum Ostwall in Dortmund zum | |
| Beispiel setzt auf die Kunst der Nachkriegsmoderne, die – da ohne | |
| Spektakelwert – nicht von russischen Oligarchen oder arabischen Ölscheichs | |
| gekauft wird. | |
| Schon in der hohen Eingangshalle wird man von spröder Konzeptkunst und | |
| Fluxus-Werken empfangen, die so gar kein „eye candy“ sind: An der linken | |
| Wand hängt Jochen Gerz’ „Das Geschenk“, hunderte strenge | |
| Schwarz-Weiß-Porträts von ganz normalen Dortmundern, die 2000 bei einer | |
| Kunstaktion entstanden. Rechts steht ein weiß gestrichener Stuhl neben | |
| einer Garderobenstange und unter einer Hutablage – auch diese Installation | |
| „Three Arrangements“ von George Brecht ist nicht gerade ein spektakulärer | |
| Anblick. | |
| ## Für den Kopf gemacht | |
| Doch es sind genau solche „nicht-retinalen“ (Duchamp) Werke, die das | |
| Eigentliche der Kunst der Moderne sind, gemacht für den Kopf, nicht für das | |
| Auge. Was folgt, sind zwei Etagen kinetische Kunst, Gruppe Zero, Fluxus, | |
| Performance, Konzeptkunst, Vostell, Beuys. | |
| „Ausgerechnet in Dortmund“, mag man da denken. Die ehemalige Industriestadt | |
| im Ruhrgebiet ist nicht unbedingt als Ort der Musen bekannt. Doch gerade | |
| wegen seiner Lage im Pott hat das Dortmunder Museum eine Reihe von | |
| Sammlungen von lokalen Sammlern erhalten, die sein sehr spezielles Profil | |
| prägen. Außer der Bremer Weserburg und der Stuttgarter Staatsgalerie – die | |
| 1981 die Sammlung von Hanns Sohm erhielt – dürfte kein anderes Museum in | |
| Deutschland eine so vielfältige und umfangreiche Kollektion von | |
| Fluxus-Werken besitzen. | |
| Wie der Zahnarzt Sohms waren es auch im Ruhrgebiet dem Kunstbetrieb relativ | |
| fremde Leute, die beachtliche Sammlungen von Fluxus-Arbeiten zu einer Zeit | |
| aufbauten, als die Künstler dieser Bewegung noch kaum ernst genommen | |
| wurden. Da war zunächst einmal der Remscheider Werkzeugfabrikant Wolfgang | |
| Feelisch, der aus purer Neugier in die rheinische Kunstszene der 60er Jahre | |
| rutschte. | |
| ## Kunst für wenig Geld | |
| 1966 gründete er den VICE-Versand, bei dem es unlimitierte Editionen von | |
| Künstlern wie Wolf Vostell, Hans-Peter Alvermann, Ben Vautier oder Thomas | |
| Bayrle für 8 Mark pro Stück zu bestellen gab. Analog zum billigen | |
| Taschenbuch sollten so Kunstwerke für wenig Geld demokratisch unters Volk | |
| gebracht werden. Das bekannteste und erfolgreichste Werk, das VICE | |
| vertrieb, war ein leeres Holzkistchen von Joseph Beuys, in das der Künstler | |
| mit Bleistift „Intuition“ geschrieben hatte. | |
| Feelisch kommunizierte und kooperierte über mehrere Jahrzehnte mit seinen | |
| Künstlern und baute nebenbei eine beachtliche Sammlung von wichtigen | |
| Fluxus-Arbeiten auf. Als Werbung für seinen Versand hatte er in der | |
| Remscheider Fußgängerzone eine Vitrine gemietet, in der er Werke der von | |
| ihm vertretenen Künstler zeigte. Dort entdeckte Hermann Braun, Angestellter | |
| der Deutschen Edelstahlwerke, 1972 einige Arbeiten von Joseph Beuys, die | |
| ihn faszinierten. | |
| Wie Feelisch geriet auch der Ingenieur ohne künstlerische Vorbildung, der | |
| auf Fotos meist mit Jackett und Krawatte zu sehen ist, in den folgenden | |
| Jahren in die rheinländische Kunstszene und baute eine Sammlung mit Werken | |
| von Künstlern wie George Brecht, Alison Knowles, Dick Higgins und Robert | |
| Watts auf. Viele dieser „Werke“ musste Braun gar nicht kaufen; sie kamen | |
| frei Haus. | |
| ## Mit allen korrespondieren | |
| Denn Fluxus war die Kunst der globalen Kommunikation, und ihre Macher waren | |
| offensichtlich begeistert, mit allen zu korrespondieren, die sich für ihre | |
| Kunst interessierten – und sei es auch ein Ingenieur aus Remscheid. So | |
| finden sich in der Sammlung des inzwischen verstorbenen Sammlers viele | |
| künstlerisch gestaltete Postkarten, Briefe und Konzepte für Performances | |
| und Aktionen, aber auch Miszellen wie „Beer Zen“ von Nam Jun Paik: ein vom | |
| Künstler 1983 zerfitzelter und signierter Bierdeckel. | |
| Feelisch und Braun begleiteten die Karrieren ihrer Künstler jahrzehntelang. | |
| Sie kauften Kunst nicht, weil sie sich Wertsteigerungen erhofften oder weil | |
| sie dekorativ war, sondern weil sie an ihre Schöpfer glaubten und ihre | |
| Ideen interessant fanden – und gelegentlich wohl auch, um diesen aus | |
| finanziellen Engpässen herauszuhelfen. 2012 erwarb das Museum Ostwall – das | |
| mit der Sammlung Cremer schon seit 1991 eine repräsentative Auswahl von | |
| Avantgardekunst zwischen 1950 und 1970 besitzt – die beiden Sammlungen, und | |
| hat inzwischen zwei feine Kataloge der Neuerwerbungen produziert. | |
| Wer das Museum an seinem Standort im „Dortmunder U“ – dem ehemaligen | |
| Produktionsort der Unions-Brauerei in der Nähe des Hauptbahnhofs – besucht, | |
| findet dort Vitrinen voller allerliebster kleiner Arbeiten, die das genaue | |
| Gegenteil auratischer Meisterwerke sind: Multiples, Editionen, | |
| Künstlerpostkarten, Poster, Partituren für Aktionen und Performances. Die | |
| Arbeiten, die hier zu sehen sind, mögen zwar keine riesigen Museumsräume | |
| füllen und plätten den Besucher auch nicht durch ihre schiere Größe. Aber | |
| sie werden auch dann noch intellektuell anregend sein, wenn sich niemand | |
| mehr an die Spekulationskünstler der Gegenwart erinnert. | |
| ## ■ Bis 8. Februar. Museum Ostwall, Dortmund | |
| 13 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Tilman Baumgärtel | |
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| Museum Weserburg | |
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