| # taz.de -- Biowinzer über die Flut an der Ahr: „Ich bin der Natur nicht bö… | |
| > Seit 30 Jahren bewirtschaftet Christoph Bäcker im Ahrtal ein Weingut. Nun | |
| > fiel es der Flut zum Opfer. Wie geht es für den Biowinzer weiter? | |
| Bild: Weinberge in Marienthal, wenige Kilometer von Bad Neuenahr-Ahrweiler entf… | |
| taz: Herr Bäcker, Sie sind Biowinzer in Ahrweiler, mitten im | |
| Katastrophengebiet. Wann haben Sie gemerkt, dass Unheil droht? | |
| Christoph Bäcker: Das hat gedauert. Bei uns hat es nämlich gar nicht so | |
| fürchterlich geregnet. Die Regenmenge hätte allenfalls für ein leichtes | |
| Hochwasser gereicht. [1][Es war die Flutwelle, die von der oberen Ahr kam, | |
| die Gefahr war schwer einzuschätzen]. Ich habe im Fernsehen die Aussagen | |
| des Wetterdienstes verfolgt, aber diese Dramatik war nicht vorherzusehen. | |
| Richtig ernst wurde es erst am Abend, kurz vor dem Dunkelwerden. Der Pegel | |
| stieg rasend schnell, man konnte zugucken, wie ganze Uferbereiche im Wasser | |
| verschwanden. | |
| Sind Sie in Panik geraten? | |
| Nein. Wir hatten in unserem Betrieb, obwohl wir im Risikogebiet leben, noch | |
| nie einen Tropfen Hochwasser im Keller. Wir haben zuerst unsere Fahrzeuge | |
| in Sicherheit gebracht. Als das Wasser weiter stieg und über die Straße in | |
| unser Haus floss, haben wir die wichtigsten Unterlagen zusammengepackt: | |
| Impfausweis, wichtige Dokumente, Unterlagen für die Buchführung. Das haben | |
| wir in die obere Etage gerettet. | |
| Viele Weingüter sind zerstört. Was ist von Ihrem übrig? | |
| Nicht viel. Die abgefüllten Flaschen sind okay, die müssen wir nur neu | |
| etikettieren. Aber vor allem die Maschinen sind hinüber, der Gabelstapler, | |
| die Kelter, die Traubenmühle, die Pumpen, aber auch die Barriquefässer, die | |
| großen Holzfässer. Und wir haben kein Gas, kein Wasser, kein Strom, kein | |
| Internet. Natürlich machen mir auch die Weinberge große Sorgen, die ich | |
| nicht vor den jetzt um sich greifenden Pilzkrankheiten schützen kann. | |
| Wegen der Feuchtigkeit im Ahrtal breitet sich der falsche Mehltau aus. | |
| Jetzt werden aus Hubschraubern Fungizide gesprüht, um den Jahrgang 2021 zu | |
| retten … | |
| … meine eigenen Bioflächen werden wohl auch besprüht, dagegen kann ich mich | |
| nicht wehren. Es ist vermutlich die einzige Möglichkeit, damit wir im | |
| Herbst überhaupt etwas ernten können. Am Montag kommen Kollegen von der | |
| Mosel, die mir hoffentlich helfen, meine Weinberge ökologisch korrekt übers | |
| Jahr zu bringen. | |
| Es gibt vielleicht keinen richtigen Biowein, aber wenigstens eine Ernte? | |
| Ich hoffe auf eine Sondergenehmigung für meine Bioweine. Diese Katastrophe | |
| ist nun wirklich ein Härtefall, den ich nicht verschuldet habe. | |
| Können Sie den 2021er Jahrgang bei befreundeten Winzern ausbauen? | |
| Das wird schwierig. Da müsste ich die Trauben an die Mosel fahren. Die | |
| meisten Weingüter im Ahrtal liegen direkt am Fluss, nur ein einziges auf | |
| dem Berg. Die hat es voll erwischt. Wir brauchen jetzt Ersatzmaschinen und | |
| Lagertanks, dann müssen wir hoffen, dass es überhaupt noch etwas zu ernten | |
| gibt. | |
| Sie sind seit 1990 Biowinzer, sie waren der Erste an der Ahr, Sie haben | |
| sich mit der Natur verbündet. Jetzt hat die Natur ihre Existenz attackiert. | |
| War alles Engagement vergeblich? | |
| Ich kann der Natur nicht böse sein. Die Natur ist genau so, wie die | |
| Menschheit sie zugerichtet hat. Wir müssen jetzt die Ärmel hochkrempeln und | |
| weitermachen, auch wenn es schwerfällt. Ich habe familiäre Unterstützung, | |
| bin einigermaßen abgesichert, selbst wenn dies der Todesstoß für meinen | |
| Betrieb war. | |
| Kann Ihr Weingut ohne Abrissbirne wieder instandgesetzt werden? | |
| Ich hoffe, es geht ohne Abrissbirne, aber ich weiß nicht, ob der Betrieb am | |
| Leben bleibt. Werden sich die Weinberge erholen? Gibt es eine Ernte? Wann | |
| kann ich wieder Wein verkaufen? Wann kommen wieder Besucher ins Ahrtal? Es | |
| wird viele Monate dauern, bis die Schäden halbwegs beseitigt sind. Diese | |
| Zeit zu überbrücken, das kann ich mir gegenwärtig nicht vorstellen. | |
| Wie sieht es aktuell mit den Grundbedürfnissen aus: essen, trinken, | |
| schlafen, duschen, Toilette benutzen? | |
| Wir sind ganz in der Nähe in einer Schule untergekommen. Später können wir | |
| vielleicht bei Freunden unterschlüpfen. Unser eigenes Haus ist hoffentlich | |
| nicht unbewohnbar, da müssen jetzt die Statiker ran. Zum Glück liegen Küche | |
| und Schlafzimmer im oberen Geschoss und sind unversehrt. Aber wenn ich in | |
| den Weinkeller gehe, dann kommen mir die Tränen. | |
| Wie geht es Ihnen, wenn Sie Herrn Laschet zuhören, der hier durch den | |
| Schlamm marschiert und sich als Klimaschützer inszeniert? | |
| Tut mir leid, aber das ist einfach lächerlich. Das sind dieselben Sprüche, | |
| die nach jedem Hochwasser und nach jeder Katastrophe kommen. [2][Die | |
| Lehren, die wir jetzt ziehen sollten – da passiert nichts]. Der | |
| Kohleausstieg wird irgendwann kommen, viel zu spät. Das macht einen nur | |
| noch wütend. | |
| Die Solidarität ist gewaltig, auch aus dem Ausland kommen viele | |
| Hilfsangebote. Halten die Winzer in der Krise zusammen? | |
| Ich glaube schon, dass diese Katastrophe die Winzer zusammenschweißt. Meine | |
| Sorge ist allerdings, dass die Solidaritätswelle schnell wieder verebbt. | |
| Wir brauchen Hilfe über einen langen Zeitraum. | |
| Was können unsere Leser:innen den betroffenen Weingütern Gutes tun? | |
| Bioweine von der Ahr trinken! Das wäre die größte Unterstützung. Das ist | |
| noch befriedigender als finanzielle Hilfe. | |
| 22 Jul 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Manfred Kriener | |
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