# taz.de -- Hochwasser in Nordrhein-Westfalen: Auf rutschigem Boden | |
> In der Gemeinde Heimerzheim werden manche Häuser nur noch vom Putz | |
> zusammengehalten. Um die Menschen steht es nicht besser. | |
Bild: Die drei Apotheken? Zerstört. Die Kneipe, die Grundschule, die Bücherei… | |
Man kann das Elend in Zahlen beschreiben. 151,1 Liter Regen pro | |
Quadratmeter sind im Ort Heimerzheim, nahe Bonn, am 14. Juli gefallen. Die | |
Wassermenge, die der Bach Swist an diesem Tag durch das Dorf spülte, lag | |
bei 55 Kubikmetern pro Sekunde. Normal sind Werte im unteren einstelligen | |
Bereich. Der Pegelstand stieg in der Nacht zu Mittwoch auf rund 3 Meter an. | |
Anderthalb Wochen später liegt er bei 86 Zentimetern. Auch das ist immer | |
noch etwa drei bis vier Mal so viel wie üblich zu dieser Jahreszeit. | |
Man kann aber auch Hans-Peter Fuss zuhören. Am Mittwoch, rund eine Woche | |
nach dem verheerenden Hochwasser, sitzt der eigentlich so kräftige Mann | |
kraftlos vor seinem Haus an der Bachstraße. Die Schultern hängen nach | |
unten, der Kopf auch, die Sonne brennt ihm auf den Nacken. Hinter Fuss | |
plätschert die Swist durch die Ortschaft, immer noch trüb und bräunlich, | |
aber doch friedlich. Vor ihm türmt sich das, was die Swist ihm hinterlassen | |
hat. Vieles wurde schon abgeräumt, aber immer noch stapeln sich | |
verschlammte Bretter und Dielen an der Straße. Egal wohin der Blick geht, | |
überall sammeln sich Möbel, Haushaltsgeräte, ganze Fensterfassungen, die | |
das Wasser herausgedrückt hat. Alles vor zwei Wochen noch benutzt, nun | |
warten sie auf den Transport zur Müllverbrennung. | |
Fuss' Heimat ist ein Ort, der nach dem Zweiten Weltkrieg vom Glück geküsst | |
war. Das nur 30 Autominuten entfernte Bonn wurde Hauptstadt der jungen | |
Bundesrepublik und lag damit nahe genug, um den ein oder anderen | |
Ministeriumsmitarbeiter anzulocken, aber immer noch weit genug weg, um | |
nicht in den Speckgürtel gesogen zu werden. Viele inhaberbetriebene | |
Geschäfte in Heimerzheim haben eine jahrzehntelange Geschichte. Im | |
Dorfinneren stehen noch einige der alten Höfe und Fachwerkhäuser. In der | |
Mitte thront, wie es sich für das Rheinland gehört, die katholische Kirche. | |
Und mitten hindurch, unter insgesamt fünf kleinen Brücken, fließt der Bach | |
Swist. „Eigentlich ein Rinnsal“, sagt Fuss. | |
Ein Teil der Hausfassade ist notdürftig mit Brettern vernagelt. Die | |
Rollladen hängen schief vor den Fenstern. Im Vorderhaus wohnen seine | |
Eltern, im Hinterhaus er selbst, in der Mitte gibt es einen kleinen Hof. | |
Zwei junge Männer kommen aus dem Hoftor. Sie tragen die Überreste eines | |
Schranks und legen sie vor dem Haus ab. Fuss kennt sie nicht, sie gehören | |
zu den vielen, die derzeit mit anpacken. Die Hilfsbereitschaft ist enorm. | |
Das ganze Dorf scheint auf den Beinen. Auch aus umliegenden Dörfern kommen | |
Helfer:innen. Und dennoch: Es scheint kein Ende zu nehmen. Auch nicht am | |
fünften Tag des großen Aufräumens. | |
Verglichen mit Orten wie Erftstadt oder dem Landkreis Ahrweiler hat es | |
Heimerzheim nicht so heftig getroffen. Aber was nützen Vergleiche, wenn das | |
Leid ins Unermessliche geht. Wenn die Flut auch hier Mauern zum Einsturz | |
gebracht und Autos ineinander verkeilt hat. Wenn zwar nicht das ganze Dorf, | |
aber zumindest der gesamte Dorfkern verwüstet ist. Wenn zwei Menschen | |
gestorben sind. | |
Heimerzheim hat seine Unschuld verloren. Wie kann es weitergehen in einem | |
Ort, dem so etwas Gewaltiges widerfahren ist? | |
Der Alltag, wenn man ihn so nennen will, sieht in Heimerzheim derzeit so | |
aus: Morgens ziehen ganze Trupps von Menschen ins Dorfinnere. Freunde, | |
Familie, Menschen, die noch nie in Heimerzheim waren, die einfach nur | |
helfen wollen. Mit Schaufeln, Gummistiefeln und Handschuhen gehen sie von | |
Haus zu Haus. Räumen aus, was nicht mehr zu retten ist – was meistens alles | |
ist. Manchmal müssen sie warten, weil die Berge zu groß werden und es | |
schlicht keinen Platz mehr gibt. Es ist laut. Generatoren und Pumpen | |
rattern an jeder Ecke. Lkws holen Schutt- und Müllberge ab. | |
Schräg gegenüber von Fuss' Haus, auf der anderen Bachseite, hat sich vor | |
dem katholischen Gemeindehaus eine Art Lagezentrum für die Helfer:innen | |
gebildet: Ein Biertisch und zwei Bänke unter einem Faltpavillon. Hier wird | |
alles, was an materieller und menschlicher Hilfe ankommt, verteilt und | |
koordiniert – nicht von der Gemeinde oder vom Kreis, sondern von drei | |
Heimerzheimern, die einfach damit angefangen haben. | |
Sie schicken die Menschen dahin, wo sie gebraucht werden. Sie verteilen | |
Pumpen und Generatoren, regeln den Verkehr, halten Kontakt zu der | |
überforderten Gemeindeverwaltung, zur Polizei, zu Unternehmen, die Pumpen | |
oder Generatoren spenden wollen. Es funktioniert, weil es funktionieren | |
muss. | |
Der Geruch des Schlamms, den die Swist verteilt hat, ist allgegenwärtig. | |
Ein breiter modriger Gestank. Viele im Ort nehmen ihn schon gar nicht mehr | |
wahr. Hauswände, Laternen, Zäune entlang der Swist sind fast bis zu einer | |
Höhe von zwei Metern mit braunem Film bedeckt. Auch die Menschen. Auch | |
Hans-Peter Fuss. | |
Er erzählt während einer kurzen Pause von der Plackerei, wie die Flut über | |
den Ort kam. Am Mittwochmorgen vergangener Woche habe es angefangen zu | |
regnen. Ein Platzregen, nur eben über Stunden. Sorgen habe er sich da noch | |
keine gemacht, der Regen sei ja angesagt gewesen. | |
Als der Regen am Abend aufhörte, stieg die Swist zunächst leicht an, wie es | |
schon ein paar Mal vorgekommen sei. Abends gegen 22 Uhr hatte sich der | |
Pegel scheinbar stabilisiert. Auf die genauen Uhrzeiten solle man ihn nicht | |
festnageln. Einige Keller waren vollgelaufen, Feuerwehr und THW waren im | |
Einsatz. „Bis etwa ein Uhr habe ich noch gedacht, das hält sich“, sagt | |
Fuss. Seine Eltern hatte er dennoch vorsorglich schon vom Erdgeschoss nach | |
oben gebracht. Ein Glücksfall, denn kurz darauf stieg die Swist über das | |
Ufer. | |
„Ab da ging es rasend schnell.“ Das Wasser sei aus allen Ritzen gekommen, | |
durch das Gemäuer hindurch. „Um halb vier stand ich schon hüfthoch im | |
Wasser“, sagt Fuss. „Um vier Uhr haben wir das Erdgeschoss aufgegeben.“ | |
Medikamente, Dokumente, Laptops und Handys konnten die Fuss noch | |
zusammenklauben. Dann sind sie nach oben – und mussten dort die Nacht, den | |
nächsten Tag und auch noch die kommende Nacht ausharren. Erst am | |
Freitagmorgen sank der Pegel der Swist und gab den Blick auf das zerstörte | |
Heimerzheim frei. | |
„Ich hatte komischerweise keine Angst in dem Moment“, sagt Fuss. Er habe | |
getan, was möglich war, der Rest sei Schicksal. Fuss beobachtete die | |
Pegelstände, seine Mutter betete. „Mir ist erst Tage später bewusst | |
geworden, in was für einer Gefahr wir waren“, sagt er. | |
Über 24 Stunden war nicht klar, wann und wie sie da wieder runterkommen. | |
Die Kommunikationskänale waren zusammengebrochen. Fuss sah ständig | |
Hubschrauber über dem Ort kreisen. Später erfuhr er, dass Bewohner:innen, | |
die keinen Rückzugsort mehr hatten, aus ihren Häusern geholt wurden. | |
Während er erzählt, kommt eine Nachbarin vorbei. Wie es bei ihm sei, fragt | |
sie. „Beschissen“, sagt Fuss. „Man kann es sich nicht vorstellen“, | |
beschreibt er den Moment, als sich das Wasser endlich zurückgezogen hat und | |
sie zurück ins Erdgeschoss konnten. Die Flut hatte Möbel angehoben und zu | |
einem „stinkenden Chaos“ angeordnet. Die erste Hoffnung, noch irgendetwas | |
retten zu können, habe sich bald zerschlagen. | |
Fuss will seine Geschichte nicht in den Vordergrund stellen, betont er. So | |
wie ihm geht es vielen im Ort und manchen noch schlimmer. Einige Familien | |
sind obdachlos, sie haben nur noch das, was sie in der Nacht anhatten. Wer | |
nicht bei Freunden oder Familie untergekommen ist, wurde in der Turnhalle | |
der Gesamtschule untergebracht. | |
Fuss hat drei Nächte nicht schlafen können, immer nur tagsüber legte er | |
sich für ein paar Stunden hin. Einer der Momente, in dem die Katastrophe zu | |
ihm durchgedrungen sei, war, als er ein verdrecktes Fotoalbum gefunden hat. | |
„Klar, einen Tisch kann man ersetzen, die Erinnerungen nicht“, sagt Fuss. | |
Das zerstörte Haus ist seit Generationen in der Familie, es ist das | |
Geburtshaus seiner Mutter. „Alles, wofür meine Eltern ein Leben lang | |
gearbeitet haben, ist kaputt“, sagt Fuss. | |
Am Samstag, da habe es ihn fast den ganzen Tag weggehauen, sagt er. Nichts | |
ging mehr aufgrund der körperlichen Erschöpfung – aber vor allem aufgrund | |
der emotionalen. | |
Wie Fuss geht es vielen. Die evangelische Pfarrerin des Orts, Claudia | |
Müller-Bück, sagt: „Wir sind alle überfordert.“ Und: „Es gab viele, die | |
nicht mehr zuversichtlich waren, dass sie da lebend rauskommen.“ Die | |
evangelische Kirche liegt etwas höher im Ort, aber wenn der Hang noch | |
rutscht, sei auch sie gefährdet, berichtet Müller-Bück. | |
## Umfallen gehört zum Alltag | |
Zwei Nachbarn von Hans-Peter Fuss aus der Bachstraße sind ums Leben | |
gekommen. Auf dem kleinen Bauernhof nebenan traf den Vater das Schicksal. | |
Früher wurden die Schafe und Ziegen noch außerhalb von Heimerzheim | |
gehalten, doch nach einem Wolfsangriff holte der Bauer sie zurück, wo er | |
sie sicherer wähnte. Die Tiere ertranken in der Swist. Als der Vater des | |
Landwirts nach dem Hochwasser in den Stall ging, habe er beim Anblick der | |
toten Tiere einen Herzinfarkt erlitten. Er verstarb. | |
Seelsorge funktioniert anders in Notsituationen, sagt Müller-Bück. Man kann | |
gar nicht so tief in die Gefühle eintauchen. „Es geht erst mal um Stärkung. | |
Dass man sich irgendwo anlehnen kann.“ Nur bräuchte hier im Ort gerade | |
jeder jemanden zum Anlehnen. Die Gefahr, dass jemand einen | |
Nervenzusammenbruch erleidet, dass noch jemand umfällt, ist groß. | |
Das gehört in Heimerzheim zurzeit zum Alltag. Immer wieder fahren | |
Rettungswagen mit Martinshorn durch die engen Straßen. Die Direktorin der | |
Grundschule erzählt, dass beim Ausräumen der zerstörten Schule jemand auf | |
dem Schlamm ausgerutscht sei und sich den Arm gebrochen habe. Andere | |
erzählen von Brüchen, von kleineren und größeren Schnittverletzungen und | |
eben davon, dass Menschen einfach zusammenbrechen unter der Last. | |
Nach dem Wasser ist immer wieder Panik in den Ort eingedrungen. Fuss | |
berichtet von Plünderern in Bundeswehruniform, die von Haus zu Haus | |
gegangen seien. Sie hätten erzählt, die rund 15 Kilometer entfernte | |
Steinbachtalsperre sei gebrochen, um dann den fliehenden | |
Einwohner:innen auch noch ihr Letztes aus den Häusern zu klauen. | |
Auch jetzt gehen immer noch Gerüchte durch das Dorf. Amtliche Informationen | |
sind teils immer noch schwer zu bekommen. Das Rathaus wurde überschwemmt, | |
der Krisenstab ist bei der Bundespolizei untergekommen. Manche Gerüchte | |
lassen sich schnell bestätigen, etwa dass ein Straßenabschnitt komplett | |
gesperrt ist. Dort drohen die Häuser jeden Moment einzustürzen. Von anderen | |
kann man nur hoffen, dass sie sich als Fehlinformationen rausstellen, etwa | |
dass es einen Suizidversuch gegeben habe. | |
Müller-Bück spricht auch von einem Gefühl, auf das man nicht auf Anhieb | |
kommt: Schuld. Derjenigen, die nicht betroffen sind. „Denen tut es gut, | |
etwas zu tun zu haben, zu helfen.“ | |
Anruf bei einem Nichtbetroffenen. Wobei das das falsche Wort ist. Betroffen | |
sind hier alle Einwohner:innen. Ihr Dorf wurde zerstört. Anruf also bei | |
Hermann Leuning, dessen Haus noch intakt ist. Er hat noch Strom, sein | |
Telefon funktioniert. | |
Wo man sich treffen könne? „Am Fronhof, da ist ein Café davor“, sagt | |
Leuning. „War ein Café“, ruft seine Frau aus dem Hintergrund. Es ist eine | |
Korrektur, die man zurzeit oft hört in Heimerzheim. Die Katastrophe | |
schleicht sich in die Sprache. Aus Gegenwart wird nun öfter Vergangenheit. | |
Leuning sitzt am Dienstag also vor der ehemaligen Bäckerei Lennartz auf | |
einem Plastikstuhl im Schatten eines Baums. Um ihn herum Verwüstung, keines | |
der Geschäfte, die hier mal waren, existiert noch. Stattdessen türmen sich | |
auch hier Bretter, Bänke, Stühle, Waschmaschinen. | |
Leuning ist 83 Jahre alt, „gestandener Sozialdemokrat“, und lebt seit den | |
1970ern in Heimerzheim. Seit 2009 vertritt er als Ortsvorsteher die | |
Interessen des Dorfes gegenüber der Gemeinde. „Heimerzheim wird nicht mehr | |
so sein, wie es war“, sagt Leuning. | |
Was macht ein Dorf aus? Die Menschen, klar. Dass ist das, was Leuning noch | |
Hoffnung gibt. Jeden, den man in Heimerzheim spricht dieser Tage, ist | |
überwältigt von der Hilfsbereitschaft im Ort. Aber was wird in ein paar | |
Wochen? Die Menschen brauchen doch auch Orte der Begegnung. Man lebt doch | |
nicht einfach vor sich hin. Ganz zu schweigen von den Menschen, die den Ort | |
zum Leben verloren haben. | |
Ein Rundgang durch den Dorfkern. Die drei Apotheken des Dorfs? Zerstört. | |
Die Bankfiliale? Abgesoffen. Eine hat bereits angekündigt, nicht wieder | |
aufzumachen. Beim Optiker? Wird die Versicherung wohl nicht zahlen. Die | |
Familie, die die Dorfkneipe samt Kegelbahn betreibt? Weiß noch nicht, ob | |
sie weitermacht. Drei Restaurants, die Bücherei, das katholische | |
Gemeindezentrum, die zwei Hausarztpraxen, die Grundschule? Alles hinüber. | |
Und es ist ja nicht so, dass es mit dem Aufräumen und dem Wiederaufbau | |
getan wäre. „Es gibt viele Katastrophen nach der Katastrophe“, sagt | |
Leuning. In den ersten Tagen sei der Geruch von auslaufenden Öltanks zu | |
riechen gewesen, sagt er. Die Feuerwehr müsse immer wieder wegen | |
Schmorbränden ausrücken, die durch die zerstörte Elektrik entstehen. Und | |
dann die Frage: Wer will so nahe am Bach überhaupt noch wohnen? | |
Am nächsten Tag sitzt Leuning zusammen mit seiner Frau Brigitte im Garten | |
ihres Hauses. Die Schuldgefühle, von der Claudia Müller-Bück sprach, plagen | |
auch sie. Sie gucken auf ihren Garten, in eine heile Welt, die über das | |
Grundstück hinaus so nicht mehr existiert. „Man schämt sich fast“, sagt | |
Leuning. Körperlich können er und seine Frau nicht mehr helfen, sie sind zu | |
alt. Aber sie koordinieren Spenden, vernetzen Leute. Das Telefon steht | |
eigentlich nicht mehr still, sagt Leuning. | |
Er hat eine Klarsichthülle hervorgeholt. Darin ausgeschnittene Artikel des | |
General-Anzeigers über frühere Hochwasser in Heimerzheim. Zwei große hat es | |
gegeben. 1961 und 1984. Beide sogenannte Jahrhunderthochwasser. Das | |
Letztere hat Leuning miterlebt. „Das ist kein Vergleich zu dem, was jetzt | |
passiert ist,“ sagt er. Die Schäden hielten sich damals in Grenzen. | |
Doch ein Hochwasser gibt es, dass Leuning ungefähr an das Ausmaß der | |
aktuellen Katastrophe erinnert. 1943 bombardierten die Alliierten die | |
Möhnetalsperre in der Nähe von Mülheim an der Ruhr. Durch die ohnehin | |
zerstörte Stadt schoss eine Flutwelle. „Was da alles rumtrieb“, sagt | |
Leuning, der damals fünf Jahre alt war und in Mülheim aufwuchs. In der | |
Region gab es mindestens 1.000 Todesopfer. Diese Bilder aus den | |
Kriegszeiten kommen nun wieder in ihm hoch. „Auch deswegen bin ich so | |
kaputt“, sagt Leuning. | |
In der Hülle stecken auch noch Artikel jüngeren Datums. Einer aus dem Jahr | |
2003 ist überschrieben mit „Hundertprozentiger Schutz ist nicht bezahlbar“. | |
Einer aus dem Jahr 2009 trägt den Titel: „Oberkante Unterlippe“. Im | |
Nachhinein lesen sie sich wie Ankündigungen einer Katastrophe. | |
Leuning übt vorsichtig Kritik. Zum einen habe das Warnsystem versagt. | |
Während der flussaufwärts gelegene Ort über die Nina-App alarmiert wurde, | |
gab es für Heimerzheim keine entsprechende Meldung, kritisieren auch | |
Einwohner:innen. Sie berichten, dass die Warnsirenen im Ort einmal am Abend | |
aufgeheult hätten, dann aber die ganze Nacht nicht mehr. | |
Leuning spricht auch den Hochwasserschutz an. Man habe in Heimerzheim | |
Gebiete bebaut, in denen früher schon bei leichtem Hochwasser das Wasser | |
gestanden habe. Immer mehr Fläche sei versiegelt worden, auch an Stellen, | |
wo der Regenabfluss die Hochwassergefahr gesteigert hätte. Hätte man also | |
die Flut durch regionale Maßnahmen verhindern können? | |
Nein, sagt ein Experte. Die aktuelle Versiegelung im Ort habe keinen | |
Einfluss auf das Hochwasserrisiko, sagt Horst Werner, ehemaliger Leiter des | |
Erftverbands, eines Verbundes, der für die Wasserwirtschaft in der Region | |
verantwortlich ist. Das Regenwasser fließe fast sofort von den versiegelten | |
Flächen in den Bach, das Hochwasser dagegen erscheint zeitverzögert. Die | |
Flut in Heimerzheim sei statistisch ein Jahrhundertereignis gewesen, dessen | |
Gefahr so auch in den Hochwasserrisikokarten des Landes ausgewiesen sei. | |
„So bitter das ist, aber hier hilft vor allem Eigenvorsorge“, sagt Werner. | |
Wie die nächsten Tage, die nächsten Wochen, vielleicht sogar die nächsten | |
Monate aussehen, kann derzeit niemand sagen. Klar ist, dass der neue Alltag | |
im Ausnahmezustand bald enden muss. „So kann es nicht mehr lange | |
weitergehen“, sagt Hermann Leuning. Den Menschen gehe irgendwann die Kraft | |
aus. Er will das allerdings nicht als Fazit stehen lassen. Zum Abschied | |
sagt er: „Es wird wieder gut werden.“ Die Frage ist nur: Wann? | |
24 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Daniel Böldt | |
## TAGS | |
Nordrhein-Westfalen | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Überschwemmung | |
GNS | |
Flutkatastrophe in Deutschland | |
Katastrophenschutz | |
Flut | |
IG | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Empathie | |
Hochwasser | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Flut | |
Flut | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Hochwasser | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach der Flutkatastrophe im Rheinland: Ins Trockene kommen | |
In Blessem hilft man sich im Bürgerforum – mit Spenden, dem Know-how eines | |
pensionierten Offiziers und unterstützt von einer Landtagskandidatin. | |
Hotel als Notunterkunft für Flutopfer: Leben im Dazwischen | |
Heimerzheim wurde schwer von der Flut getroffen. Im Hotel Weidenbrück | |
fanden jene Zuflucht, deren Häuser bis heute unbewohnbar sind. Ein Besuch. | |
Nach der Flut im Westen Deutschlands: Die ungewisse Zukunft | |
Eimerweise schaufeln die Menschen den Schlamm im Eifelstädtchen Gemünd | |
beiseite, es wird repariert und neu angeschafft. Bis zur nächsten | |
Katastrophe? | |
Die These: Wer gut leben will, muss fühlen | |
Empathie allein wird die Welt nicht retten. Aber ohne Empathie klappt die | |
Weltrettung auch nicht. Wir brauchen sie, auch als Handlungsimpuls. | |
Nach der Flutkatastrophe in Deutschland: Helfen, aber richtig | |
Viele wollen die Menschen in den Hochwassergebieten unterstützen. Aber wie? | |
Und was kommt bei den Betroffenen wirklich an? | |
Was menschenverursacht ist: Wie viel Klima steckt im Wetter? | |
Wetter kann tödlich sein – auch in Deutschland. Was davon Zufall ist und | |
was nicht: Die wichtigsten Fragen und Antworten. | |
Hochwassergebiete in Deutschland: „Mit Müll beschmissen“ | |
In den Hochwassergebieten in Rheinland-Pfalz gibt es wegen einsetzendem | |
Regen Evakuierungsangebote. In NRW berichtet der THW von Angriffen auf | |
Helfende. | |
Biowinzer über die Flut an der Ahr: „Ich bin der Natur nicht böse“ | |
Seit 30 Jahren bewirtschaftet Christoph Bäcker im Ahrtal ein Weingut. Nun | |
fiel es der Flut zum Opfer. Wie geht es für den Biowinzer weiter? | |
Hochwasser in Rheinland-Pfalz: In der Nacht kam das Wasser | |
Im Ahrtal ist nichts mehr wie zuvor. Die Hälfte der Gebäude von Bad | |
Neuenahr-Ahrweiler sind schwer beschädigt. Ein Besuch im Ortsteil | |
Heimersheim. | |
Hochwasser in Nordrhein-Westfalen: „Katastrophe ist gar kein Begriff“ | |
Die Folgen des Hochwassers werden vor Ort sehr unterschiedlich gehändelt. | |
Instabil ist die Lage an Talsperren in der Eifel. |