| # taz.de -- Restitution kolonialer Objekte an Benin: Europa hat sich bewegt | |
| > Benin feiert die Rückkehr von Objekten, die einst französische Soldaten | |
| > geraubt hatten. Sie sollen künftig auch Tourist*innen ins Land locken. | |
| Bild: Bei der Ankunft der kolonialen Objekte in Cotonou, Benin im November 2021 | |
| Cotonou taz | Die Vorfreude schien schon seit Wochen spürbar. Jetzt weisen | |
| überall in Benins Wirtschaftsmetropole Cotonou Plakate auf den | |
| „königlichen Schatz“ hin, der endlich – so empfinden es viele Menschen �… | |
| nach Hause gekommen ist. Seit einer Woche sind nun 26 Kunstwerke aus dem | |
| einstigen Königreich Dahomey zu sehen. | |
| Dazu gehören der Thron von König Ghézo, geschnitzte Türen des Palasts von | |
| König Glèlè, Zepter und eine Reihe von Statuen. Geraubt hatten diese | |
| französischen Kolonialsoldaten während des zweiten Dahomey-Kriegs von 1892 | |
| bis 1894. | |
| In der Sonderausstellung „Kunst in Benin gestern und heute: Von der | |
| Restitution bis zur Offenbarung“ werden sie noch bis Mai gemeinsam mit 106 | |
| zeitgenössischen Kunstwerken im westafrikanischen Cotonou gezeigt. Darunter | |
| sind Arbeiten von Romuald Hazoumé, Georges Adéagbo und Tchif. | |
| Für viele Besucher*innen ist der Ausflug ein besonderes Ereignis. | |
| Neugierig macht aber auch der Veranstaltungsort, das sonst so gut | |
| abgeschirmte Gelände des Präsidentenpalasts. Die Kunstwerke bieten eine | |
| einmalige Chance, es zu betreten. Die Botschaft der Regierung ist damit | |
| klar: Die Restitution ist absolute Chefsache. Kurz nach seinem Amtsantritt | |
| hatte Präsident Patrice Talon 2016 zum ersten Mal die Rückgabe gefordert, | |
| was die französische Regierung von François Hollande noch abgelehnt hatte. | |
| Jetzt erhält Talon von allen Seiten Lob. | |
| ## Neuer Nationalstolz | |
| Tatsächlich schaffen die Werke ein Zusammengehörigkeitsgefühl und stärken | |
| den Nationalstolz, der in der ganzen Region häufig nicht sonderlich | |
| ausgeprägt ist. Im Stadtteil Fidjrossé spricht Patrick Zannou, der seinen | |
| Lebensunterhalt als Zemfahrer – so heißen in Benin die unzähligen | |
| Mopedtaxen – verdient, von „unseren Objekten“. Mit Kunst habe er sonst | |
| nichts zu tun, und auf die Frage, ob die Ausstellung besuchen möchte, zuckt | |
| er mit den Schultern. „Aber es wäre doch toll, wenn noch mehr Gegenstände | |
| zurückkommen.“ | |
| Häufig wird betont, wie wichtig der Zugang zu Statuen, Zepter und Schemel – | |
| dabei handelt es sich um königliche Insignien – für das Verständnis der | |
| eigenen Geschichte sind. Im Jahr 2006 waren sie zwar bereits in der | |
| Stiftung Zinsou in Cotonou zu sehen. Dem privaten Kunstbetrieb gelang es, | |
| Frankreich von einer Leihgabe zu überzeugen. Innerhalb von drei Monaten | |
| kamen 275.000 Besucher*innen. | |
| Doch ansonsten brauchte es ein Flugticket und ein Visum, um Zugang zur | |
| „eigenen Geschichte“ zu haben, kritisiert die Präsidentin der Stiftung, | |
| Marie-Cécile Zinsou. Umso wichtiger sei die Rückgabe. „Mit den Objekten | |
| kommen Stolz und Geschichte zurück.“ Die Restitution würde zudem zu einer | |
| kollektiven Erinnerung werden. | |
| Das Königreich Dahomey entstand im 17. Jahrhundert und endete mit einem | |
| Sieg Frankreichs gegen den letzten König Béhanzin. Bis zur Unabhängigkeit | |
| 1960 wurde es französische Kolonie. Es umfasst etwa ein Fünftel der Fläche | |
| der heutigen Republik Benin. | |
| ## Afrikanische Sklavenhändler | |
| Neben den Kunstwerken gilt die weibliche Militäreinheit als legendär. Den | |
| Amazonen sind Filme und Bücher gewidmet. Was allerdings wenig thematisiert | |
| wird, ist die afrikanische Beteiligung am Sklavenhandel. Sklav*innen | |
| bescherten afrikanischen Herrschern Waffen aus Europa, die für die | |
| Expansion benötigt wurden. Die Könige beteiligten sich aktiv daran. | |
| Möglich machte die Restitution ein Vortrag, den Frankreichs Präsident | |
| Emmanuel Macron im November 2017 an der Universität Joseph Ki-Zerbo in | |
| Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, hielt. Er sagte damals: „Ich | |
| möchte, dass innerhalb von fünf Jahren die Bedingungen für die | |
| vorübergehende oder dauerhafte Rückgabe des afrikanischen Erbes in Afrika | |
| erfüllt sind.“ | |
| Es folgten Debatten in der französischen Nationalversammlung, | |
| Gesetzesänderungen und schließlich die Rückgabe der Dahomey-Objekte sowie | |
| die des Säbels von Omar Saidou Tall an Senegal. Tall war Feldherr, Prediger | |
| und Reichsgründer. | |
| „Europa hat sich endlich bewegt“, sagt Marie-Cécile Zinsou über Macrons | |
| Diskurs von Ouagadougou. Dessen Zusage brachte auch Dynamik in die Debatte | |
| um die Benin-Bronzen. Sie stammen aus dem Königreich Benin, das im heutigen | |
| Nigeria liegt. Die Bronzen wurden 1897 aus dem Palast des Oba gestohlen. | |
| Ein großer Teil ging in das British Museum. Andere Statuen und | |
| Bronzeplatten verkauften Händler. | |
| ## Zahlreiche Zusagen | |
| Bereits 2007 hatte sich eine internationale Gruppe mit | |
| Vertreter*innen der nigerianischen Regierung, dem Königshof sowie | |
| Museen in Europa gegründet, um über eine bessere Kooperation zwischen | |
| Museen und mögliche Restitutionen zu sprechen. Häufig waren die Gespräche | |
| jedoch zäh. Obwohl es mittlerweile zahlreiche Zusagen verschiedenen | |
| Institutionen gibt, sind die Artefakte bisher noch nicht in Nigeria | |
| angekommen. | |
| „Willkommen im Petit Musée de la Récade“, sagt Fortuné Agossa. Er steht … | |
| dem 2015 privat gegründeten Museum, das im Stadtteil Godomey liegt und | |
| vermutlich die weltweit größte Sammlung an Zeptern aus dem Königreich | |
| Dahomey hat. Zum Museum gehören Ateliers für Künstler*innen, die mehrere | |
| Monate lang in Cotonou leben und arbeiten, eine Bibliothek, ein großer | |
| Garten, Platz für ein Open-Air-Kino. Die Ausstellungen von zeitgenössischen | |
| Künstler*innen wechseln regelmäßig. | |
| Möglich gemacht haben das Museum die Galerie Vallois in Paris, ein | |
| Kollektiv von Antiquitätenhändlern aus Saint-Germain-des-Prés sowie die | |
| Stiftung Gastfreundschaft und Entwicklung (L’HeD). Die Zepter stammen aus | |
| Antiquariaten und Privatsammlungen. Das Projekt zeigt: Abseits der | |
| politischen Debatten gibt es eine Bereitschaft, Kunstobjekte – ob geraubt | |
| oder gekauft – zurück in die Ursprungsländer zu geben. | |
| Begonnen hat das Museum mit einer Sammlung von 34 Zeptern. Mittlerweile | |
| sind es 98. Der Griff ist meist aus Holz, eine Art Klinge aus Metall. Je | |
| nach Machthaber ist ein Symbol hinzugefügt. Für König Glélé ist das | |
| beispielsweise der Löwe, während der Hai für König Béhanzin steht. | |
| ## Stab der Wut | |
| In der Sprache Fon, die vor allem an der Küste Benins verbreitet ist und | |
| Sprache im einstigen Königreichs Dahomey war, heißt das Zepter makbo. | |
| „Stab der Wut“ übersetzt Fortuné Agossa das und macht gleich deutlich: Das | |
| Zepter war dazu da, um einen Untertanen zu rufen. „Das hat vor allem Angst | |
| gemacht.“ Zu den historischen Zeptern sind heute 19 zeitgenössische zu | |
| sehen, die internationale Künstler*innen entworfen haben. | |
| Fortuné Agossa führt mit Begeisterung durch die Ausstellung. „Wenn ich | |
| herkomme und die Zepter sehen, erfüllt mich das mit Zufriedenheit. Sie | |
| waren auf der ganzen Welt verteilt. Heute sind sie bei uns und zeigen uns | |
| die Geschichte von Dahomey. Das ist sehr stark“, erklärt er. Mit den 26 | |
| Artefakten würde sich das genauso verhalten. | |
| Sie können letztendlich dazu beitragen, dass das Interesse an Museen steigt | |
| und eine Verknüpfung zwischen alten Statuen und neuesten Arbeiten von | |
| Künstler*innen gelingt. Programme für Schulklassen gibt es zwar, und | |
| Angebote wie Malnachmittage sollen das Interesse für Kunst wecken. Fest | |
| verankert sind Museumsbesuche in beninischen Familien aber keinesfalls, | |
| selbst wenn der Eintritt kostenfrei ist. | |
| Es passt zu Talons Konzept, Museen zu stärken. Nicht nur Beniner*innen, | |
| sondern vor allem Tourist*innen sollen neben anderen Freizeitangeboten | |
| vor allem durch Ausstellungen nach Benin gelockt werden. In Abomey werden | |
| deshalb die Königspaläste, die seit 1985 zum Weltkulturerbe der Unesco | |
| gehören, renoviert. Dort soll für die 26 Objekte ein finaler | |
| Ausstellungsort entstehen. In Ouidah, 50 Kilometer westlich von Cotonou, | |
| wird das portugiesische Fort restauriert. | |
| Die Stadt soll zudem ein Museum zum Sklavenhandel erhalten. Für die | |
| Hauptstadt Porto Novo ist ein Museum zur Geschichte und Kunst des Voodoo im | |
| Gespräch. Immer wieder gab es Spekulationen über die Eröffnung. Die hat | |
| bisher aber nicht stattgefunden. | |
| 27 Feb 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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