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# taz.de -- Kaugummis auf Latex-Basis: Kauen für eine saubere Welt
> Es gibt sie tatsächlich: Öko-Kaugummis. Und sie haben Vorteile. Auf dem
> Massenmarkt haben sie sich aber noch nicht durchgesetzt.
Bild: Die meisten Kaugummis werden auf Erdölbasis hergestellt – nicht so Chi…
Berlin taz | So ein Öko-Kaugummi verspricht mitunter viel. Beim Verzehr
„kommen Sie dem Wesen und dem Geist des Regenwaldes näher“ und „gehen ei…
direkte Verbindung mit den Menschen des Waldes ein“, verkündet etwa ein
Hersteller auf seiner Website. Dabei will der Durchschnittskonsument doch
bloß den Geschmack vom Mittagessen loswerden. Hätte das nicht auch ein
normales Kaugummi geschafft?
Doch die Ökoware hat Vorteile. Die Kaumasse konventioneller Ware besteht
aus Kunststoffen und die werden aus Erdöl hergestellt – keine besonders
appetitliche Vorstellung, auf Kunststoff mit Geschmack herumzumümmeln.
Produzenten mit einem ökologischen Anspruch verwenden dagegen Chicle. Die
hellbraune zähe Masse wird aus Latex, dem Saft des Breiapfelbaums,
gewonnen. Manche der Produkte auf dem deutschen Markt rühmen sich zwar
dieses und anderer besonders natürlicher Inhaltsstoffe.
Doch ein Biosiegel haben sie trotzdem nicht immer – wie etwa die Produkte
Chicle X oder Xyli Vita. Und ihre Kaumasse besteht neben Chicle zu einem
großen Teil aus Kunststoffen, wie auch die Hersteller auf Nachfrage der taz
bestätigen. Die Kaugummis der Marke Chicza kommen dagegen ohne Kunststoffe
aus und sind biozertifiziert.
Chicle wächst in mittelamerikanischen Regenwäldern und produziert nur in
seiner natürlichen Umgebung ertragreich das benötigte Latex. Für die
Produktion wird die Rinde des Breiapfelbaums eingeritzt, damit der Saft
herausläuft – nach Angaben auf der Chicza-Homepage gibt es pro Ernte etwa 3
bis 5 Kilo Ertrag. Doch danach muss die Pflanze etwa sechs Jahre verheilen,
bevor ohne Schaden erneut geerntet werden kann.
## Wie Schokolade. Oder Recyclingpapier.
Für Begeisterung sollte Kaugummi aus Chicle bei Straßenreinigern sorgen.
Konventionelles Kaugummi klebt nämlich auf Straßen fest und bleibt dank
Kunststoffbasis einfach da, ohne sich zu zersetzen. Produkte aus Chicle
dagegen werden hart und zersetzen sich in der Witterung wie Laub.
Vorausgesetzt, sie beinhalten nur natürliche Stoffe.
Anders ist allerdings auch die Konsistenz, wie eine Probe des
Chicza-Kaugummis zeigt. In der Verpackung findet man eine Tafel, ähnlich
wie Schokolade. Allerdings hat sie die gräuliche Farbe von Recyclingpapier
und die faserige Struktur eines Holzbriketts. Nach Kaugummi fühlt sich das
Stück im Mund zunächst nicht an, sondern ein wenig bröckelig. Erst unter
exzessivem Kauen wird die Masse gummiartig und geschmeidig. Ein
unerwünschter Nebeneffekt: Auch der Geschmack des Kaugummis ist schnell
weg.
Bisher sind die ökologischeren Kaugummis aber auch nur ein Nischenprodukt.
Nach Angaben des Marktforschungsanbieters Biovista erzielte die Ökobranche
von Mai 2014 bis Mai 2015 einen Ertrag von 1,13 Millionen Euro mit
„natürlicheren“ Kaugummis. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das zwar eine
Steigerung um 9,9 Prozent. Am Gesamtumsatz des Fachhandels machen diese
Produkte trotzdem lediglich 0,03 Prozent aus.
Und tatsächlich sind die Kaugummis nur begrenzt verfügbar – in
Reformhäusern, Bioläden und Internet-Versandhandel. Für Discounter ist das
eher nichts: Aldi Süd etwa winkt ab und sagt, es handle sich um ein
„Nischenprodukt“. Sollte die Marktbedeutung zunehmen, denke man aber über
eine Aufnahme ins Sortiment nach.
## Wie in den 1940ern
Konventionelle Ketten interessieren den deutschen Vertreiber von Chicza,
die Firma Phyto Treasures, allerdings eh nicht. „Der Fachhandel möchte sein
eigenes Produkt haben. Denn warum sollte man in den Bioladen gehen, wenn es
die gleiche Ware auch im Supermarkt gegenüber gibt?“, erklärt
Vertriebsleiter Mike Albring.
Ganz neu ist die Verwendung von Chicle dabei auch in der konventionellen
Industrie nicht. Mitte der 1940er Jahre wurde mehr Chicle nachgefragt, als
die Bäume hergaben. Denn ihr natürliches Verbreitungsgebiet ist begrenzt.
Daraufhin wechselte die Industrie zu Kunststoff als Basis für ihren
Kaugummi. Sollte der Bedarf an Chicle wieder steigen, befürchtet etwa der
Experte Peter W. Alcorn eine Ausbeutung: ein verfrühtes Anzapfen der Bäume
noch vor dem Verheilen, zu viele und zu tiefe Schnitte oder etwa die Ernte
von zu jungen Pflanzen.
Optimistischer ist da Chicza-Vertreiber Albring: „Mit der momentanen
Chicle-Produktion könnte man schon einen großen Anteil des
Kaugummi-Angebots auf bio umstellen.“ Eine Welt, in der es nur
naturbelassenes Kaugummi gibt, ist aber zunächst unwahrscheinlich. Und
würde auch eine Welt ohne Blasen bedeuten – denn für die eignet sich das
Bio-Kaugummi eher nicht.
30 Jul 2015
## AUTOREN
Vincent Buss
## TAGS
Süßigkeiten
Recycling
Bio-Lebensmittel
Verletzung
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