# taz.de -- Ausgedrückte Farbe: Autoritäres Chaos | |
> Zum Star der Neuen Wilden hat ter Hell es in den 1980ern nicht gebracht. | |
> Die Bremer Weserburg zeigt, dass es dafür gute Gründe gab. | |
Bild: Beachtungsbedürftig: Maler ter Hell hopst wild vor einem Bild herum | |
Das Schlimmste an Malern wie ter Hell ist ihr vollkommen grundloses | |
Selbstbewusstsein. Nicht im persönlichem Auftreten – das ist bei Malerei | |
egal. Aber in Farbauftrag, etwa, und Größe. Ansehen lässt sich das nun ganz | |
genau in der Bremer Weserburg: Aktuell sind dort einige Bilder des | |
erwähnten deutschen Malers zu sehen, knapp 50 sind es insgesamt, ganz schön | |
viele also. Sie alle stammen aus der Kollektion von Georg Böckmann, einem | |
der Gründersammler der Weserburg. | |
Die Formate der Leinwände also sind riesig. Die aufgetragenen Striche sind | |
fett, die Farbschichten feist, die Farben knallig. Zum Beispiel hier: Auf | |
einer nahezu quadratischen Fläche sind in Schwarz und Rot zwei | |
aneinanderliegende Ringe zu sehen. Wesentlich hellere Linien geben eine | |
rotierende Bewegung vor. Verbindend zwischen den Kreisformen: eine | |
unförmige schwarze Form. Das Innere des rechten Rings ist mit schwarzen und | |
roten Punkten besprenkelt. | |
„Weltbild IV“ heißt das Bild, entstanden 1980. Mit zweieinhalb mal drei | |
Metern gehört es zu den kleineren Arbeiten von ter Hell. Dies alles gemalt | |
in jenem Duktus der frühen 80er Jahre: frei geschwungene große Linien, | |
Chaos und Kraft. Ein wenig erinnert es an die informelle Malerei der frühen | |
Nachkriegszeit, ein wenig auch an Höhlenmalerei oder Kinderzeichnung. | |
Als „Neue Wilde“ bezeichneten sich damals Künstler wie Martin Kippenberger, | |
Werner Büttner oder Salomé. Malerei spielte zunächst keine große Rolle – | |
schon gar nicht eine derart expressive Malerei: Die gehörte unter Opas | |
muffiges Sofa. Angesagt waren Concept- und Minimal-Art: Wenn schon Malerei, | |
dann monochrome. Kunst sollte als Teil der äußeren Wirklichkeit verstanden | |
werden. Sie war selbstreflexiv, legte den Blick frei auf ihre eigenen | |
Bedingungen; mit gemeint waren immer auch die Bedingungen der Welt. | |
Das sollte man in Bezug auf die Malerei der Neuen Wilden wissen. Direkt | |
gehört ter Hell, Jahrgang 1954, nicht zu dieser Gruppe, aber sein | |
Kunstverständnis und die Arbeitsweise entsprechen denen dieser Künstler in | |
weiten Teilen. Während so mancher von denen aber für einige wenige Jahre | |
zum Star der internationalen Kunstszene wurde, blieb ter Hell der Erfolg | |
zur rechten Zeit verwehrt. Die späte große Ausstellung im Museum hat er | |
seinem Sammler zu verdanken. | |
Das „Weltbild“ eines ter Hell ist, das sieht man auch an dem eingangs | |
beschriebenen Gemälde, auf das eigene Künstlersubjekt konzentriert: Es gibt | |
kein Außen und erst recht kein Moment der Selbstreflexivität. Die ganze | |
Welt ist bloßes Resultat der Kraft und des Willens eines Künstleregos. | |
Kraft und Chaos stehen dabei in einem engen Verhältnis: Das Chaos als | |
Ordnung der Welt entsteht durch die Kraft des Künstlers.Überhaupt ist das | |
so eine Sache mit der Kraft. Es gibt Malerei, in der die Kraft aus dem Bild | |
herauskommt, etwa durch dessen Komposition. Bei ter Hells Bildern ist Kraft | |
eine Frage des Schwungs, mit dem er seine Farben auf die Leinwände watscht. | |
Eine solche Art der Malerei ist autistisch und autoritär. Sie kann und will | |
neben den eigenen Impulsen nichts gelten lassen. „Ich habe eine Ordnung | |
hergestellt“, sagt ter Hell selbst über seine Bilder, „und diese Ordnung | |
zugleich unterlaufen.“ Das klingt komplizierter als es ist, denn | |
schließlich ist das Unterlaufen der eigenen Ordnung auch nichts anderes als | |
ein Teil dieser eigenen Ordnung. | |
Deshalb ist ter Hells Malerei wohl auch so schrecklich langweilig. Warum | |
sollte man sich dafür interessieren, dass da zu Beginn der 80er-Jahre | |
jemand sauer war in seinem Atelier? Und ter Hell war oft sauer, das kann | |
man in den Ausstellungsräumen auf dem Bremer Teerhof nun sehen. „Ja | |
Aggressionen, Expressivität spielten eine Rolle“, lässt der Maler sich | |
zitieren, „aber auch Ironie. Ich habe Farben auf Leinwände geschleudert.“ | |
Das kann man sehen. Nur die Ironie: Die sucht man auf seinen | |
Farbschlachtfeldern vergebens. Dazu ist ihm das eigene Befinden zu heilig. | |
13 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Radek Krolczyk | |
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