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# taz.de -- Antisemitismusvorwürfe gegen Aiwanger: Der bockige Hubert
> Hubert Aiwanger äußert sich zu Hitlergruß- und Antisemitismus-Vorwürfen.
> Anstatt sich zu entschuldigen begibt er sich lieber in die Opferrolle.
Bild: Eine Kampagne! Astreine Aiwangersche Vergangenheitsbewältigung
Hubert Aiwanger will ein Politiker aus Leidenschaft sein. Jedenfalls
schreibt er das über sich selbst in seiner Biografie bei X (ehemals
Twitter). Ein solcher Politiker aus Leidenschaft, der darf auch mal Fehler
machen, darf sich geirrt haben; der kann später Reue zeigen, kann sich
hinstellen und sagen: Ich schäme mich für das, was damals passiert ist. Ein
Politiker aus Leidenschaft, der nimmt schwerwiegende Vorwürfe ernst, der
beteiligt sich an der Aufarbeitung und Aufklärung.
Ein Populist hingegen, der macht keine Fehler. Der kennt nur Härte. Der
macht Stimmung. Kocht sich und die Massen hoch, kennt nur den Weg nach
vorne, mit dem Kopf durch die Wand; weiß Ängste zu schüren und vorzugeben,
selbst keine zu haben.
[1][Bayerns Vize-Regierungschef und Chef der Freien Wähler Hubert Aiwanger]
brauchte fast eine Woche (!!), um sich zu der wachsenden Zahl an Vorwürfen
gegen ihn, in dessen Zentrum ein nazistisches und antisemitisches Pamphlet
steht, länger zu äußern. Am Mittwoch wollte er noch seit Jahrzehnten kein
Antisemit gewesen sein, am Donnerstag war er nie ein Antisemit. Was denn
nun?
Er bereue zutiefst, falls er „durch das Pamphlet Gefühle verletzt habe“,
[2][sagte er am Donnerstag.] [3][Immer diese verletzten Gefühle], wenn
Juden und Antisemitismus im Spiel sind. Scheiß auf Gefühle! Antworten ist
Aiwanger der Öffentlichkeit schuldig, Aufklärung wollen wir! Die blieb aber
aus.
## Die Nicht-Entschuldigung
Stattdessen folgte seine bekannte Opfererzählung. Damals, da ließ er sich
bestrafen für etwas, das sein Bruder, der Helmut, gemacht haben soll. So
stellen es die Brüder dar. Und heute, da bewerfen den Hubert Aiwanger alle
mit Schmutz deshalb. Eine Kampagne! Astreine Aiwangersche
Vergangenheitsbewältigung.
Und so formulierte dieser Politiker aus Leidenschaft bereits am Mittwoch
trotzig auf X, was er tatsächlich über die Vorwürfe gegen ihn denkt:
„#Schmutzkampagnen gehen am Ende nach hinten los. #Aiwanger“. Wem er damit
drohen wollte? Den „unnormalen“ Menschen vielleicht? Von denen sprach er ja
bei seiner Rede in Erding. Und rief die „schweigende Mehrheit“ dazu auf,
sich die Demokratie zurückzuholen.
Gut, soll er noch eine Chance bekommen sich zu erklären: Exklusiv-Interview
mit der Welt, veröffentlicht kurz nach seiner Pressekonferenz. Wenn er doch
keine Schuld trägt, was ist damals passiert? Warum wurde das Pamphlet in
seiner Tasche gefunden? Aiwanger: „(atmet tief durch) Fragen Sie mich bitte
etwas anderes!“ Chance vertan.
## Söder unter Druck
Für Ministerpräsident Markus Söder soll's jetzt ja ganz schnell gehen, der
„Dreck“ soll verschwinden. Dafür fehlen nur noch Aiwangers Antworten auf
den [4][25-Fragen-Katalog], den ihm Söder geschickt hat. An Aiwanger will
der nämlich festhalten, die Landtagswahl steht schließlich kurz bevor.
Kann es sich einer, der es politisch mal noch weiter bringen will,
vielleicht irgendwann bis nach Berlin, leisten, hier wahlkampftaktisch
vorzugehen und nicht die konservative harte Hand als Grenze aufzuzeigen?
Das wäre die eine, pragmatische und zugleich moralische Frage, die hier an
Söder gerichtet sei.
Da darf jetzt aber nix mehr dazu kommen! Das sagte Söder am Dienstag zu
seinem Vize Aiwanger. Und dann kam noch was, und noch was hinzu. Wie viel
ist Söder denn zu viel? Wann ist für ihn die Grenze überschritten?
Aiwanger ist politisch nicht zu halten. Oder können Sie sich Aiwanger nach
der Wahl bei Gedenkveranstaltungen im KZ Dachau vorstellen? Welche jüdische
Institution in Bayern, welche Gemeinde, würde ihn noch einladen?
Will man Aiwanger glauben, so sind auch die Bayern, die er aktuell bei
seinen Wahlkampfterminen trifft, davon überzeugt, dass eine Kampagne gegen
ihn läuft. Mir läuft es da kalt den Rücken runter.
1 Sep 2023
## LINKS
[1] /Antisemitismus-Vorwurf-gegen-Aiwanger/!5953031
[2] /Nach-antisemitischer-Hetzschrift/!5952886
[3] /Antisemitismus-auf-der-Documenta/!5860701
[4] /Causa-Aiwanger/!5953207
## AUTOREN
Erica Zingher
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