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# taz.de -- Nazi-Aufmarsch in Magdeburg: „Auf Biegen und Brechen“
> In Magdeburg konnten trotz breitem Protest Rechstextreme ihren
> „Trauermarsch“ ausrichten. Politiker machen die Polizei verantwortlich.
Bild: Löste die Blockaden von Gegendemonstranten auf: die Polizei in Magdeburg.
MAGDEBURG taz | Sie wurden vor dem Marsch gestoppt. Sie saßen in der Bahn
fest. Am späten Samstagnachmittag konnte in Magdeburg dennoch die
rechtsextreme „Initiative gegen das Vergessen“ ihren vermeintlichen
„Trauermarsch“ ausrichten. Unter dem Motto „Ehrenhaftes Gedenken statt
Anpassung an dem Zeitgeist“ zogen etwa 1.000 Rechtsextreme durch die
Straßen der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. „Auf Biegen und Brechen
hat die Polizei den Rechtsextremen diesen Marsch ermöglicht“, sagte die
Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Claudia Dalbert.
Keine zwanzig Minuten vorher hatte Dalbert noch mit Mitstreitern vor dem
rechten Tross auf einer Ausweichroute am Stadtrand Magdeburgs gesessen.
Dann bat die Polizei die Gegendemonstranten für ein Polizeifahrzeug etwas
Platz zu machen. Den freigemachten Raum nutze die Einsatzleitung aber, um
den Marsch an den Blockierern eng vorbei zu führen. „Einer von den vielen
Tricks der Polizei“, sagte Dalbet, „um den Rechtsextremen den Aufmarsch zu
ermöglichen“. Schweigend, schwarze Fahnen tragend, bewegte sich der Tross,
angeführt von dem Vorsitzenden der NPD-Jugendorganisation Andy Knape und
dem Kameradschaftsanführer Dieter Riefling, vorwärts.
Trauermusik schallte durch die Straßen, wie die Jahre zuvor. „Nazis-raus“
und „Haut ab“ skandierten jene Demonstranten am Straßenrand, die es
geschafft hatten, an die Route zu kommen. Polizeikräfte hetzten hin und
her, lösten kleine Blockaden auf und verfolgten Kleingruppen. Mit
Schlagstöcken gingen die Beamten gegen die vermeindlichen Störer vor. Seit
1994 versucht die rechte Szene – von der NPD über die Kameradschaften bis
hin zu den Autonomen Nationalisten – den Jahrestag zu nutzen, um alleinig
an die Bombardierung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg zu erinnern und die
Verbrechen der Wehrmacht zu verdrängen.
In diesem Jahr, beim 15. Marsch der Rechten, hätte es aber auch anders
laufen können: Beim Bahnhof Neustadt war es Demonstranten gelungen, die
Schienen zu besetzen. Ein Zug mit den Rechtsextremen konnte nicht Richtung
Haltestelle Herrenkrug weiterfahren. Etwas weiter die Straße runter, am
Jerichower Platz, warten sechs Rechtsextreme mit dem Lautsprecherwagen –
und warteten und warteten. Ihre Kameraden kamen nicht. Der Zug fuhr
stattdessen zurück.
## „Eine neue Route eröffnet“
„Ein voller Erfolg des friedlichen Protests“, bewertete Birke Bull,
Landesvorsitzende der Linken, die Aktion. Bull konnte dann aber wie Dalbert
nicht nachvollziehen, warum der Marsch zu diesem Zeitpunkt nicht von der
Polizei beendet wurde. „Die Polizei hat den Neonazis offensiv eine Route
eröffnet“, sagte sie wütend. Auf eine Nachfrage hin, räumte ein Sprecher
der Polizei ein, dass man über diese Option nicht nachgedacht hätte.
Also zogen die Rechtsextremen mit brennenden Fackeln weiter. Am Rande
grüßte NPD-Mann Knape noch gelassen Bekannte. Der Magdeburger ist Mitglied
im Bundesvorstand und hatte diesen „Trauermarsch“ maßgeblich mit
vorangetrieben. „Nach dem erfolgreichen Blockieren des einst größten
rechtsextremen Aufmarsches in Dresden, war zu erwarten, dass für die Szene
der Marsch in Magdeburg wichtiger wird“, sagte David Begrich von
„Miteinander e.V.“.
Währenddessen kreiste über die Stadt ein Flugzeug, das auf einem Plakat die
geschichtsverklitternde Parole „16.000 Tote unvergessen“ hinter sich herzog
– seriöse Schätzungen gehen dagegen von etwa 2.500 Toten aus. Bereits gegen
Mittag waren in der Landeshauptstadt, dessen historische Innenstadt nach
den Luftangriffen 1945 massiv zerstört war, vielfältige Aktionen gegen den
Nazi-Aufmarsch gestartet worden. Auf der Eröffungskundgebung vor dem
Hauptbahnhof warf Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) den Rechtsextremen
vor, mit ihren „menschenverachtenden Ungeist“ die Leute aufhetzen zu
wollen. Und er wurde deutlich: „Die Magdeburger haben die Schnauze
gestrichen voll, dass die Neonazis jedes Jahr in Magdeburg protestieren“.
In der Nähe des Bahnhofs fand auf dem Breiten Weg zum sechsten Mal die
„Meile der Demokratie“ statt. An zahlreichen Infoständen wurde über
Initiativen für Demokratie und gegen Rechtsextremismus informiert. Auf
mehreren Bühnen boten 170 Akteure ein breites Programm. Schulen stellten
Ergebnisse eines Kunstwettbewerbes aus. Über den Tag verteilt waren mehr
als 10.000 Menschen gegen dem Marsch unterwegs. Christine Böckmann vom
„Bündnis gegen rechts“ sprach vom einem „erneuten Erfolg“ und hob herv…
„Wir haben hier keine Imagebilder produziert, sondern bewegt“. Von größer…
Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten wusste auch die Polizei nichts
zu berichten. Zahlen über Ingewahrsamnahmen lägen noch nicht vor.
18 Jan 2014
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
Magdeburg
Polizei
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Schwerpunkt Pegida
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Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Rechtsextremismus
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