# taz.de -- NDR-Fernsehspielchefin: Prozess wegen Drehbuchbetrugs | |
> Vor drei Jahren schmiss der NDR seine Fernsehspielchefin Doris Heinze | |
> raus. Sie hatte unter Pseudonym Drehbücher verkauft. Am Donnerstag | |
> beginnt der Prozess. | |
Bild: Drei „Tatort“-Figuren gehen auf sie zurück: Doris Heinze. | |
Niklas Becker und Maria Funder hatten einige Jahre ein recht gutes | |
Auskommen als Drehbuchautoren – allein, es gab die beiden nie. Hinter den | |
Pseudonymen steckten Doris Heinze, die ehemalige Fernsehspielchefin des | |
Norddeutschen Rundfunks (NDR), und ihr Ehemann – und dahinter steckt auch | |
eine der unangenehmsten Geschichten für den NDR. | |
Zwischen 2001 und 2009 schusterte Heinze ihrem Mann alias Niklas Becker | |
fünf Drehbuchaufträge für Fernsehfilme zu – vier wurden vom NDR realisiert. | |
Sie selbst schrieb unter dem Pseudonym Marie Funder für externe | |
Produktionsfirmen zwei Drehbücher, die sie dann für den NDR in Auftrag gab. | |
Ein weiteres Drehbuch soll sie gleich zweimal verkauft haben. | |
Dann flog alles auf und Heinze wurde im September 2009 fristlos entlassen. | |
Heute nun beginnt gegen sie, ihren Mann und die Münchner Produzentin Heike | |
Richter-Karst vor dem Hamburger Landgericht der Prozess wegen | |
Bestechlichkeit, Untreue und Betrug. | |
## Eine begabte Dramaturgin | |
Die 63-jährige Heinze kam 1991 aus Köln zum NDR und leitete bis zu ihrem | |
Rauswurf den Programmbereich Fernsehfilm und Spielfilm – prägte dort das | |
Fernsehspiel des NDR. Die drei „Tatort“-Figuren aus dem Norden, gespielt | |
von Axel Millberg (Kiel), Maria Furtwängler (Niedersachen), Mehmet Kurtulus | |
(ehemals Hamburg), gehen auf Heinze zurück. „Sie war ausgewiesen als | |
begabte Dramaturgin“, sagte der damalige Hauptabteilungsleiter Fernsehspiel | |
beim NDR, Matthias Esche. | |
Und dank dieser fiktionalen Begabung erfand sie dann Becker und Funder und | |
verpasste ihnen eigens Biografien für die Pressehefte der ARD. So ließ sie | |
Becker im Ruhrgebiet aufwachsen, Publizistik und Kunstgeschichte studieren, | |
als Übersetzer, Journalist und Filmkritiker arbeiten und 1986 nach | |
Amsterdam und Montreal ziehen – was auch erklären sollte, wieso niemand, | |
außer Heinze selbst, mit dem Autor Kontakt aufnehmen konnte. Und aus Funder | |
machte sie eine Anfängerin: 1981 in Heidelberg geboren, | |
Wirtschaftswissenschaften in Dublin studiert, verheiratet, einen Sohn, und | |
„Die Freundin der Tochter“ ist ihr erstes Drehbuch. | |
„Das Ganze“, sagte Heinze im vergangenen Jahr, sei „absoluter Schwachsinn… | |
gewesen und sie habe in gewisser Weise mit der Sache abgeschlossen. Ein | |
durchaus lukrativer Schwachsinn allerdings. Bis zu 30.000 Euro bekommt ein | |
freier Autor für ein Drehbuch, für Wiederholungen gibt es weitere Zahlungen | |
und so kommen für einen guten Film schon mal 100.000 Euro zusammen. | |
## Nur ein Drehbuch pro Jahr | |
Beim so genannten Buy-out-System, nach dem die Drehbücher von Heinze | |
honoriert wurden, gibt’s eine Einmalzahlung von bis zu 60.000 Euro und die | |
Erlaubnis für Wiederholungen in Endlosschleife. NDR-Mitarbeiter dürfen | |
durchaus Drehbücher in der ARD schreiben, aber nur einmal pro Jahr, für die | |
Hälfte des üblichen Drehbuchhonorars, und man darf den eigenen Film nicht | |
selbst redaktionell betreuen. | |
Heinze verstieß gegen diese Regeln, klagte dennoch gleich nach Rauswurf | |
gegen ihre fristlose Kündigung – während die Staatsanwaltschaft schon wegen | |
Betrug gegen sie ermittelte. Man einigte sich auf einen Vergleich, das | |
Arbeitsverhältnis wurde beendet und Heinze zahlte die zu Unrecht | |
eingestrichenen Honorare zurück, 90.000 Euro sollen es gewesen sein. | |
Die Produzentin Richter-Karst hat laut Staatsanwaltschaft gestanden. Ja, | |
sie habe Drehbücher bei Heinze gekauft, wohl wissend, wer sie wirklich | |
geschrieben habe. Heinze und ihr Mann haben bisher geschwiegen. Vor Gericht | |
werde Heinze „schlichtweg die Wahrheit“ sagen, kündigte ihr Verteidiger | |
Gerd Benoit aber an. | |
Am 10. August soll nach dann fünf Verhandlungstagen voraussichtlich das | |
Urteil fallen – und wer sich bis dahin einen der Filme ansehen will, für | |
das Heinze alias Maria Funder das Drehbuch schrieb, kann das am Freitag | |
tun. Um 20.15 Uhr zeigt Arte „Die Freundin der Mutter“. | |
5 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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