| # taz.de -- Solidarität nach der Flut: Hilfe annehmen | |
| > Die Unterstützung, die den vom Hochwasser Betroffenen zuteil wird, ist | |
| > ermutigend. Aber sie kann den Staat nicht aus der Verantwortung nehmen. | |
| Bild: Bad Münstereifel: Viele helfende Hände beseitigen den Schutt | |
| Wer in den vergangenen Tagen in den vom Hochwasser betroffenen Regionen | |
| unterwegs war, der sah [1][neben jeder Menge Leid und Zerstörung] vor allem | |
| eines: Solidarität. Familie, Freund*innen, Nachbar*innen, teils | |
| vollkommen ortsfremde Menschen helfen dabei, den Müll und Schutt aus den | |
| zerstörten Häusern zu holen. | |
| Sie bieten Schlafplätze für jene an, die die Flut obdachlos gemacht hat, | |
| spenden Pumpen und Generatoren, verteilen Essen und Wasser. Viele opfern | |
| dafür ihren Urlaub. Die Polizei bittet inzwischen Helfer:innen, nicht mehr | |
| mit dem privaten Pkw anzureisen. Es kämen so viele, dass sie die Straßen | |
| für Feuerwehr und Technisches Hilfswerk verstopften. | |
| Die aktuelle Hilfsbereitschaft ist bewundernswert, mitunter rührend – | |
| überraschend ist sie jedoch nicht. Viele Menschen helfen – entgegen dem | |
| weitverbreiteten Mythos – gerne anderen. Zwar stimmt es, dass das Maß der | |
| Hilfsbereitschaft proportional zum Schrecken einer Katastrophe steigt. Doch | |
| auch für Nichtkrisenzeiten gilt, dass Solidarität möglich ist – wenn man | |
| denn danach fragt. | |
| [2][Das Besondere einer Naturkatastrophe] ist eben nicht, dass Menschen auf | |
| einmal ihr Herz entdecken, sondern dass Menschen sich trauen, Hilfe auch | |
| anzunehmen. Dass sie sich nicht scheuen oder schämen zu sagen: Ich schaffe | |
| es nicht allein. In der Katastrophe ist diese Einsicht leicht. Das sollte | |
| sie auch in anderen Zeiten sein. | |
| ## Ressource Solidarität nicht überstrapazieren | |
| All das nimmt den Staat keineswegs aus der Verantwortung. Man dürfe die | |
| Ressource Solidarität nicht überstrapazieren, sagte der Soziologe Ulf | |
| Tranow kürzlich im Deutschlandfunk. Auch das stimmt. Das derzeitige Maß an | |
| Hilfsbereitschaft ist allein schon deshalb begrenzt, weil es die Menschen | |
| tatsächlich an ihre Grenzen bringt. | |
| Ein kapitalistisch organisierter Staat kann sich strukturell gar nicht auf | |
| die ständige gegenseitige Hilfsbereitschaft verlassen, weil die meisten | |
| Menschen dafür schlicht keine Zeit haben. Dass es vielen im Krisenfall | |
| dennoch gelingt, Solidarität zu zeigen, ist ein Glücksfall, eine Garantie | |
| für die Zukunft ist es nicht. | |
| 26 Jul 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Daniel Böldt | |
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