# taz.de -- Studie zum tauenden Permafrost: Hinweise auf Methan-Lecks | |
> In Sibirien gab es 2020 eine enorme Hitzewelle. Dabei könnten große | |
> Mengen Treibhausgas aus dem Permafrostboden entwichen sein. | |
Bild: Tauende Böden auf der Halbinsel Taymyr | |
BERLIN taz | Als wäre es nicht angsteinflößend genug, dass wir Menschen die | |
Erde mit unseren Treibhausgasen nach und nach aufheizen und so unsere | |
Lebensgrundlage gefährden: Die große Sorge ist auch, dass die Klimakrise | |
sich ab einem gewissen Punkt selbst massiv verschärft. Zum Beispiel | |
dadurch, dass Permafrostboden auftaut und das in ihm [1][bislang sicher | |
eingefrorene Methan entweicht]. Das Gas hat eine noch deutlich stärkere | |
Treibhauswirkung als Kohlendioxid. | |
Eine [2][Studie] gibt nun Hinweise darauf, dass die sibirische Hitzewelle | |
im vergangenen Jahr schon Unmengen Methan in die Atmosphäre entlassen haben | |
könnte. Mithilfe von Satellitenbildern untersuchten die Forscher:innen | |
um den Geologen Nikolaus Froitzheim von der Uni Bonn, wie viel Methan die | |
Luft in Sibirien enthielt. Ergebnis: Auf der Halbinsel Taymyr in | |
Nordsibirien seien die Werte während und nach der Hitzewelle deutlich | |
erhöht gewesen. | |
Besonders stark betroffen sind der Studie nach zwei Gebiete mit viel | |
Kalkstein. Das ist insofern auffällig, als dort auch im nicht gefrorenen | |
Zustand kaum Boden gebildet wird, also sich tote Tiere und Pflanzen Methan | |
produzierend zersetzen. | |
Froitzheim und seine Kolleg:innen befürchten deshalb, dass die Hitze so | |
weit in den Boden gedrungen ist, dass durch das Tauen unterirdische | |
Erdgaslager undicht geworden sind. „Dadurch dürfte Erdgas, das zum größten | |
Teil aus Methan besteht, den Weg an die Erdoberfläche gefunden haben“, sagt | |
Froitzheim. | |
## Studie hat methodische Tücken | |
Ob der Permafrostboden infolge des Klimawandels schon jetzt Treibhausgas | |
dauerhaft abgibt, ist in der Fachwelt umstritten. Laut dem Sonderbericht | |
des Weltklimarats von 2019 gibt es dazu eine mittelmäßige Anzahl von | |
Forschungsergebnissen, und die stimmen nur in wenigen Punkten überein. Es | |
besteht also noch einiger Forschungsbedarf. | |
Die aktuelle Studie ist allerdings umstritten – obwohl sie im anerkannten | |
Fachmagazin PNAS erschienen ist und im Vorfeld von unabhängigen | |
Fachkolleg:innen geprüft wurde. | |
Vor allem drei methodische Punkte kritisieren andere Wissenschaftler:innen: | |
In der Studie kommen nur Daten von diesem und dem vergangenen Jahr vor, | |
sodass man eigentlich nicht gesichert sagen kann, ob die aktuellen Werte | |
wirklich erhöht sind. | |
Die Satellitenbilder sind möglicherweise nicht zuverlässig, weisen nämlich | |
teilweise auch Methan-Hotspots in Weltregionen aus, in denen das nicht | |
sinvoll erscheint. Und sie zeigen eine erhöhte Methankonzentration | |
ausgerechnet im Frühling, wenn der Boden nach der Hitzewelle schon einen | |
Winter lang wieder zugefroren war. | |
Das muss nicht heißen, dass die Ergebnisse falsch sind, lässt aber Fragen | |
offen – teilweise nennen die Autor:innen die Kritikpunkte auch selbst in | |
ihrer Studie. Methan-Emissionen zu lokalisieren ist generell schwierig. | |
## Hitzewelle war ohne Klimawandel „nahezu unmöglich“ | |
Eigentlich müsse man hinfahren und nachmessen, meint der Geowissenschaftler | |
Guido Grosse vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, | |
der selbst nicht an der Arbeit beteiligt war. Interessant findet er sie | |
trotz ihrer methodischen Mängel. | |
„Wenn alles so stimmt, wie es die Studie präsentiert, ist es durchaus ein | |
umfangreicheres Problem, das noch nicht auf dem Schirm war“, sagt Grosse. | |
Auch er habe schon mit Kolleg:innen in einer Studie darauf hingewiesen, | |
dass Permafrost als ein Deckel für darunterliegende geologische Gaslager | |
fungieren kann und dieser Deckel löchriger wird, wenn der Boden taut. | |
Was im Übrigen sehr gut belegt ist: Hitzewellen werden mit dem Klimawandel | |
häufiger und intensiver. Und die aus dem vergangenen Jahr in Sibirien wäre | |
ohne ihn „nahezu unmöglich“ gewesen, wie Klimawissenschaftler:innen | |
schon im vergangenen Juli [3][in einer Attributionsstudie] schrieben. Die | |
menschengemachten Treibhausgasemissionen haben die hohen Temperaturen – im | |
sibirischen Werchowjansk kletterte das Thermometer Ende Juni auf 38 Grad – | |
demnach mindestens 600-mal wahrscheinlicher gemacht. | |
3 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Studie-ueber-Permafrostboeden/!5566341 | |
[2] https://www.pnas.org/content/118/32/e2107632118 | |
[3] /Was-menschenverursacht-ist/!5785678 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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