| # taz.de -- Was menschenverursacht ist: Wie viel Klima steckt im Wetter? | |
| > Wetter kann tödlich sein – auch in Deutschland. Was davon Zufall ist und | |
| > was nicht: Die wichtigsten Fragen und Antworten. | |
| Bild: Ein durch Flut und Schlamm zerstörtes Haus in Ahrbrück, Rheinland-Pfalz | |
| Man hört und liest wieder von Zweifeln. Die Flutkatastrophe könne man gar | |
| nicht direkt auf den Klimawandel zurückführen. Ist da was dran? | |
| Achtung, Strohmannargument – das heißt, niemand behauptet das. Wetter ist | |
| immer von verschiedenen Faktoren abhängig und hat nie nur genau eine | |
| Ursache – auch nicht den Klimawandel. Außerdem kommt es natürlich auch auf | |
| die geografischen und baulichen Gegebenheiten an, ob Starkregen, wie wir | |
| ihn in Deutschland gerade erlebt haben, auch zu derartigen Überschwemmungen | |
| führt. Was sicher ist: Durch die Erderhitzung wird extremes Wetter häufiger | |
| und intensiver. | |
| Was wissen wir über Klimawandel und Starkregen? | |
| Starkregen ist im deutschen Sommer prinzipiell nichts Ungewöhnliches. | |
| Klimawissenschaftler:innen warnen unter Rückgriff auf Klimamodelle | |
| aber schon lange davor, dass er durch die Erderhitzung häufiger und | |
| intensiver wird. Letzteres zeigen auch Messdaten schon deutlich – es | |
| passiert also bereits. Dafür gibt es eine physikalische Erklärung. Wird es | |
| wärmer, verdunstet mehr Wasser. Die Luft nimmt mit jedem Grad Erderwärmung | |
| etwa 7 Prozent mehr Wasserdampf auf. Der kommt irgendwann als Niederschlag | |
| wieder runter. Da unser Planet im Durchschnitt schon 1,2 Grad heißer ist, | |
| als er es vor der Industrialisierung war, liegt es auf der Hand, dass das | |
| schon Wirkung zeigt. | |
| Aber wird nicht sonst immer vor Dürre gewarnt? | |
| Ja, aber das schließt sich nicht aus. Es ist die andere Seite der Medaille. | |
| Das Wasser, das verstärkt in die wärmere Luft aufgeht, fehlt erst mal den | |
| Böden und Flüssen. Ein Teil der Erklärung könnten auch Veränderungen des | |
| Höhenwindbands Jetstream sein. Das pustet Wetter normalerweise weiter. Wird | |
| der Höhenwind schwächer, verharrt es länger an einem Ort. Dadurch kann dann | |
| aus ein paar Tagen Sommerspaß eine tödliche Hitzewelle oder eine zehrende | |
| Dürre werden, aus ein bisschen Nass Dauerregen. Auch die Zunahme solcher | |
| feststeckenden Wetterlagen wurde schon gemessen. Wie sich der Jetstream | |
| speziell im Sommer dauerhaft entwickelt, darüber diskutiert die Fachwelt | |
| noch. Grundsätzlich ist aber klar: Der Jetstream lebt von dem | |
| Temperaturunterschied zwischen Arktis und Subtropen. Da der Klimawandel | |
| aber nicht gleichmäßig abläuft, sondern sich die Arktis viel schneller | |
| aufheizt als der globale Durchschnitt, wird dieser Unterschied kleiner. | |
| Noch mal kurz einen Schritt zurück: Was ist eigentlich Wetter, was ist | |
| Klima? | |
| Wetter ist der physikalische Zustand der Atmosphäre zu einem bestimmten | |
| Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort. Oder anders gesagt: Es ist sonnig, | |
| es regnet, es ist kalt, es ist warm, es ist windig oder windstill. Was wir | |
| jeden Tag erleben, das ist Wetter. Es folgt einigen Mustern, ist aber auch | |
| chaotisch. Das Klima ist das durchschnittliche Wetter über einen langen | |
| Zeitraum, üblicherweise 30 Jahre. | |
| Deswegen heißt es ja auch immer: Von einem einzelnen Wetterereignis kann | |
| man nicht auf den Klimawandel schließen. Stimmt das noch? | |
| Im Prinzip schon. Allerdings beschäftigt sich ein noch recht [1][junger | |
| Forschungszweig der Klimawissenschaften] auch mit der Untersuchung | |
| einzelner Wetterereignisse. Die sogenannte Attributionsforschung hat es | |
| sich zur Aufgabe gemacht, die menschlichen Fußspuren im Wetter zu finden: | |
| also den Anteil des Klimawandels an einem bestimmten Extremwettervorkommen | |
| zu identifizieren. | |
| Wie funktioniert das? | |
| Vereinfacht gesagt vergleichen die Wissenschaftler:innen unter dem | |
| Einsatz von Klimamodellen die reale Welt mit einer, in der es die | |
| menschengemachten Treibhausgase nicht gibt. Dann gucken sie, ob das | |
| aufgetretene Wetterereignis in der einen wahrscheinlicher war als in der | |
| anderen. Den Unterschied kann man dann dem Klimawandel zuschreiben. | |
| Für die kürzliche Hitzewelle in Nordwestamerika, in der hunderte Menschen | |
| starben, liegen solche Ergebnisse schon vor. Da kam heraus: Der Klimawandel | |
| hat das extreme Wetter [2][150-mal wahrscheinlicher gemacht]. Ohne den | |
| menschlichen Einfluss wäre es also „praktisch unmöglich“ gewesen, wie die | |
| Forscher:innen selbst schrieben. Für den Starkregen, der in Deutschland | |
| die Flutkatastrophe ausgelöst hat, gibt es so eine Studie noch nicht, sie | |
| ist aber nach Ankündigung der Klimatologin Friederike Otto von der | |
| Oxford-Universität in Arbeit. | |
| Dieses Prinzip klingt doch relativ einfach. Warum macht man das denn nicht | |
| schon immer? | |
| Attributionsstudien erfordern Unmengen an Satelliten- und Messdaten zu dem | |
| zu untersuchenden Wetterereignis und eine wahnsinnige Rechenleistung. Schon | |
| allein deshalb sind solche Untersuchungen noch gar nicht so lange in dieser | |
| Form möglich. | |
| Aber wie gut sind diese Studien? | |
| Wie sicher es gelingt, den natürlichen und den menschengemachten Anteil an | |
| extremem Wetter auseinanderzuhalten, hängt im Wesentlichen von zwei | |
| Faktoren ab: wie groß das Ereignis ist und wie komplex. Extreme Hitze tritt | |
| zum Beispiel oft recht großräumig auf und hat nur ein Parameter: die | |
| Temperatur. Das eignet sich deshalb besonders gut für Attributionsstudien. | |
| Auch für Starkregen gibt es passende Klimamodelle. Hagel hingegen tritt oft | |
| nur auf zu kleinen Flächen auf und Hurrikane gelten als besonders | |
| kompliziert zu modellieren – zumindest noch. | |
| Was bringt es uns eigentlich, den Klimawandel in einzelnen | |
| Wetterereignissen zu suchen? | |
| Erstens macht es den Klimawandel für viele Menschen greifbarer. Zweitens | |
| ist aber auch die Hoffnung, dass Attributionsstudien vor Gericht helfen | |
| können, um das Verursacherprinzip durchzusetzen. Zum Beispiel haben | |
| Klimaforscher:innen [3][im Februar nachgewiesen], dass der Klimawandel | |
| entscheidend dazu beigetragen hat, dass der peruanische Palcaraju-Gletscher | |
| in den See Palcacochal hineinschmilzt und dadurch die Flutgefahr | |
| hochtreibt. Wegen dieses Problems klagt ein Anwohner mit Unterstützung der | |
| deutschen NGO Germanwatch gegen den Energiekonzern RWE. 2017 beschloss das | |
| Oberlandesgericht Hamm den Einstieg in die Beweisaufnahme. Dafür hat es | |
| jetzt sogar eine wissenschaftliche Grundlage. | |
| 25 Jul 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaforschung/spez_themen/attributionen/… | |
| [2] /Extremtemperaturen-in-Nordamerika/!5784506 | |
| [3] /Studie-zu-Klimafolgen-in-Peru/!5749078 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Schwarz | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Flutkatastrophe in Deutschland | |
| Rheinland-Pfalz | |
| Großbritannien | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Hurrikan | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| klimataz | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Flut | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Flutkatastrophe in Deutschland | |
| Flutkatastrophe in Deutschland | |
| Flutkatastrophe in Deutschland | |
| Podcast „Bundestalk“ | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Flutkatastrophe in Deutschland | |
| Nordrhein-Westfalen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Extremwetter in Großbritannien: Hitze durch Klimakrise | |
| Mehr als 40 Grad in Großbritannien? Eine Studie zeigt: Die Treibhausgase | |
| haben das extreme Wetter im Königreich viel wahrscheinlicher gemacht. | |
| Hilfsorganisation warnt: Wetter wird teurer | |
| 2021 gab es nicht nur viele, sondern auch verheerende Extremwetter. Die | |
| schlimmsten verursachten Schäden von über 170 Milliarden US-Dollar. | |
| Hungersnot in Madagaskar: Klimakrise nicht zentraler Grund | |
| Das Welternähungsprogramm erklärte, in Madagaskar handle es sich um die | |
| erste klimabedingte Hungersnot. Eine neue Studie relativiert das. | |
| Warnung vor extremem Hurrikan: „Ida“ nähert sich US-Küste | |
| Ein extremer Wirbelsturm bedroht den Bundesstaat Louisiana. Küstennahe | |
| Krankenhäuser können wegen zu vieler Corona-Patienten nicht evakuiert | |
| werden. | |
| Nach der Flut im Westen Deutschlands: Die ungewisse Zukunft | |
| Eimerweise schaufeln die Menschen den Schlamm im Eifelstädtchen Gemünd | |
| beiseite, es wird repariert und neu angeschafft. Bis zur nächsten | |
| Katastrophe? | |
| Studie zur Flutkatastrophe im Juli: Klimakrise forciert Starkregen | |
| Die Erderhitzung hat die extremen Niederschläge im Juli wahrscheinlicher | |
| und intensiver gemacht. Das zeigt eine nun veröffentlichte Schnellstudie. | |
| Klimawandel und Weinanbau: Erntebeginn zwei Wochen früher | |
| In den letzten 30 Jahren ist der Beginn der burgundischen Weinernte um fast | |
| zwei Wochen vorgerückt. Auch Frostschäden werden wahrscheinlicher. | |
| Wissenschaft im Weltklimabericht: Der Mensch war's | |
| Im neuen IPCC-Bericht belegen die Autor:innen nochmal, dass der | |
| Klimawandel menschengemacht ist. Gearbeitet wurde mit den neuesten | |
| Klimamodellen. | |
| Folgen der Klimaerhitzung: Im Hochrisikoland | |
| Deutschland hatte in den vergangenen 20 Jahren mit die größten Klimaschäden | |
| zu verzeichnen. Vor Ort beginnt man sich darauf einzustellen. | |
| Studie zum tauenden Permafrost: Hinweise auf Methan-Lecks | |
| In Sibirien gab es 2020 eine enorme Hitzewelle. Dabei könnten große Mengen | |
| Treibhausgas aus dem Permafrostboden entwichen sein. | |
| Waldbrände in der Türkei: Das zerstörte Paradies | |
| So lange so heiß und so trocken war es in der türkischen Region Marmaris | |
| noch nie. Weder Marmaris noch Ankara war sie auf Waldbrände vorbereitet. | |
| Klimanotstand ausgerufen: 14.000 Forschende klagen an | |
| Tausende Wissenschaftler:innen aus 150 Ländern haben den Klimanotstand | |
| ausgerufen. Der Ernst der Lage sei vielen Menschen noch nicht klar. | |
| Flutkatastrophe im Kreis Ahrweiler: Landkreis ignorierte wohl Warnungen | |
| Laut einem Medienbericht versandte die Landesbehörde in der Flutnacht | |
| automatisierte Mails an die Kreisverwaltung Ahrweiler. Doch dort tat sich | |
| erstmal nichts. | |
| Flutkatastrophe in Deutschland: Zwei weitere Tote im Kreis Ahrweiler | |
| Die Zahl der Menschen, die bei dem Hochwasser vor zwei Wochen ums Leben | |
| gekommen sind, steigt in Rheinland-Pfalz auf 134. In NRW wird niemand mehr | |
| vermisst. | |
| Ertrunkene Menschen mit Behinderung: Wie konnte das passieren? | |
| Trotz aller Warnungen vor der Flut: In einem Sinziger Wohnheim ertranken | |
| zwölf Menschen mit Behinderung. Viele Details sind noch immer unklar. | |
| Podcast „Bundestalk“: Verändert die Flut den Wahlkampf? | |
| In der Flutkatastrophe fahren Union, SPD und Grüne verschiedene Strategien | |
| und bleiben beim Thema Klima. | |
| Ökologische Dystopie und Omega-Variante: Lahme Doppelente | |
| Unser Autor blickt ein paar Jahre voraus. Diesmal geht es um Annalena | |
| Baerbock, den Verlust von Helgoland und Klimaflucht. | |
| Pilgerzug „Kreuzweg für die Schöpfung“: Polizei stoppt Klimapilger | |
| Der „Kreuzweg für die Schöpfung“ wurde am Freitag von Einsatzkräften in … | |
| gestoppt. In der Folge kam es zu einem Handgemenge. | |
| Nachrichten nach der Flutkatastrophe: Schwere Regenfälle bleiben aus | |
| Die Unwetter in der Nacht zu Sonntag lösen nur bedingt Schäden aus. | |
| Spendenaktionen bringen viel Geld ein. Dazu kommt Hilfe aus Europa. | |
| Hochwasser in Nordrhein-Westfalen: Auf rutschigem Boden | |
| In der Gemeinde Heimerzheim werden manche Häuser nur noch vom Putz | |
| zusammengehalten. Um die Menschen steht es nicht besser. |