# taz.de -- Folgen der Klimaerhitzung: Im Hochrisikoland | |
> Deutschland hatte in den vergangenen 20 Jahren mit die größten | |
> Klimaschäden zu verzeichnen. Vor Ort beginnt man sich darauf | |
> einzustellen. | |
Bild: Der Klimawandel macht Hochwasser wahrscheinlicher: Das Ahrtal nach dem Ho… | |
HAMBURG taz | Deutschland steht im [1][Klimarisikoindex der | |
Umweltorganisation Germanwatch] ganz oben. Es gehört zu den 20 Ländern, die | |
im neuen Jahrtausend die größten mit dem Klimawandel assoziierten „Schäden… | |
zu verzeichnen hatten. Dazu gehören die Hitzetoten des Sommers 2003, fatale | |
Winterstürme wie „Lothar“ und „Xaver“, die den Bahnverkehr lahmgelegt … | |
Autobahnen blockiert haben, die Hochwasser an Elbe und Donau – und im | |
nächsten Report wohl auch die fatalen Sturzfluten, die den Westen | |
Deutschlands kürzlich heimgesucht haben. | |
Die Wahrscheinlichkeit, dass das extreme Wetter – hohe Temperaturen, Dürre, | |
Starkregen – mit dem Klimawandel zu tun hat, ist hoch, denn es geht einher | |
mit einer deutlichen Veränderung klimatischer Parameter in den vergangenen | |
Jahrzehnten. Im Detail befasst sich damit die Attributionsforschung – ein | |
junger Zweig der Klimawissenschaften. Eine Hitzewelle wie jüngst in den USA | |
sei durch den Klimawandel 150-mal wahrscheinlicher geworden, [2][ermittelte | |
ein Team um die Klimatologin Friederike Otto von der Oxford-Universität]. | |
Nachgezeichnet werden die Veränderungen in den [3][Monitoring-Berichten der | |
Bundesregierung], die alle vier Jahre erscheinen, der letzte von ihnen | |
2019. Der vom Umweltbundesamt herausgegebene Bericht verfolgt 56 | |
Indikatoren auf 15 Handlungsfeldern und soll eine Basis liefern für die | |
deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel. | |
Laut dem Bericht verzeichnete der Deutsche Wetterdienst (DWD) in den Jahren | |
2003, 2018 und 2019 die wärmsten Sommer seit Beginn der | |
Wetteraufzeichnungen. Die Lufttemperatur in Deutschland ist von 1881 bis | |
2018 im Schnitt um 1,5 Grad Celsius angestiegen – für Niedersachsen gilt | |
der gleiche Wert, in Schleswig-Holstein waren es 1,3 Grad. | |
## Hitze nimmt zu | |
Im Zuge dieser Entwicklung ist es immer häufiger extrem heiß geworden. | |
Insbesondere die Zahl der heißen Tage pro Jahr mit 30 Grad oder mehr hat | |
deutlich zugenommen. Das hat Folgen: Im Jahr 2003 sind etwa 7.500 Menschen | |
mehr gestorben, als ohne Hitzewelle zu erwarten gewesen wäre. Für die Jahre | |
2006 und 2015 vermerkt das Monitoring jeweils etwa 6.000 zusätzliche | |
Todesfälle. | |
Die Hitzetoten tragen wesentlich dazu bei, dass das in einer gemäßigten | |
Klimazone liegende Deutschland im Risikoindex von Germanwatch in der | |
Spitzengruppe auftaucht. „Andere Länder haben gelernt, mit dem Thema Hitze | |
umzugehen“, sagt David Eckstein von Germanwatch mit Blick auf tropische und | |
subtropische Länder. Außerdem sei die Datenlage nicht in allen Ländern | |
gleich gut, sodass sich eine Übersterblichkeit nicht immer so gut | |
feststellen lasse. | |
Im Übrigen erfasse der Index Extremwetterereignisse und deren Folgen. | |
Daraus ergebe sich nicht direkt eine Rangfolge der vom Klimawandel am | |
stärksten betroffen Länder. Allerdings lasse sich ein Zusammenhang mit dem | |
Klimawandel nicht verneinen, insbesondere bei der Hitze sei er eindeutig. | |
Die zunehmende Temperatur bildet sich auch im Monitoring der | |
Bundesregierung ab. Es stellt fest, dass es in ganz Deutschland vermehrt zu | |
trockenen Phasen gekommen ist mit unterdurchschnittlichen | |
Grundwasserständen. Im Sommer sei der Wasserstand der Flüsse gesunken. Bei | |
Ganzjahresbetrachtungen stellte der [4][DWD in seinen Reports] allerdings | |
fest, dass es zumindest in Niedersachsen und Schleswig-Holstein feuchter | |
geworden ist. Ganz am Ostrand Niedersachsens verdunstet dagegen mehr | |
Feuchtigkeit als an Regen, Tau und Schnee fällt. | |
Der Regen fällt in Niedersachsen immer häufiger im Zuge von Wolkenbrüchen, | |
wenn man die Zeiträume von 1981 bis 2020 und 1961 bis 1990 miteinander | |
vergleicht. Der Zuwachs von 3,3, auf 3,9 Tage mit Starkregen sei aber so | |
gering, dass „Vorsicht bei der Interpretation geboten“ sei, warnt der DWD. | |
Für [5][Schleswig-Holstein gilt Ähnliches]. | |
Beim Flusshochwasser erkennt das Monitoring keinen Trend. Ein einzelnes | |
Hochwasserereignis lasse sich nicht mit dem Klimawandel erklären. „Die | |
Entstehung des Hochwassers hängt stets mit besonderen | |
Witterungskonstellationen zusammen, die aber bisher nicht systematisch und | |
regelmäßig wiederkehrend auftreten“, heißt es in dem Bericht. | |
Allerdings könne eine wärmere Atmosphäre grundsätzlich mehr Feuchtigkeit | |
aufnehmen, sodass es bei bestimmten Wetterlagen zu Wolkenbrüchen kommen | |
könne. Ein Beispiel dafür ist ein Tief, das aus der Biskaya übers | |
Mittelmeer nach Mitteleuropa zieht, dort auf kalte Luft trifft, die | |
Feuchtigkeit in Form heftigen Regens kondensieren lässt. | |
Klarer sieht das Bild beim Meeresspiegel aus. Die Pegel an der Nord- und | |
Ostsee sind messbar gestiegen. „Die Erhöhung der Intensität von Sturmfluten | |
ist weitgehend auf den Meeresspiegelanstieg zurückzuführen“, heißt es im | |
Monitoring. Der Meeresspiegel ist im Schnitt der vergangenen 120 Jahre um | |
knapp zwei Millimeter pro Jahr gestiegen. Dadurch starten die Sturmfluten | |
heute auf einem höheren Ausgangsniveau. Verschärft werden sie durch | |
Eindeichungen und das Absperren von Nebenflüssen, die dem Wasser den Raum | |
nehmen. | |
## Frühling immer früher | |
Dafür, dass sich das Klima geändert hat, sprechen auch die Blühzeiten der | |
Pflanzen. Die Entwicklung zeige seit Jahren „eindeutig in die eine | |
Richtung: Die Winter werden wärmer und kürzer, der Frühling setzt schneller | |
ein“, sagt Claus von Hoerschelmann vom Multimar-Wattforum im | |
nordfriesischen Tönning. | |
Das dortige Meeresmuseum dokumentiert die Klimaveränderungen im Wattenmeer. | |
So findet sich dort neuerdings der Diogenes-Einsiedler, ein aus dem | |
Mittelmeer stammender Krebs. Und die Dänen können vor ihre Küste Sardellen, | |
Sardinen und Meeräschen fangen. Die fühlen sich dort jetzt wohl, weil Nord- | |
und Ostsee seit 1985 an die 1,4 Grad wärmer geworden sind. | |
Doch lässt sich aus der Statistik der vergangenen rund 150 Jahre | |
tatsächlich ableiten, dass sich dass Erdklima ändert? Unbedingt, sagt der | |
Hamburger Klimaforscher Mojib Latif. „Das ist völlig aus der Art | |
geschlagen, wenn man die vergangenen Jahrtausende betrachtet.“ Durch die | |
Untersuchung von Kohlendioxidgehalten in Eisbohrkernen oder Pollendaten aus | |
der Erdvergangenheit versuchten Klimaforscher die natürliche Variabilität | |
abzuschätzen. Ergebnis: Einen so rasanten Temperaturanstieg wie heute habe | |
es noch nie gegeben. | |
Der Übergang von der letzten Eiszeit zur jetzigen Warmzeit habe 10.000 | |
Jahre gedauert, die Temperaturerhöhung habe vier Grad betragen, sagt Latif. | |
Heute sprächen wir von einem Grad in 100 Jahren. „Das wäre alles kein | |
Problem“, sagt der Klimaforscher, „wenn es langsam passieren würde“. Aber | |
danach sieht es nicht aus. | |
6 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Laenderranking-zu-Extremwetterlagen/!5743085 | |
[2] /Was-menschenverursacht-ist/!5785678 | |
[3] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltbundesamt-2019-monitorin… | |
[4] https://www.dwd.de/DE/leistungen/klimareport_ns/klimareport_ns.html | |
[5] https://www.dwd.de/DE/leistungen/klimareport_sh/klimareport_sh.html | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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