# taz.de -- Volksfest Gillamoos: Aiwanger sieht Demokratie in Gefahr | |
> Auf dem Gillamoos kübeln Söder, Merz und Aiwanger gegen die | |
> Bundespolitik. In der Flugblatt-Affäre wittern die Freien Wähler | |
> weiterhin eine Kampagne. | |
Bild: Hubert Aiwanger feiert auf dem Volksfest Gillamoos | |
ABENSBERG dpa/taz | Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hat bei seiner Rede | |
auf dem Gillamoos-Volksfest vor einer politischen Spaltung des Landes | |
gewarnt. „Dieses Land wird derzeit politisch tief gespalten bis hin zu | |
einer Situation der Regierungsunfähigkeit“, sagte [1][Bayerns | |
Vize-Ministerpräsident] am Montag im niederbayerischen Abensberg. Als | |
Beispiel nannte er Umfragen in ostdeutschen Bundesländern, in denen | |
„Randparteien“ mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinten. „Dann | |
ist die Demokratie in höchster Gefahr“, sagte Aiwanger. | |
Seine Partei wolle deshalb „ein Angebot der vernünftigen Politik“ an Wähl… | |
der Mitte machen, sagte Aiwanger. Sie habe dabei die Pflicht, | |
„Fehlentwicklungen ganz deutlich zu benennen“. Mit Blick auf seine | |
umstrittenen Äußerungen zum Heizungsgesetz bei einer Kundgebung im | |
oberbayerischen Erding sagte der Freie-Wähler-Chef: „Ich sah mich in keiner | |
anderen Situation als diese Dinge beim Namen zu nennen, damit die sehen, | |
dass die Bevölkerung diesen Weg nicht mitgeht.“ | |
Aiwanger hatte bei der Kundgebung unter anderem gesagt, dass eine | |
schweigende, große Mehrheit die Demokratie wieder zurückholen müsse. | |
[2][Vertreter anderer Parteien hatten Aiwanger dafür scharf kritisiert und | |
ihm Populismus vorgeworfen.] | |
CSU-Chef Markus Söder hat die Bundesregierung in seiner Rede auf dem | |
Gillamoos-Volksfest scharf attackiert. „Die Hampel-Ampel ist die | |
schlechteste Regierung, die Deutschland je hatte“, sagte Söder bei dem | |
gemeinsamen Bierzelt-Auftritt mit CDU-Chef Friedrich Merz. „Woche für Woche | |
Streit“, kritisierte er. „Woche für Woche Hin und Her.“ | |
Nach der Bundestagswahl 2025 werde die Union die Ampel ablösen, sagte Söder | |
optimistisch voraus. „Die Ampel wird das Jahr 2025 nicht mehr erfolgreich | |
als Regierung bestreiten. Die lösen wir gemeinsam ab.“ Kurz nach der Beginn | |
der Rede hatte ein Störer versucht, Söder aus dem Konzept zu bringen. Der | |
Mann wurde aus dem Zelt getragen. | |
## Merz lobt Söder für Aiwanger-Aufarbeitung | |
Der CDU-Vorsitzende Merz lobte Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder | |
(CSU) für [3][die Aufarbeitung der Affäre um Vize-Regierungschef Hubert | |
Aiwanger (Freie Wähler)]. Söder habe in den vergangenen Tagen eine verdammt | |
schwierige Aufgabe gehabt, und die habe er bravourös gelöst, sagte Merz. | |
„Sehr gut, genauso war's richtig, das so zu machen.“ Söder hatte am Sonntag | |
seine Entscheidung mitgeteilt, Aiwanger am Ende trotz aller Vorwürfe rund | |
und ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten im Amt zu belassen. | |
Merz attackierte in seiner Rede die Ampel-Regierung zur Halbzeit der | |
Legislaturperiode in scharfen Worten. „Wir sind fest entschlossen, es | |
spätestens in zwei Jahren besser zu machen als diese Regierung“, sagte | |
Merz. Deutschland habe eine bessere Regierung verdient. „Fachkräftemangel | |
haben wir in erster Linie in der Bundesregierung – und nicht bei den | |
Ingenieuren in Deutschland.“ Merz warf SPD, Grünen und FDP unter anderem | |
schwere Fehler in der Energie- und in der Migrationspolitik vor. Die | |
Abschaltung dreier funktionierender Atomkraftwerke kritisierte er als | |
„Dämlichkeit“ und „Schwachsinn“. | |
Die Generalsekretärin der Freien Wähler, Susann Enders, bezeichnete [4][die | |
Vorwürfe gegen Aiwanger als „Riesenkampagne]“. „Es ist eine Wahnsinnszeit | |
im Moment“, sagte Enders. „Eine Riesenkampagne hält uns seit über einer | |
Woche in Atem.“ Ihre Partei und Aiwanger hätten aber angesichts der | |
Vorwürfe in „unzähligen E-Mails, unzähligen Telefonaten“ viel Zuspruch | |
erhalten. „Ihr habt uns als Freien Wählern so viel Rückhalt gegeben in den | |
letzten Tagen“, sagte Enders. | |
## Bayerns SPD attackiert Aiwanger | |
Der bayerische SPD-Landeschef Florian von Brunn sprach Ministerpräsident | |
Söder Führungskraft ab. In der Flugblatt-Affäre habe sich gezeigt: „Söder | |
hat keinen Einfluss“, sagte er am Montag. Söder habe sich an den | |
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger „gekettet, er ist auf ihn angewiesen“. | |
Von Brunn eröffnete auf dem Volksfest Gillamoos den politischen | |
Frühschoppen der SPD. | |
Dabei attackierte er Aiwanger erneut: [5][Ein antisemitisches Flugblatt sei | |
keine Jugendsünde] – „nein, es ist eine Sauerei“. Er kenne viele, die | |
Unsinn in der Jugend gemacht hätten. „Aber ich kenne niemanden, der so üble | |
Flugblätter in der Tasche hatte. Das ist kein dummer-Jungen-Streich. Das | |
ist rechtsradikal und nichts anderes.“ | |
Das immer Anfang September stattfindende Volksfest Gillamoos hat eine mehr | |
als 700-jährige Tradition im Landkreis Kelheim in Niederbayern und ist | |
gerade für die politischen Reden am letzten Festtag überregional bekannt. | |
Parallel gibt es einen Bierzelt- und Volksfestbetrieb. | |
4 Sep 2023 | |
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