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# taz.de -- Berben, Heinze und der Ärger mit dem ZDF: "Du bist so endpeinlich!"
> Drehbuchautorin Doris J. Heinze schlittert nach ihrem Rauswurf beim NDR
> ins nächste Schlamassel. Dem Produzenten ihres neuen Werks wird
> Schleichwerbung vorgeworfen.
Bild: Stressiger Alltag: Helen (Iris Berben) weiß kaum mehr, wo ihr der Kopf s…
Ja das ist jetzt wirklich tragisch, aus Sicht von Frau Heinze. Da hat sie
einmal alles richtig gemacht. Ein Drehbuch geschrieben und ganz brav nicht
unter fiktiven Namen wie Marie Funder oder Lieschen Müller angeboten,
sondern als Doris J. Heinze, wie es in der Geburtsurkunde steht. Allerdings
war das in dem Fall auch egal, denn angeboten hat sie das Drehbuch dem ZDF.
Also nicht der ARD, bei der sie zum Zeitpunkt von Angebot und Annahme im
Jahre 2008 noch in Lohn und Brot stand.
Genauer gesagt war sie Leiterin des Programmbereichs Fernsehfilm, Spielfilm
und Theater beim NDR und verdiente dort ein sechsstelliges Jahresgehalt.
Das aber reichte vorne und hinten nicht, das Leben ist teuer, jeder weiß
das, so dass sie in ihrer Not dem Ersten Drehbücher unter falschem Namen
verkaufen zu müssen glaubte, für die sie als Hausautorin, als Doris J.
Heinze, nur Anspruch auf den halben Lohn gehabt hätte.
Als das der NDR spitz kriegte, reagierte der Sender wenig verständnisvoll,
fühlte sich gleich hintergangen, betrogen gar, und erklärte mir nichts dir
nichts der langjährigen, verdienten Mitarbeiterin die Kündigung. Fristlos.
Aber das war im Sommer 2009, rund ein Jahr nachdem die
NDR-Fernsehfilmchefin der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz vom ZDF das
Buch zum heutigen "Fernsehfilm der Woche" verkauft hatte. In der Sache ist
das natürlich bemerkenswert – aber nicht justitiabel. Und unbedingt muss
man doch den Fleiß und die kreative Beschwingtheit würdigen, wenn eine
schwer gestresste TV-Managerin ihre knapp bemessene Freizeit ganz in den
Dienst der künstlerischen Selbstverwirklichung stellt!
Ja und dann jetzt das. Gänzlich unverschuldet befindet sich die wirklich
bedauernswerte Doris J. Heinze nun inmitten des nächsten Schlamassels. Die
investigativ ambitionierten Kollegen vom Focus haben es vor zwei Wochen
aufgedeckt. Schleichwerbung! Genau 20 Mal, so ergab die akribische Zählung,
sind in dem Film die Fahrzeuge oder das Logo eines in Wolfsburg ansässigen
Automobilherstellers zu sehen. Da kann man sich natürlich wundern, was die
Kollegen daran eigentlich gewundert hat. Sehen denn nicht alle deutschen
Fernsehfilme so aus?
Aber der Focus hatte den richtigen Riecher. Dabei waren die Autos im Bild
gar nicht das eigentliche Problem. Das bestand vielmehr darin, dass der
Produzent Oliver Berben vergessen hatte, dem ZDF von den vielen Autos zu
erzählen. Hätte er das getan, hätte es sich bei der freundlichen
kostenlosen Fahrzeugbeistellung um eine gänzlich altruistische
Produktionsbeihilfe gehandelt, ganz normal. So aber ist es, so wollen es
Gesetz und Senderrichtlinien: Produktplatzierung, Schleichwerbung.
Überhaupt haftet Oliver Berben in Sachen Schleichwerbung derzeit das Pech
an den Schuhen. Am 9. Januar hatte das ZDF den von Berben produzierten Film
"Familiengeheimnisse" gezeigt, in dem ein fiktives Parfum mit markantem
Schirmakazien-Logo vorkommt. Dass dieses Logo genau so aussieht wie das
Logo, mit dem die Hauptdarstellerin im realen Leben ihr eigenes, reales
Parfum bewirbt, war angeblich weder Berben noch dem Regisseur, ja noch
nicht einmal der mit letzterem verheirateten Hauptdarstellerin selbst
aufgefallen. Unglaublich, aber – vielleicht sogar – wahr.
Für das ZDF hätten die Vorkommnisse eine gute Gelegenheit bedeutet, zu
beweisen, dass man dort nicht ganz so dünnhäutig ist wie bei der ARD.
Stattdessen: Vorläufig keine Produktionsaufträge mehr an Berbens Firma (den
das offenbar alles so mitnimmt, dass er, trotz wiederholter Anfrage, dieser
Zeitung gegenüber keine Stellungnahme abzugeben in der Lage war). Und der
Film vom Montag – "Meine Familie bringt mich um!" – wurde gleich um alle
Einstellungen gekürzt, "die möglicherweise den Anschein der Schleichwerbung
erwecken könnten".
Fängt nun also das heute-journal fünf Minuten früher an? Und muss Oliver
Berbens Mutter Iris, die die Hauptrolle spielt, jetzt etwa alle Wegstrecken
zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigen? Das wäre nicht zuletzt deshalb eine
Zumutung, weil es in dem Film doch um die Probleme einer Frau mit dem
Älterwerden geht. Darum, dass das Klimakterium dieser Frau, Helen, ein
Martyrium bedeutet, gegen das die pubertären Leiden ihrer Kinder (ihr) als
Pappenstiel erscheinen.
Darum, dass Sarkasmus ein komisches Talent erfordert, das ihr völlig
abgeht. Darum, dass auch eine Autorin vom Format einer Doris J. Heinze aus
einem dämlichen Roman mit dem dämlichen Titel "Mijn zoon heeft een
seksleven en ik lees mijn moeder Roodkapje voor" (Mein Sohn hat ein
Sexleben und ich lese meiner Mutter Rotkäppchen vor) kein gutes Drehbuch zu
destillieren vermag. Darum, dass das Urteil, das Helens 14-jährige Tochter
über ihre Mutter spricht, auch den Film bestens auf den Punkt bringt: "Du
bist so endpeinlich!"
„Meine Familie bringt mich um!“, Montag, 31.1., 20.15 Uhr, ZDF
30 Jan 2011
## AUTOREN
Jens Müller
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