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# taz.de -- Wirksamkeit von Werbung: Wer knabbert, kauft nicht
> Kauen verhindert die Aufnahme von Reklamebotschaften. Wer also im Kino
> mit der Snacktüte raschelt, ist klar im Vorteil. Das hat neurologische
> Gründe.
Bild: Des Werbers Feind: Popcorn.
BERLIN taz | Popcorn gehört ins Kino wie die Oblaten in die Kirche. Das
laute Rascheln der Tüten mag Cineasten zwar zur Weißglut treiben, doch sind
vorschnelle Verurteilungen hier fehl am Platz. Denn eine Studie von Ende
September zeigt: Wer im Kino genüsslich knabbert, ist in den meisten Fällen
nicht nur immun gegen die zischelnden Forderungen nach Ruhe von den
umliegenden Plätzen, sondern ebenso gegen den Einfluss der vor den Filmen
gezeigten Werbung.
Der Grund dafür liegt in der Funktionsweise des menschlichen Gehirns:
Eigen- oder Produktnamen merken wir uns über deren unbewusste Aussprache.
Wenn wir Werbung sehen, simulieren die Muskeln in Lippe und Zuge
automatisch die Formulierung der angepriesenen Namen.
Begegnen wir diesen Namen erneut, gelingt uns deren Sprechsimulation
leichter, weshalb wir sie dann lieber mögen als unbekannte. Hat man beim
Werbungschauen allerdings den Mund voll Popcorn, Snacks oder Kaugummi, sind
die Muskeln mit etwas anderem beschäftigt, als Namen nachzuahmen. Damit
entfällt aber der für die Werbung so wichtige Erinnerungseffekt.
Das fand eine Forschungsgruppe um den Psychologen Professor Sascha
Topolinski an der Universität Köln nun in einem Feldversuch heraus. Dafür
zeigte sie Kinobesuchern Werbespots für ihnen unbekannte Produkte. Die eine
Hälfte der Probanden durfte dabei Popcorn naschen, die andere lediglich ein
Stückchen Zucker. Eine Woche später wies die Gruppe der Zucker lutschenden
Teilnehmer eine positive Vertrautheit mit den beworbenen Produkten auf, die
Popcorn-Esser hingegen verhielten sich indifferent.
Nun könnte man einwenden, wer statt Popcorn nur Zucker bekommt, der sei
möglicherweise empfänglicher für einen beworbenen Schokoriegel als jemand
mit einem Eimer Popcorn auf dem Schoß. Bei den meisten Produkten handelte
es sich jedoch um Artikel wie Seifen, Zeitschriften oder
Wohltätigkeitsorganisationen. Topolinski stellt klar: „Dass mein
Konsumbedürfnis für Shampoo oder Spendenaufrufe durch Popcorn sinkt und
durch Zucker steigt, ist wenig plausibel.“ Vielmehr immunisiere die
Kaubewegung generell gegen Werbung.
Für die Werbeindustrie hat Topolinski auch gleich eine Gegenstrategie
parat. Sie müsse ihr Publikum in relativ „mundfreien“ Situationen
erwischen, etwa indem im Kino Snacks erst nach dem Werbeblock verkauft
würden. Um der Werbung zu entgehen hilft dann nur noch der Rückgriff auf
eine alte, cineastenfreundliche Kulturtechnik: heimliches Knutschen, sobald
das Licht ausgeht.
18 Oct 2013
## AUTOREN
Lukas Böckmann
## TAGS
Werbung
Neurologie
Kino
Martin Kippenberger
Süßigkeiten
Werbung
Rüstung
Sexismus
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