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# taz.de -- Hochwasser in West- und Süddeutschland: Gewarnt, aber nicht erhört
> Die Unwetter der vergangenen Woche kamen mit Ansage. Warnungen erreichten
> die Bevölkerung aber nur teilweise. Wo liegt der Fehler jetzt?
Bild: Nicht für möglich gehalten: Die Folgen von Starkregen in Kordel in Rhei…
Vor einem Jahr haben die Behörden gewarnt. Im Juni 2020 hat das Bundesamt
für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eine 400-seitige Broschüre
herausgegeben. Der Titel: [1][„Die unterschätzten Risiken ‚Starkregen‘ u…
‚Sturzfluten‘“]. Die beiden Phänomene seien „trotz ihres immensen
Gefahrenpotenzials keine Themen, die in der Öffentlichkeit weit verbreitet
sind“.
Zentral, so eine der Hauptaussagen, sei daher die Kommunikation mit der
Bevölkerung – präventiv und im Ernstfall. Beim Hochwasser der vergangenen
Woche hat das offenbar nicht funktioniert. Seit dem Wochenende dreht sich
die Debatte darum, ob die Behörden ausreichend gewarnt haben.
Mit angestoßen hat die Diskussion die britische Hydrologin Hannah Cloke,
die das europäische Frühwarnsystem Efas mitentwickelt hat. Schon Tage im
Voraus habe man die deutschen Behörden vor Überschwemmungen gewarnt. „Der
Fakt, dass Menschen nicht evakuiert wurden oder keine Warnungen erhalten
haben, lässt darauf schließen, das etwas schiefgegangen ist“, sagte sie am
[2][Sonntag der Times].
Der [3][Deutsche Wetterdienst (DWD)] und das [4][Bundesamt für
Bevölkerungsschutz] haben am Montag Vorwürfe zurückgewiesen, sie hätten zu
spät vor dem verheerenden Hochwasser gewarnt. „Wir sind extrem zufrieden
mit unserem frühzeitigen Warnmanagement“, sagte DWD-Sprecher Uwe Kirsche
der taz.
## Exakt vorhergesagt
Bereits am Vormittag des vergangenen Montags (12. Juli) gab der DWD eine
„Vorabinformation Unwetter vor heftigem/ergiebigem Regen“ heraus für die
Zeit von Dienstag- bis Donnerstagmorgen. „Bis Donnerstagfrüh können
aufsummiert örtlich begrenzt Regenmengen von bis zu 200 Liter pro
Quadratmeter auftreten“, lautete ein Satz in dieser Mitteilung, der sich
später auch bewahrheitete.
Gegen 18 Uhr am Montag folgte eine offizielle Unwetterwarnung für ein
Gebiet zwischen Dortmund und Saarbrücken, in dem auch die von der
Katastrophe besonders betroffenen Landkreise Ahrweiler und Rhein-Erft
liegen. „Infolge des Dauerregens sind unter anderem Hochwasser an Bächen
und kleineren Flüssen sowie Überflutungen von Straßen möglich“, schrieben
die Meteorologen.
Und: „Es können zum Beispiel Erdrutsche auftreten.“ Mit dem Unwetter sei
zwischen Dienstag- und Donnerstagmorgen zu rechnen – was sich
bewahrheitete.
Am Dienstagmorgen warnte der DWD sogar vor einem „extremen Unwetter“ und
grenzte das betroffene Gebiet enger ein. „Die entsprechenden konkreten
einzelnen Warnungen werden dann jeweils auf Landkreis- und/oder
Gemeindeebene an die zahlreichen DWD-Partner im Katastrophenschutz (THW,
Feuerwehr, Polizeien, Einsatzstäbe) verteilt“, erklärte Sprecher Kirsche.
Auch die betroffenen Landkreise und Kommunen seien informiert worden.
## Zählung der Sirenen
Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe,
Armin Schuster, wies ebenfalls Kritik zurück, es gebe kein ausreichendes
Warnsystem. „Die Warninfrastruktur ist nicht unser Problem gewesen, sondern
wie sensibel reagieren Behörden und Bevölkerung auf diese Warnungen“, sagte
Schuster am Montag im Deutschlandfunk und verwies auf 150 Warnmeldungen,
die zwischen Mittwoch und Samstag abgesetzt worden seien.
Derzeit werde für 90 Millionen Euro ein Sirenenkataster aufgebaut, um zu
sehen, wo in Deutschland noch Sirenen vorhanden seien. Man habe sich in den
vergangenen Jahren vor allem auf den Ausbau digitaler Warnsysteme
konzentriert, was aber nicht ausreiche, wenn Strom und Mobilfunk ausfielen.
Das nordrhein-westfälische Innenministerium teilte [5][laut Bild-Zeitung]
mit, alle amtlichen Warnungen seien der Leitstelle der Kreise und der
kreisfreien Städte zugestellt worden. Die konkreten Vorbereitungen, die
diese auf Grundlage der amtlichen Wetterwarnungen dann treffe, lägen aber
in deren eigenem Ermessen.
Da ein solches Ereignis abzusehen gewesen sei, sei am Dienstag eine
„Landeslage“ eingerichtet worden, um frühzeitig zu erkennen, ob in einem
Kreis oder einer kreisfreien Stadt überörtliche Hilfe benötigt werde.
## So wie beim Terrorismus
Weder der Kreis Ahrweiler noch der Rhein-Erft-Kreis reagierten bis
Redaktionsschluss auf Bitten der taz um Stellungnahme. Beide
Kreisverwaltungen sind wegen der Folgen der Katastrophe derzeit stark
belastet.
Als Folge des Unwetters könnte nun eine ohnehin geplante Reform des
Katastrophenschutzes beschleunigt werden. Beim Bundesamt für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe soll ein „Kompetenzzentrum“
entstehen, in dem Vertreter verschiedener Ebenen und Organisationen in
ständigem Austausch stehen.
Kompetenzen sollen dabei nicht von Ländern und Kommunen auf den Bund
übertragen werden, die Kommunikation soll sich aber verbessern. Vorbild ist
das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum der Sicherheitsbehörden von Bund
und Ländern. (mit rtr)
19 Jul 2021
## LINKS
[1] https://www.flussgebiete.nrw.de/system/files/atoms/files/bbk_starkregen.pdf
[2] https://www.thetimes.co.uk/article/germany-knew-the-floods-were-coming-but-…
[3] https://www.dwd.de/DE/wetter/warnungen_gemeinden/warnWetter_node.html?ort=S…
[4] https://www.bbk.bund.de/DE/Infothek/Fokusthemen/_documents/Themen/2021/star…
[5] https://www.bild.de/news/2021/news/unwetter-und-hochwasser-in-deutschland-u…
## AUTOREN
Tobias Schulze
Jost Maurin
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