# taz.de -- Prozess wegen Drehbuchbetrugs: Wie Kaugummi | |
> Die Ex-NDR-Fernsehspielchefin Doris Heinze ist unter anderem wegen | |
> Untreue angeklagt. Der Prozess zieht sich hin, obwohl die Lage so | |
> verzwickt nicht ist. | |
Bild: Wie in einem schlechten Fernsehkrimi: Vorne die Angeklagten, die Presseme… | |
Filibustern nennt man es, wenn im US-Senat Redebeiträge so in die Länge | |
gezogen werden, dass am Ende die eigentlich vorgesehene Abstimmung | |
ausfällt, weil alle nur nach Hause wollen. Doch wenn die Verteidigung im | |
Prozess gegen die ehemalige NDR-Fernsehspielchefin Doris Heinze gestern mit | |
der über drei Stunden dauernden Verlesung ihres 133-Seiten-Antrags vor der | |
8. Großen Wirtschaftsstrafkammer des Hamburger Landgerichts ähnliches | |
Bezweckte, lag sie falsch. Obwohl sich hier gleich zwei Anwälte abwechselnd | |
mühten, die Anklage durch Dauerreden in die Knie zu zwingen, und dem | |
Gericht vorwarfen, mit nur zwei Berufsrichtern für den komplizierten Fall | |
auch noch zu schmal besetzt zu sein: Der Antrag wurde abgelehnt. | |
Denn so verzwickt ist die Lage auch wirklich nicht: Heinze hatte als | |
NDR-Fernsehspielchefin nicht nur Drehbücher ihres Mannes Claus Strobel für | |
den NDR verfilmt, die dieser unter dem Pseudonym Niklas Becker schrieb, | |
ohne den Sender wie vorgesehen darüber zu informieren. Als „Marie Funder“ | |
hatte Heinze selbst in die Tasten gegriffen, Stoffe verfasst – und an den | |
eigenen Arbeitgeber beziehungsweise sich selber verkauft. Allerdings ohne | |
ihr Pseudonym offenzulegen – und für das volle Honorar. | |
Dabei hätte ihr als festangestellter ARD-Redakteurin nur die Hälfte | |
zugestanden. Neben Heinze und Strobel sitzt in Hamburg auch noch die | |
TV-Produzentin Heike Richter-Karst auf der Anklagebank, die für die | |
Produktionsfirma Allmedia die meisten verdeckten Projekte des Ehepaars | |
Heinze-Strobel abwickelte. Die Staatsanwaltschaft legt den Angeklagten | |
insgesamt 14 in der Zeit von November 2003 bis Juli 2007 begangene | |
Straftaten – Betrug, schwere Bestechlichkeit sowie Untreue – zur Last. | |
Arbeitsrechtlich hatten sich Heinze und der NDR schon 2010 verglichen. | |
Doch der Prozess hatte schon gleich zu Anfang seine Tücken, auch wenn die | |
alles andere als TV-tauglich sind. Während sich gestern die Verhandlung | |
wegen des Mammut-Antrags der Verteidiger von Heike Richter-Karst wie | |
Kaugummi zog, war der erste Termin viel schneller als geplant vorbei – und | |
dabei lief es irgendwie so gar nicht, wie sich die Beteiligten das | |
vorgestellt haben. Doris Heinze, ihr Mann Claus Strobel und Heinzes | |
Verteidiger Gerd Benoit waren tief ins Gespräch versunken, als sie am | |
Donnerstag voriger Woche das Hamburger Landgericht zu Fuß verließen. | |
## Aus dem Deal wurde nichts | |
Eigentlich hätten die Angeklagten schon da aussagen sollen, hätten Stellung | |
nehmen sollen zu den Vorwürfen. Doch gleich nach einer halben Stunde zogen | |
sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung zurück. Schöffen und die | |
Presse mussten auf dem Flur warten. Man wolle erneut versuchen, sich auf | |
einen Deal zu einigen: Die Angeklagten würden gestehen und dafür eine | |
mildere Strafe bekommen. Aber nach einer knappen Stunde war klar, daraus | |
wird nichts. Und vor allem die Oberstaatsanwältin Cornelia Gädigk war | |
sauer, schließlich war schon 2011 ein Versuch, den Prozess per „Deal“ zu | |
beschließen, gescheitert. Gädigk plädierte immer wieder für ein schnelles | |
Verfahren – und bekam als Quittung gestern die ganz große Vorlesung, fast | |
so lang wie „Vom Winde verweht“, aber nicht ganz so unterhaltend. | |
Der Prozess begann pünktlich morgens um neun, doch erst um halb drei ist | |
Heinze selber dran: „Ich hatte die ganze Zeit ein schlechtes Gefühl“, sagt | |
die heute 63-Jährige. „Ich weiß, dass das ein riesengroßer Fehler war, den | |
ich unendlich bedauere.“ Ein Geständnis ist das schon, aber Heinze spricht | |
fast stockend, hangelt sich von Punkt zu Punkt, hier und da raunt ihr | |
Anwalt Benoit noch einen Tipp zu. Es habe keine große Verschleierungstaktik | |
gegeben, vielmehr sei nach der Debatte um zu viel seichte Stoffe in der | |
ARD, um die „Süßstoffoffensive“ vor gut zehn Jahren, in der ARD „die | |
Stimmung gekippt“, sagt Heinze. Es habe plötzlich einen „Hautgout“ gehab… | |
wenn Redakteure selbst Drehbücher schrieben: „Worauf der Sender früher | |
stolz war, war plötzlich nicht mehr erwünscht“. | |
Die Pseudonyme für sich und ihren Mann seien daher die logische Konsequenz | |
gewesen: „Es war völlig klar, Claus Strobel schreibt unter Niklas Becker“, | |
so Heinze. Und das Motiv? „Ich fand die Stoffe meines Mannes wirklich gut | |
und wollte sie haben“ – und das „gilt auch für meine beiden Drehbücher.… | |
Große Nachfragen beim Sender gab es nicht: „Wenn ich gesagt habe, dass ich | |
bestimmte Projekte machen wollte, ging das auch.“ | |
Und schließlich hätten einige ihrer Stoffe – zum Beispiel „Die Freundin d… | |
Tochter“, auch richtig Erfolg gehabt, sekundiert Anwalt Benoit. Mindestens | |
elf Mal sei der Film schon wiederholt worden, „heute Abend läuft der auch“, | |
sagt Verteidiger Benoit. „Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich dazu | |
komme, ihn mir anzusehen“, meint Richter Bruns trocken. Und der Prozess? | |
Wird fortgesetzt. | |
Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Fassung dieses Textes war im | |
dritten Absatz die Produktionsfirma Ariane genannt, obwohl es sich um die | |
Firma Allmedia handelt. Wir bitten dies zu entschuldigen. | |
14 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
I. Kreuzträger | |
S. Grimberg | |
## TAGS | |
Süßigkeiten | |
NDR | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kaugummis auf Latex-Basis: Kauen für eine saubere Welt | |
Es gibt sie tatsächlich: Öko-Kaugummis. Und sie haben Vorteile. Auf dem | |
Massenmarkt haben sie sich aber noch nicht durchgesetzt. | |
ARD zeigt „Ein Job“ spät in der Nacht: Der lange Schatten der Doris H. | |
Fünf Jahre lag Christian Görlitz’ Krimikomödie „Ein Job“ beim NDR heru… | |
Freitag wird der Film gesendet – um 23.30 Uhr. Der Regisseur ist sauer. | |
Revision im NDR-Drehbuchprozess: Die Justiz jagt Marie Funder | |
Im Prozess um Doris J. Heinze gehen Staatsanwaltschaft und Verteidiger in | |
Revision. Die Ankläger fordern weiterhin eine dreijährige Haftstrafe. | |
Kommentar öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Leider nicht abwählbar | |
Korruption und Filz scheinen zum Alltag der öffentlich-rechtlichen | |
Fernsehanstalten zu gehören. Das Problem ist jedoch nicht das Versagen | |
Einzelner, es ist das System. | |
Urteil in der NDR-Drehbuchaffäre: Ende ohne Schrecken | |
Bewährungsstrafe für die Ex-Filmchefin des NDR, Doris Heinze. Sie hatte | |
ihrem Sender unter Pseudonym geschriebene Drehbücher verkauft. | |
NDR-Betrugsprozess gegen Doris Heinze: Familie Heinze-Strobel schwieg sich an | |
Im Prozess gegen die Ex-NDR-Fernsehspielchefin Doris Heinze gibt sich ihr | |
Mann arglos. Auch er hatte unter Pseudonym Drehbücher verfasst, die Heinze | |
produzieren ließ. | |
Drehbuchaffäre um Doris Heinze: Schon irgendwie klar | |
Am dritten Verhandlungstag im Prozess gegen Doris Heinze gab sich die | |
frühere NDR-Fernsehfilmchefin erschütternd ahnungslos. Der Prozess wurde | |
bis Mitte September verlängert. | |
NDR-Fernsehspielchefin: Prozess wegen Drehbuchbetrugs | |
Vor drei Jahren schmiss der NDR seine Fernsehspielchefin Doris Heinze raus. | |
Sie hatte unter Pseudonym Drehbücher verkauft. Am Donnerstag beginnt der | |
Prozess. | |
Ex-NDR-Fernsehspielchefin Heinze: Rätselhafte Selbstzerstörung | |
Während die Staatsanwaltschaft noch gegen sie ermittelt, klagt die | |
betrugsverdächtige Ex-NDR-Fernsehspielchefin Heinze gegen ihre Kündigungen | |
- warum bloß? | |
"Tatort" der Ex-NDR-Fernsehfilmchefin: Eine Branche ermittelt | |
Beim Krimifest brodelte es wegen der Doppelagentin Doris Heinze. Inkognito | |
schrieb die Ex-NDR-Fernsehfilmchefin auch "Die Freundin der Tochter" | |
(Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD). | |
NDR-Skandal geht weiter: Auch Agentin Auträge zugeschanzt | |
Die Vetternwirtschaft der Fernsehspielchefin Doris J. Heinze hält die ARD | |
und die Produktionsbranche in Atem. Anscheinend hat sie nicht nur ihrem | |
Mann, sondern auch ihrer Agentin Aufträge beschafft. |