| # taz.de -- Schwarz-rote Koalition in Berlin: Natürlich nur das Beste | |
| > CDU und SPD stellen ihren Koalitionsvertrag vor. Ein Schwerpunkt: | |
| > Klimaschutz und Verkehrswende. Noch muss allerdings die SPD-Basis | |
| > zustimmen. | |
| Bild: Da will er hin: Kai Wegner würde als neuer Regierender Bürgermeister in… | |
| Berlin taz | Das ging fix: Nach dreieinhalb Wochen Verhandlungen haben CDU | |
| und SPD in Berlin Einigung [1][über ihre politischen Ziele erreicht]. Am | |
| Montag stellten die Parteichef*innen [2][Kai Wegner (CDU)] und | |
| Franziska Giffey (SPD) das Ergebnis vor. Beide Seiten betonten, lösungs- | |
| und zielorientiert zu arbeiten. „Wir wollen mit diesem Koalitionsvertrag | |
| alle Berlinerinnen und Berliner in den Blick nehmen“, sagte Wegner. Es gehe | |
| nicht um ein Gegen-, sondern um ein Miteinander – eine indirekte Kritik an | |
| der bisherigen rot-grün-roten Regierung, der er teils ideologische Politik | |
| vorwarf. | |
| Wegner nannte als große Themen die [3][Mobilitätswende, Vielfalt, | |
| Klimaschutz] und eine funktionierende Verwaltung. Man werde den | |
| öffentlichen Nahverkehr ausbauen und die Taktzeiten „deutlich verbessern“. | |
| Mit Angeboten und nicht mit Verboten wolle man Menschen überzeugen, auf | |
| Busse und Bahnen umzusteigen. Wegner betonte aber auch: „Menschen, die mit | |
| dem Auto unterwegs sein wollen, werden ihren Platz haben.“ | |
| Im Nachgang der viel [4][diskutierten Silvesterrandale] kündigte der | |
| voraussichtliche künftige Regierende Bürgermeister eine größere | |
| Wertschätzung der Polizei und der Sicherheitskräfte an: „Sie werden spüren, | |
| dass die neue Koalition hinter ihnen steht.“ Auch diese Aussage ist eine | |
| explizite Kritik an der bisherigen Regierung. Die Sicherheitskräfte sollten | |
| besser ausgestattet werden und dafür sorgen, dass „die Stadt sicherer und | |
| sauberer“ wird. | |
| Zu der umstrittenen Namensabfrage seiner Fraktion nach den | |
| Silvesterübergriffen äußerte sich Wegner nicht explizit. Auf Nachfrage | |
| erklärte Co-SPD-Chef Raed Saleh dazu: „Wir haben eine gemeinsame Grundlage: | |
| Berlin ist die Stadt der Vielen. Das verbindet uns.“ Das auch wahltaktisch | |
| motivierte Vorgehen der CDU nach Silvester hatte der Partei sogar aus | |
| SPD-Kreisen einen Rassismusvorwurf eingetragen. „Der Wahlkampf war am 12. | |
| Februar vorbei“, sagte Wegner lediglich dazu. | |
| ## Sondervermögen für Klimaschutz | |
| Als eine große Baustelle haben CDU und SPD die Verwaltung identifiziert. | |
| „Viele Berlinerinnen und Berliner kritisieren: Die Verwaltung muss besser | |
| werden“, sagte Wegner. Daher wolle man die Digitalisierung vorantreiben und | |
| klare Zuständigkeiten zwischen dem Land und den Bezirken schaffen, die in | |
| Berlin die kommunale Ebene bilden. „Das wird nicht ganz einfach, das wissen | |
| wir“, gab Wegner zu. Die Berliner Verwaltung ist seit Jahren in der Kritik: | |
| [5][Termine auf Bürgerämtern zum Beispiel sind Mangelware], die reguläre | |
| Wartezeit beträgt oft zwei Monate oder mehr. | |
| Auch Klimapolitik hat die wohl künftige Regierung als Herausforderung | |
| erkannt – auch jenseits des gescheiterten Volksentscheids vor einer Woche. | |
| „Klimaschutz ist vielen Menschen und auch uns wichtig“, sagte Giffey. | |
| Deshalb habe man sich auf ein „bundesweit in dieser Höhe einmaliges | |
| Sondervermögen“ verständigt. Mit bis zu 10 Milliarden Euro, finanziert | |
| durch Kredite, solle die Klimaneutralität der Stadt schneller erreicht | |
| werden. Der bisherige rot-grün-rote Senat hatte als Zieljahr 2045 | |
| vereinbart. „Berlin soll beim Thema klimaneutrale Stadt Vorreiter sein“, so | |
| Giffey. | |
| Insgesamt haben sich beide Parteien also viel vorgenommen. Das schlägt sich | |
| auch bereits im Titel des 136-seitigen Koalitionsvertrags nieder: „Das | |
| Beste für Berlin“. Dabei hat die neue Koalition lediglich dreieinhalb Jahre | |
| Zeit, ihre Ziele umzusetzen. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass auch die | |
| meisten Senator*innen neu im Amt sein werden. | |
| ## Über die neuen Senator*innen wurde nichts bekannt | |
| Über Namen ist am Montag noch nichts Offizielles bekannt gegeben worden. | |
| Nur die Verteilung zwischen den beiden Parteien ist festgelegt: CDU und SPD | |
| erhalten je fünf Senator*innenposten – auch das ist ein Erfolg für | |
| die Sozialdemokrat*innen, die bei der Wiederholungswahl am 12. Februar mit | |
| 18 Prozent zehn Prozentpunkte [6][hinter der CDU] landeten. Auch Giffey | |
| könnte dem neuen Senat wieder angehören; auf welchem Posten, blieb unklar. | |
| Die CDU wird künftig unter anderem den Finanzsenator*in und die | |
| Umweltsenator*in stellen. | |
| Die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl war nötig geworden, nachdem das | |
| Landesverfassungsgericht die Wahl vom September 2021 [7][für ungültig | |
| erklärt hatte]. Grund waren die zahlreichen Pannen gewesen: Stimmzettel | |
| fehlten oder waren fehlerhaft, teils waren die Wahllokale wegen langer | |
| Schlangen bis nach 20 Uhr geöffnet. | |
| Die CDU gewann die Wahl klar – allerdings hätte auch das [8][bisherige | |
| rot-grün-rote Bündnis weiterhin eine Mehrheit gehabt]. Doch die SPD | |
| entschied nach den Sondierungen, eine Koalition mit der CDU anzustreben. | |
| Vor allem zwischen SPD und Grünen hatte es, so vor allem die Darstellung | |
| der Sozialdemokrat*innen, zahlreiche Unstimmigkeiten gegeben. | |
| Nicht bei allen in der SPD stößt dieser überraschende Kurswechsel der | |
| Landeschef*innen Giffey und Raed Saleh auf Wohlwollen. Die Jusos | |
| mobilisieren dagegen, mehrere große Kreisverbände sprachen sich | |
| grundsätzlich dagegen aus. Nun hat die Parteibasis das letzte Wort: In | |
| einer Urabstimmung können sie ihre Meinung zum Koalitionsvertrag und damit | |
| letztlich dem Bündnis selbst sagen. Eine Mehrheit für ein Nein wäre eine | |
| Überraschung, gilt aber nicht als umöglich. Am 23. April soll das Ergebnis | |
| bekannt gegeben werden. | |
| Bei einem „Ja“ könnte Wegner bereits in der Woche darauf im | |
| Abgeordnetenhaus zum neuen Regierenden Bürgermeister gewählt werden. Er | |
| wäre der erste CDU-Regierungschef in der Hauptstadt, seit Eberhard Diepgen | |
| 2001 wegen des Bankenskandals aus dem Amt gejagt wurde. | |
| 3 Apr 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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