# taz.de -- Aiwanger-Affäre in Bayern: Söder hält an Aiwanger fest | |
> Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) setzt seinen Vize Aiwanger nicht | |
> vor die Tür. Trotz des antisemitischen Flugblatts darf er Minister | |
> bleiben. | |
Bild: Markus Söder (rechts) und Hubert Aiwanger (links, aber erst recht rechts… | |
München/Berlin dpa/epd/taz | Die Messe ist erstmal gelesen. Bayerns | |
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will seinen Stellvertreter Hubert | |
Aiwanger (Freie Wähler) trotz zahlreicher Vorwürfe in der Affäre um ein | |
antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten aktuell nicht entlassen. Das | |
sagte Söder am Sonntag „aus aktuellem Anlass“ in einer eilig einberufenen | |
Pressekonferenz. | |
Er habe sich die Entscheidung über Aiwanger nicht leicht gemacht, betonte | |
Söder zu Beginn. Antisemitismus habe in Bayern keinen Platz. „Bayern ist | |
ein Bollwerk gegen Rassismus und Antisemitismus“, sagte Söder. Das | |
garantiere er persönlich als Ministerpräsident. Das Flugblatt sei | |
„besonders ekelig, menschenverachtend und absoluter Nazijargon“. | |
Aiwangers Krisenmanagement sei nicht glücklich gewesen, erklärte Söder | |
weiter. Aber es habe eine späte, aber nicht zu späte Entschuldigung von | |
Aiwanger gegeben. Die sei notwendig gewesen. | |
Söders Fragen und Aiwangers Antworten [1][wurden nach der Pressekonferenz | |
online veröffentlicht]. Nicht alle Antworten seien befriedigend, sagte | |
Söder. Aber er habe sich erneut von dem Flugblatt distanziert und glaubhaft | |
versichert, dass er nicht Autor des Papiers sei. Das müsse und wolle er zu | |
Aiwangers Gunsten auslegen, so Söder. | |
Seit dem Vorfall habe es nichts Vergleichbares bei Aiwanger gegeben. Und | |
die Sache sei 35 Jahre her. Daher sei in der Gesamtabwägung eine Entlassung | |
aus dem Amt nicht verhältnismäßig, so Söder. | |
## Gespräche mit jüdischen Gemeinden | |
Aber ein einfaches „Schwamm drüber“ könne es auch nicht geben. Nur wer | |
ernsthaft bereue, könne auf Verzeihung hoffen. Man habe besprochen, dass | |
Aiwanger zum Beispiel das Gespräch mit jüdischen Gemeinden suchen solle. | |
Das sei bereits am Sonntagmorgen auch mit „Frau Knobloch und Herren | |
Schuster besprochen“ worden. Charlotte Knobloch ist die Präsidentin der | |
Israelitischen Kultusgemeinde München, Josef Schuster ist Präsident des | |
Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorsitzender der Israelitischen | |
Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken. | |
Damit stehe auch fest, dass die CSU die Koalition mit den Freien Wählern | |
fortsetzen könne, sagte Söder. Eine Zusammenarbeit mit den Grünen schloss | |
er erneut aus. | |
„Ich bedaure diese Angelegenheit“, erklärte Söder. Für ihn sei die Sache | |
damit aber abgeschlossen. | |
## Eine Woche Debatte | |
Zuvor war es seit gut einer Woche um die Aufarbeitung der [2][Affäre um | |
Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger und ein antisemitisches | |
Flugblatt] aus Schulzeiten gegangen. Der Freie-Wähler-Chef hatte zuletzt | |
[3][einen umfangreichen Fragenkatalog Söders] zu den Vorwürfen schriftlich | |
beantworten müssen. Danach werde er eine abschließende Bewertung treffen, | |
hatte Söder vorab angekündigt. | |
Gegen Aiwanger waren seit einer Woche immer neue Vorwürfe laut geworden. Am | |
Samstag vor einer Woche hatte er zunächst schriftlich zurückgewiesen, zu | |
Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das | |
die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ei… | |
es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. | |
Kurz darauf erklärte Aiwangers älterer Bruder, das Pamphlet geschrieben zu | |
haben. | |
Am Donnerstag [4][entschuldigte sich Aiwanger erstmals öffentlich]. In | |
Bezug auf die Vorwürfe blieb er bei bisherigen Darstellungen – | |
insbesondere, dass er das Flugblatt nicht verfasst habe und dass er sich | |
nicht erinnern könne, als Schüler den Hitlergruß gezeigt zu haben. [5][Auf | |
X (ehemals Twitter)] wies er zudem den Vorwurf, er habe Hitlers „Mein | |
Kampf“ in der Schultasche gehabt, als „Unsinn“ zurück. Zu weiteren | |
Vorwürfen äußerte er sich entweder nicht oder sagte, er könne diese aus | |
seiner Erinnerung weder dementieren noch bestätigen. | |
Gleichzeitig ging der Freie-Wähler-Chef zum Gegenangriff über, beklagte | |
eine politische Kampagne gegen ihn und seine Partei – was ihm sofort neue | |
Vorwürfe etwa des Zentralrats der Juden einbrachte. | |
## Hofreiter kritisiert Aiwanger | |
Wegen der Affäre um das antisemitische Flugblatt hält der Grünen-Politiker | |
Anton Hofreiter den bayerischen Wirtschaftsminister Aiwanger nicht mehr für | |
tragbar. „Das zentrale Problem am Verhalten von Herrn Aiwanger sind weniger | |
die antisemitischen und zutiefst menschenverachtenden Aussagen, die er | |
damals in seiner Tasche hatte, sondern der heutige Umgang damit“, sagte | |
Hofreiter den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ (Sonntag). „Statt klar um | |
Entschuldigung zu bitten, tut er so, als wäre er selbst das Opfer.“ | |
Hinweis: Der Text wurde nach der Pressekonferenz aktualisiert. | |
3 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bayern.de/fragenkatalog-an-staatsminister-hubert-aiwanger/?seit… | |
[2] /Die-Causa-Aiwanger-und-ihre-Folgen/!5957316 | |
[3] /Causa-Aiwanger/!5953207 | |
[4] /Affaere-um-antisemitisches-Hetzblatt/!5957456 | |
[5] https://twitter.com/HubertAiwanger/status/1696979612268363904 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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