Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Lehren aus der Flut in Deutschland: Früher warnen, mehr Klimaschutz
> Welche Lehren sind aus der Flut zu ziehen? Während die Union vor zu viel
> Bundeskompetenzen warnt, werden die Grünen konkret.
Bild: Spur der Katastrophe: Mit Schlamm beschmierter Besen in Bad Neuenahr-Ahrw…
Berlin taz | Eigentlich soll es um konkrete Veränderungen beim
Katastrophenschutz gehen, als Annalena Baerbock am Montag zum ersten Mal
seit ihrem Urlaub in Berlin vor die Presse tritt. Zusammen mit der
Innenpolitikerin Irene Mihalic (Grüne) stellt sie dazu ein Papier vor, in
dem etwa eine „Stärkung der Frühwarnsysteme und Krisenforschung“ gefordert
wird.
Doch schnell kommt Baerbock auf das Thema zu sprechen, mit dem sich die
Grünen nach der Katastrophe wirklich profilieren wollen: die Klimapolitik.
„Sie wissen, wir arbeiten an diesem Thema nicht erst seit gestern“, sagt
Baerbock als Spitze gegen die politische Konkurrenz.
Es ist offensichtlich: Die Kanzlerkandidatin der Grünen, die sich nach dem
Hochwasser zunächst stark zurückgehalten und auf öffentliche Auftritte im
Flutgebiet ebenso verzichtet hatte wie auf Vorwürfe gegen andere, geht
wieder stärker in die Offensive. Vor allem den Unions-Kanzlerkandidaten
Armin Laschet greift Baerbock direkt an. Mit ihrer Forderung, dass die
Politik „nach einer so unglaublichen Katastrophe nicht einfach weitermachen
kann wie bisher“, stellt sie sich gegen Laschet, der gesagt hatte: „Weil
jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik.“
Mit der Ansage, sie wolle „Klimaschutzpolitik nicht nur versprechen,
sondern konkret machen“, stellt sie sich gegen das unklare Wahlprogramm der
Union. Und die widersprüchlichen Aussagen von CDU und CSU kommentiert
Baerbock mit der Feststellung, dass das Land sich „dieses Klimawirrwarr der
Union nicht länger leisten“ könne.
Laschet hatte zuvor im ZDF-Sommerinterview erklärt, beim Klimaschutz sei
mehr Tempo erforderlich, aber keinerlei Maßnahmen genannt, wie die Union
dieses Ziel erreichen will; die Forderung von CSU-Chef Markus Söder, den
Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen, lehnt er ab. „Die Zeit von
Herumlavieren, Abwiegeln, Beschönigen, mit der muss jetzt Schluss sein“,
forderte Baerbock.
Doch nicht nur beim Klimaschutz, auch beim Katastrophenschutz wollen die
Grünen manches anders machen als die Union in der Vergangenheit. So
forderten Baerbock und Mihalic etwa mehr Kompetenzen und Stellen für das
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Bisher ist
das Amt vor allem im Verteidigungsfall zuständig, während die Zuständigkeit
für den zivilen Katastrophenschutz bei den Bundesländern liegt.
Zwar wollen die Grünen die Kompetenzen nicht komplett auf den Bund
verlagern, dem BBK jedoch zur Koordinierung eine stärkere
„Zentralstellenkompetenz“ zuweisen. Zudem fordern sie eine schnelle
Einführung von [1][Cell Broadcasting], also jenem System, mit dem Warnungen
automatisiert an jedes Handy geschickt werden, das sich in einer bestimmten
Funkzelle befindet.
Zumindest mit Horst Seehofer sind die Grünen in diesem letzten Punkt auf
einer Linie. Der CSU-Politiker und Innenminister war am Montag in den
Innenausschuss des Bundestags eingeladen. Die Grünen hatten die
Sondersitzung anlässlich der Flutkatastrophe zusammen mit der SPD
beantragt.
## Seehofer warnt
Er selbst habe sich bereits für die Einführung des Cell Broadcastings
entschieden, sagte Seehofer vor Beginn der Sitzung. „Ich glaube, man kann
das noch in diesem Jahr hinbringen. Wenn man will, kann man Berge
versetzen.“ Die Flutkatastrophe hat das Tempo hier wohl erhöht: Eine
Machbarkeitsstudie unter Hoheit des BBK läuft zwar schon seit einigen
Monaten, sie war bislang aber ergebnisoffen angelegt. Im
Unions-Wahlprogramm wird die Technologie zwar erwähnt, allerdings heißt es
dort, sie sei als „ergänzender Multiplikator im Warnmittelmix zu prüfen“.
Gebremst, so Seehofer am Montag, hätten bislang aber andere, nicht er
selbst und sein Ministerium. „Von der Idee sind nicht immer alle begeistert
gewesen in den letzten Monaten“, sagte er. „Ich weiß um die Bedenken in
manchen Ministerien, ich weiß um die Kosten.“ Welche Ressorts Einwände
haben oder hatten, verriet der Innenminister nicht.
Vor zu vielen Bundeskompetenzen im Katastrophenschutz warnt Seehofer
jedoch. Stärkere Absprachen zwischen den verschiedenen Ebenen mit dem BBK
als „Kompetenzzentrum“ im Mittelpunkt fordert er zwar auch und hat im
Frühjahr eine entsprechende Reform auf den Weg gebracht. Die
Zuständigkeiten will er dabei aber nicht verlagern. „Seit Jahrzehnten sind
die Länder zuständig, und das halte ich für richtig. Das ist genauso
wichtig wie die föderale Struktur der Sicherheitsorgane“, sagte der
Bundesinnenminister.
Kritik an den momentanen Zuständigkeiten war aufgekommen, weil die
Bevölkerung zum Teil trotz entsprechender Vorhersagen des Deutschen
Wetterdienstes und anderer Stellen [2][nicht ausreichend vor dem Hochwasser
vor zwei Wochen gewarnt worden war.] Zuständig dafür sind die Länder
beziehungsweise die Kommunen, weshalb die Warnungen von Ort zu Ort sehr
unterschiedlich ausgefallen waren. Bei der Flutkatastrophe sind allein in
Deutschland mindestens 170 Menschen ums Leben gekommen.
26 Jul 2021
## LINKS
[1] /Cell-Broadcasting-fuer-Katastrophenschutz/!5788639
[2] /Hochwasser-in-Deutschland/!5787157
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
Tobias Schulze
## TAGS
Annalena Baerbock
Flut
Unwetter
Armin Laschet
Flutkatastrophe in Deutschland
Katastrophenschutz
Flutkatastrophe in Deutschland
Schwerpunkt Klimawandel
Flut
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Klimawandel
Flutkatastrophe in Deutschland
Flutkatastrophe in Deutschland
taz.gazete
Podcast „Bundestalk“
Hochwasser
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tester über Katastrophen-Warn-Apps: „Eine App reicht meist nicht aus“
Anwendungen wie Nina sollen vor Katastrophen warnen. Doch was ist von ihnen
zu halten? Jonas Schönfelder von der Stiftung Warentest erklärt die Lücken.
Folgen der Klimakrise: Das unbezahlbare Gut
Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands zeigt: In der Klimakrise ist
nicht das Geld knapp. Vielmehr mangelt es an ausreichend Handwerkern.
Folgen der Klimaerhitzung: Im Hochrisikoland
Deutschland hatte in den vergangenen 20 Jahren mit die größten Klimaschäden
zu verzeichnen. Vor Ort beginnt man sich darauf einzustellen.
Olympia, Union und Blitzranking: Von Ohrfeigen und Jogginhosen
Deutsche Trainer machen von sich Reden, Söder prescht wieder vor und
Karstadt ist bald Geschichte. 5 Dinge, die wir diese Woche gelernt haben.
Katastrophale Lage in Flutgebieten: Medizinische Versorgung gefährdet
Wegen zerstörter Infrastruktur sei die Gesundheit der Menschen in den
Flutgebieten „massiv bedroht“, warnen Amtsärzt:innen. Es herrsche
Seuchengefahr.
Flutkatastrophe in Deutschland: Zwei weitere Tote im Kreis Ahrweiler
Die Zahl der Menschen, die bei dem Hochwasser vor zwei Wochen ums Leben
gekommen sind, steigt in Rheinland-Pfalz auf 134. In NRW wird niemand mehr
vermisst.
Ertrunkene Menschen mit Behinderung: Wie konnte das passieren?
Trotz aller Warnungen vor der Flut: In einem Sinziger Wohnheim ertranken
zwölf Menschen mit Behinderung. Viele Details sind noch immer unklar.
Solidarität nach der Flut: Hilfe annehmen
Die Unterstützung, die den vom Hochwasser Betroffenen zuteil wird, ist
ermutigend. Aber sie kann den Staat nicht aus der Verantwortung nehmen.
Podcast „Bundestalk“: Verändert die Flut den Wahlkampf?
In der Flutkatastrophe fahren Union, SPD und Grüne verschiedene Strategien
und bleiben beim Thema Klima.
Nach der Flutkatastrophe in Deutschland: Helfen, aber richtig
Viele wollen die Menschen in den Hochwassergebieten unterstützen. Aber wie?
Und was kommt bei den Betroffenen wirklich an?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.