# taz.de -- Koalitionsvertrag in Berlin: An die Regierung geböllert | |
> Silvester hallt nach: In der Sicherheitspolitik setzt sich die CDU auf | |
> ganzer Linie durch. Die SPD bekommt relativ viele Regierungsposten. | |
Bild: SPD und CDU bekommen gleich viele Posten | |
Nach mehr als 20 Jahren wird Berlin in Kürze wohl wieder von der CDU | |
regiert. Am Montag stellte Landesparteichef Kai Wegner den [1][mit der SPD | |
ausgearbeiteten Koalitionsvertrag] vor: Das 135 Seiten starke Werk, | |
vollmundig überschrieben mit „Das Beste für Berlin“, ist ein Sammelsurium | |
aus Absichtserklärungen, ein paar progressiven Ansätzen und reaktionären | |
Knallern. | |
Letztere beziehen sich vor allem auf die Innen- und Sicherheitspolitik. | |
Mehr Personal für die Polizei und eine stärkere Ausrüstung obendrauf, | |
darunter Elektroschocker und „flächendeckend“ Bodycams, drastische | |
Ausweitung der Videoüberwachung, Staatstrojaner und die Verlängerung des | |
Präventivgewahrsams auf fünf Tage: Das sind schon fast bayerische | |
Verhältnisse im linken Berlin. | |
Kai Wegners Taktik hat damit auf ganzer Linie Erfolg. Zu Jahresanfang noch | |
galt der 50-Jährige als aussichtsloser Kandidat. Doch in der Debatte über | |
die Silvesterrandale in Berlin mit Angriffen auf Polizei und Feuerwehr | |
[2][bedienten er und die CDU rassistische Ressentiments]. Das verfing bei | |
überraschend vielen Wähler*innen. Nun kann er seine Forderungen nach mehr | |
Überwachung und restriktiver Sicherheitspolitik umsetzen: Wegner böllert | |
sich an die Macht. Entschuldigt hat sich der wahrscheinliche nächste | |
Regierende Bürgermeister für diese Entgleisungen nie. Am Montag bezeichnete | |
er sie lapidar als Wahlkampfgetöse und bekannte sich zu Berlin als „Stadt | |
der vielen“. Das war er der SPD schuldig. | |
Nicht nur das: Die Sozialdemokraten haben viele eigene Punkte durchgesetzt, | |
inhaltlich und personell – was auch nötig ist, denn die Basis muss der | |
Koalition per Mitgliederentscheid noch zustimmen. So stellt die SPD genauso | |
viele Regierungsmitglieder wie die CDU, trotz eines deutlich schlechteren | |
Ergebnisses. Die Union lässt sich die ersehnte Rückkehr ins Rote Rathaus | |
also etwas kosten. | |
## Freie Fahrt für Autofahrer | |
Auch im wörtlichen Sinne. So haben beide Parteien ein 10 Milliarden Euro | |
starkes Sondervermögen für Klimaschutz vereinbart. Damit soll die Stadt bei | |
dem Thema bundesweit eine Vorreiterrolle einnehmen. Doch Wegner und Co. | |
haben nicht wirklich verstanden, [3][wie Klimaschutz funktioniert]. Anreize | |
statt Verbote sei der Ansatz. Das heißt zum Beispiel: freie Fahrt für alle | |
Autofahrer, die sich das noch leisten können. Klimaschutz soll offenbar | |
niemanden stören. | |
Während also der Staat bei Sicherheitsfragen durchgreifen soll, zieht er | |
sich beim Klimaschutz zurück. Beides ist leider Ausdruck fehlenden Mutes. | |
Doch den bräuchte es, um die Stadt nach vorne zu bringen. | |
3 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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