| # taz.de -- Söders Aiwanger-Treue: Es geht um Macht, nicht um Moral | |
| > Söder hält am Freie-Wähler-Chef fest, weil er ihn nach der Bayernwahl | |
| > braucht. Um die Sache ging es bei der Flugblatt-Affäre längst nicht mehr. | |
| Bild: Aiwanger, ein pflegeleichter Koalitionspartner | |
| Der entscheidende Satz fiel in der vorletzten Minute: „Wir werden in Bayern | |
| die bürgerliche Koalition fortsetzen. Es wird definitiv kein Schwarz-Grün | |
| geben.“ Man tritt Markus Söder bestimmt nicht zu nahe, wenn man ihm | |
| unterstellt, dass genau das der eigentliche Beweggrund dafür ist, [1][an | |
| Hubert Aiwanger festzuhalten], der längst nicht mehr nur das Enfant | |
| terrible seines Kabinetts ist. | |
| Mit Moral, mit einer ausgewogenen Beurteilung des Verhaltens Aiwangers in | |
| der vergangenen Woche hat diese Entscheidung nichts zu tun. Das zeigt sich | |
| schon an den fadenscheinigen Begründungen. Er wolle keine Vorverurteilung | |
| vornehmen. Aber was heißt hier Vorverurteilung? Verurteilung vor was? | |
| Diesen Satz hätte man direkt nach der ersten Veröffentlichung der | |
| Süddeutschen Zeitung bringen können. Aber nun geht es um das seitherige | |
| Verhalten Aiwangers. Dieses allen Ernstes als unglückliches | |
| Krisenmanagement zu bezeichnen, bedarf schon einer Extraportion Chuzpe. | |
| Man erinnere sich [2][an das Silvestervideo von Christine Lambrecht], das | |
| Energiekrisenmanagement von Robert Habeck. Hier hätte man die Vokabel | |
| „unglücklich“ vielleicht gebrauchen können. Söder hingegen forderte die | |
| Entlassung der beiden. Aber Moral ist bei Söder immer nur die Moral der | |
| anderen. | |
| Jetzt dürfe nichts mehr dazukommen, hat Söder vor ein paar Tagen noch | |
| großspurig gefordert, und er erwarte eine umfangreiche und [3][glaubwürdige | |
| Beantwortung seines Fragenkatalogs]. Nun lässt er Aiwanger aber etwa mit | |
| der Behauptung durchkommen, er wisse nicht, wie die Flugblätter in seine | |
| Schultasche gekommen seien. Auch die windelweiche Pseudoentschuldigung | |
| seines Vize lobt er als richtig und notwendig. Und dass er sich von dem | |
| Flugblatt distanziert habe, spreche für Aiwanger. Hallo? Allein dass Söder | |
| offenbar in Betracht zieht, es könne möglich sein, sich nicht von diesem | |
| Machwerk zu distanzieren, lässt einen sprachlos zurück. | |
| ## Söder geht es um Wählerstimmen | |
| Söders Entscheidung ist eine wohlkalkulierte, rein machtpolitische. Gut, | |
| bei Wählern der Ampelparteien in Bayern dürfte er ein weiteres Stück | |
| Glaubwürdigkeit verspielt haben, nur juckt ihn das so sehr, wie wenn | |
| irgendwo in Niederbayern eine Schultasche umfällt: Deren Stimmen hätte er | |
| sowieso nicht bekommen. | |
| Viel schmerzhafter für ihn wären die Stimmen gewesen, die er bei einer | |
| Entlassung Aiwangers an die Freien Wähler, vielleicht auch die AfD verloren | |
| hätte. Und der Verlust eines sonst im Großen und Ganzen pflegeleichten | |
| Koalitionspartners. Für Söder und Aiwanger dürfte die Sache damit | |
| vielleicht noch mal glimpflich ausgehen – für Bayerns Demokratie nicht. | |
| 3 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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